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Epitaph: History Box 1 – The Brain Years 1979-1981 (Review)

Artist:

Epitaph

Epitaph: History Box 1 – The Brain Years 1979-1981
Album:

History Box 1 – The Brain Years 1979-1981

Medium: 4-CD-Box
Stil:

Progressive-, Indie- und Alternative-Rock

Label: MIG music
Spieldauer: 235:51
Erschienen: 28.04.2023
Website: [Link]

Setzen wir und mal wieder gemeinsam mit MIG music in deren musikalische Zeitmaschine – eine diesmal ganz schön dick ausgestattete – und reisen knapp 45 Jahre in die Vergangenheit, in der uns gleich vier Alben des damals legendären, 1972 gegründeten deutschen Kraut-Prog-Deutschrock-Labels 'Brain' begegnen. Alle vier Alben, vereint in einer dicken Jewel-Box, samt 16-seitigem, sehr informativen und reichlich bebilderten Booklet, stammen von einer Band, die damals ihre ganz eigene deutsch-englische Rock-Geschichte schrieb: EPITAPH!

Nun also sind
* Return To Reality (1979)
* See You In Alaska (1980)
* Live (1981)
* Danger Man (1982)
mit vielen Bonustracks (insgesamt 9) versehen in der „History Box 1 – The Brain Years 1979-1981“ vereint.
Da kann jeder gerne in der Vergangenheit schwelgende Musikfreund gerade in Zeiten des schamlosen digitalen Streamings nur eins sagen: „Chapeau!“

Werft euren CD-Player an und gebt ihm ordentlich Feuer sowie Futter mit dieser deutschen Band um den aus Sheffield stammenden britischen Sänger und Gitarristen CLIFF JACKSON!
Allerdings wird der retro-begeisterte Hörer ein wenig verwundert sein, wenn er die letzte CD des Viererpacks von seinem Player verschlingen lässt, denn obwohl die „History Box 1“ mit dem Untertitel „The Brain Years 1979-1981“ aufwartet, ist „Danger Man“ aus dem Jahr 1982.
Ist den MIG-Jungs da etwa ein kleiner Fehler unterlaufen?
Keinesfalls! Denn die letzte CD dieser Sammlung ist extra als Bonus-CD deklariert und wurde 1982 nicht für das Brain- sondern das Rockport-Records-Label aufgenommen und von diesem veröffentlicht.

Die 1969 gegründeten EPITAPH gelten heute als eine der ersten deutschen Rockbands, was eigentlich falsch ist, wenn wir endlich begreifen würden, dass zu Deutschland eben auch der Osten gehört und sich dort die grandiosen STERN-COMBO MEISSEN oder PUHDYS bereits fünf Jahre früher und die mit Auftrittsverboten übersäten RENFT sogar bereits im Jahr 1958 gegründet hatten. Also zählen neben UDO LINDENBERG (1969 noch als FREE ORBIT) auch EPITAPH zu den ersten deutschen Rockbands im Westen, während der Rock im Osten trotz extrem großer Hindernisse und zensorischen, im Grunde unerträglichen Zwängen (besonders mit deutschen, ihnen zwanghaft auferlegten Texten) dem Westen aus Rocksicht deutlich voraus war.

EPITAPH, die natürlich unkompliziert ihre Songs in englischer Sprache aufnahmen, spielten anfangs in erster Linie eingängigen Gitarren-Rock, der aber nicht schnörkellos, sondern durchaus sehr komplex und verspielt klingen durfte und sich in den ersten Jahren auch deutlich längeren, progressiven Songstrukturen zuwandte.

Legendär waren besonders ihr Auftritt im Rockpalast im Jahr 1977, bei dem sie aus ihren ersten drei noch bei Polydor Records erschienenen Alben der Jahre 1971 und 1972 Songs spielten und zuvor 1972 ihr Auftritt im Beat-Club.

Ihr drittes Album „Outside The Law“ wurde nach einer erfolgreichen USA-Tour sogar in Chicago produziert und sehr erfolgreich verkauft. Doch das Ami-Label bekam 1974 schwere finanzielle Probleme, was EPITAPH vorerst mit in den Abgrund riss, aus dem sie aber ganz schnell wieder auftauchten, wobei die weltweit extrem angesagte ungarische Prog-Band OMEGA eine wichtige Rolle spielte, mit der sie 1978 insgesamt 36 gemeinsame Konzerte gaben und wiederum viel Aufmerksamkeit erhielten. So kam es tatsächlich mit OMEGAs Hilfe auch zu dem neuen Label-Partner 'Brain', in dessen Ergebnis die drei in dieser Box vereinten (und um eine Bonus-CD erweiterten) Alben entstanden.
Auch spielte hier erstmals der ELOY-Schlagzeuger Fritz Randow bei EPITAPH mit, der eigentlich nur kurzfristig für besagten Rockpalast-Auftritt aushelfen sollte, dann aber für die drei offiziellen Brain-Alben festes Bandmitglied wurde. Danach kehrte er wieder zu ELOY zurück, wechselte dann aber zu SINNER, VICTORY, SAXON und nach dem Tod von Peter Panka zu JANE.

Erstmals wurde für diese Box endlich auch das „Live“-Album digitalisiert, samt eines herrlich abgemischten Randow-Schlagzeug-Solos in „Tequila Fritz“, und wird gerade darum einen großen Kaufanreiz für alle EPITAPH-Freunde darstellen. Wohl deshalb wurde auch bei dieser dritten CD innerhalb der „History Box 1 – The Brain Years 1979-1981“ darauf verzichtet, wie auf den anderen drei CD's, irgendwelche Bonus-Songs beizufügen.

Auf den Brain-Alben spielen zudem die Keyboards eine wesentlich bedeutendere Rolle als auf den drei vorherigen Polydor-LP's. Diese konnten allerdings nicht an den Erfolg besonders von „Outside The Law“ (1972) anknüpfen, sind jedoch in einer ähnlichen Liga wie MANFRED MANN'S EARTHBAND, GOLDEN EARRING oder STATUS QUO anzusiedeln, für die EPITAPH 1973 auch als Support unterwegs waren.

Und es gab zudem eine weitere hochinteressante Ost-West-Parallele in Verbindung mit EPITAPH, deren Musik aufgrund ihrer großartigen Qualität ohne Weiteres auch die Mauer überwand und ganz speziell voller Wucht in MAGDEBURG ankam, in der sich eine in der DDR sehr erfolgreiche Band unter dem gleichen Namen wie die heutige Hauptstadt von Sachsen-Anhalt gegründet hatte.
Womit wir auch schon bei einem der stärksten Songs der EPITAPH-Box wären, der als Studio- und Live-Version allen EPITAPH-Freunden zu Gehör gebracht wird: „Strangers“.

Allerdings verärgert einen gerade an diesem ersten Live-Bonustrack „Strangers“ etwas. Nicht etwa die Musik oder Performance von EPITAPH, sondern das idiotische Publikum, welches statt dem kurzen Interview im Rahmen der 'Radiothek' mit C. Jackson zuzuhören, störend (und wohl nur Musik fordernd) dazwischenklatscht. Ja, schöne Scheiße, wenn man nur noch der Musik, aber nicht den Worten von Musikern folgen kann. Das war in der DDR völlig anders, da man dort nicht nur zuhörte, sondern auch 'zwischen den Zeilen' zu lesen versuchte, weil genau das etwas mit der Freiheit zu tun hatte, der man uns damals in der DDR-Diktatur beraubte.

Und darum hier die Fortsetzung einer kurzen Anekdote um die Verbindung zwischen EPITAPH und MAGDEBURG, welche besonders das Vereinende von Musik aus Ost und West zugleich aufzeigt, genauso wie die ideologisch trennenden Zwänge.

Der Westen jedenfalls hatte – wie man es auf der „Strangers“-Live-Version von 1978 hören kann, das Privileg, den Wert nur an der Musik zu bemessen und lebte es mitunter dümmlich aus, indem es textliche Inhalte ignorierte oder als unwichtig empfand.
Dagegen war die Situation im Osten – also der DDR – eine völlig andere, denn die kulturell-politischen Zensurbehörden verfolgten, übrigens damals unter Oberaufsicht des russischen KGB-Chefs (Russischer Geheimdienst) Putin jedes nur ansatzweise gefährlich geltende Wort und betrieben Tabula Rasa gegen jede kritische Rock-Band, wofür RENFT das beste und bekannteste Beispiel ist und war. Doch es erwischte diesbezüglich noch jede Menge andere Ost-Bands – so auch MAGDEBURG. Darum gibt in dieser Beziehung – gerade in Verbindung mit dem erfolgreichsten EPITAPH-Song „Strangers“ – hier eine weitere Verbotsgeschichte um die hervorragende, aus den KLOSTERBRÜDERN hervorgegangene, Band, benannt nach der Geburtsstadt, aus der auch dieser Review-Kritiker kommt.
Ganz offensichtlich ließen sich MAGDEBURG bei einem ihrer ebenfalls in der DDR erfolgreichsten Songs „Verkehrte Welt“, in dem sie den Kampf Otto von Guerickes, dem Begründer der Vakuumtechnik und Sohn Magdeburgs, den er im 17. Jahrhundert durch seinen Luftdruckversuch anhand der 'Magdeburger Halbkugeln' gegen seine jeglichen Fortschritt bekämpfenden Zeitgenossen führte, vertonten und dabei auf eine geschickte Wortwahl zurückgriffen, in der man zwischen den Zeilen auch eine deutliche Kritik an dem diktatorischen DDR-System lesen konnte, unüberhörbar von „Strangers“ inspirieren.
Doch die Geschichte um MAGDEBURG sollte (und das lag wiederum nicht an EPITAPH) ein schnelles Ende finden. Die Band war 1981 für einen Auftritt in der DDR-Jugendsendung 'rund' vorgesehen und während der Produktion forderte man den Sänger Hans-Joachim Kneis auf, sich die für DDR-Verhältnisse viel zu langen Haare abzuschneiden, was dieser ablehnte. Umgehend verbot man daraufhin MAGDEBURG, die so mutig waren, daraufhin einen kollektiven Ausreiseantrag zu stellen. Damit verschwand sofort auch ihre erste und somit einzige LP aus allen Plattenläden, auf der sich auch „Verkehrte Welt“ befand.
Ein weiterer doppeldeutiger Beweis dafür, wie verkehrt die Welt in der DDR doch war.

So ist es schon fast ironisch, dass diese DDR-Band auch ein klein wenig in EPITAPH fortlebt. Und gerade nunmehr auch in dieser „History Box 1“ für den nostalgischen Anhänger alter DDR-Rockzeiten ein neues Feld in dem noch immer unerforschten Universum richtig guter deutscher Rockmusik der Vergangenheit öffnet.
Alle, die dem Krautrock der Marke NEKTAR und JANE oder eben von den deutschsprachig singenden Brüdern hinter der Mauer, wie KARUSSELL, PUHDYS und REFORM angetan sind, die werden an der „History Box 1 – The Brain Years 1979-1981“ von EPITAPH ihre wahre Freude haben und können getreu derem ersten Album „Return To Reality“ in die Realität guter, krautiger Rockmusik zurückkehren.

FAZIT: „Immer wieder aus dem Grab gerockt: EPITAPH. Die deutsch-englische Band wurde schon oft für tot erklärt – und ist trotzdem immer wieder aus der Versenkung aufgetaucht!“, so heißt es in einem abgebildeten Zeitungsartikel aus den Spätsiebzigern im 16-seitigen Booklet, welches der „History Box 1 – The Brain Years 1979-1981“ beiliegt. Die dicke 4-CD-Jewelcase-Box mit den drei auf dem Brain-Label veröffentlichten EPITAPH-Alben * Return To Reality (1979) / * See You In Alaska (1980) / * Live (1981) sowie als Bonus die CD * Danger Man (1982), die bei Rockport Records erschien, lässt wieder einmal alle Nostalgiker-Herzen höherschlagen und weckt sogar ungeahnte Erinnerungen Richtung DDR. Ein musik-historischer Glücksgriff, mit dem uns MIG music mal wieder überraschen, auch weil die hier enthaltenen 1982er-Live-Aufnahmen bisher noch nie in digitalisierter Form veröffentlicht wurden und beim Remaster aller Alben sogar der EPITAPH-Kopf Cliff Jackson mitwirkte.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2506x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Tracklist:
  • CD 1 = Return To Reality (1979) = (63:16):
  • Set Your Spirit Free
  • Strangers
  • We Can't Get Together
  • Summer Sky
  • On The Road
  • Return To Reality
  • Spread Your Wings
  • Bonustracks:
  • Strangers (Live 1978)
  • On The Road (Live 1978)
  • Return To Reality (Live 1978)
  • Summer Sky (Acoustic)
  • CD 2 = See You In Alaska (1980) = (51:25):
  • Do You Believe In Love
  • Hold On
  • Bad Feeling
  • Keep On Moving
  • When I Lose Your Love
  • Tonight
  • Fantasy
  • See You In Alaska
  • Telephone Line
  • Bonustracks:
  • Hold On (Live 1978)
  • When I Lose Your Love (Rockpalast, Live 1978)
  • CD 3 = Live (1981) = (73:12):
  • Still Alive
  • Hard Life
  • Kamikaze
  • Tequila Fritz
  • Goin' To Chicago
  • Die High
  • On The Road
  • What About Me
  • Do You Feel Right
  • CD 4 = Bonus Disc: Danger Man (1982) = (47:58):
  • Small Town Girl
  • Ain't No Liar
  • Let Me Know
  • The Daughter
  • Long Live The Children
  • Heartless
  • High Wire
  • Snake Charmer
  • Bonustracks:
  • Ain't No Liar (Capitol, Live 2012)
  • Long Live The Children (Capitol, Live 2012)
  • Good Times

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
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