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Steven Wilson: The Future Bites (Review)
Artist: | Steven Wilson |
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Album: | The Future Bites |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Progressive Rock / Pop |
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Label: | Caroline | |
Spieldauer: | 42:27 | |
Erschienen: | 29.01.2021 | |
Website: | [Link] |
Mittlerweile wurden quasi schon Bücher mit Einschätzungen, Prognosen und Debatten über STEVEN WILSONs neues Album im Internet wie anderswo geschrieben, und statt sich an diesem fraglos spannenden Diskurs zu beteiligen, sollte man sich am Ende doch auf die Musik an sich zurückwerfen lassen, denn sie ist es wert - ganz unabhängig von Stil- und Image-Fragen.
Ironischerweise geht es auf "The Future Bites" unter anderem auch genau darum: Oberflächen, unter denen wir uns verstecken und die man uns auf Produkte bezogen als äußere Haut angeblich zutiefst sinnvoller, bewegender oder was auch immer sonst bewirkender Kerne schmackhaft machen möchte, auch wenn sie am Ende Produkte bleiben. Man lässt sich aber gern zum Kauf verführen - Wilsons selbst auch, wie er eingestanden hat - und muss sich im Zusammenhang konkret mit dieser Platte gar nicht dafür schämen.
Sie ist um Längen besser, weil in sich stimmiger als ihr Vorgänger, der irgendwie unentschlossen wirkte. 2020 bzw. 2021 weiß der britische Prog-Rock-Neuerer umso genauer, was er tut, indem er die Lust am Konsum mit Identitätsfragen verschränkt in visionäre Songs verpackt, die einen Blick zurück und zwei nach vorne werfen.
Ja, "The Future Bites" ist "retro", doch das gilt nur für Teile des Klangfundaments, auf die Wilson seine Ideen stellt, legt, knallt oder gleiten lässt - im wahrsten Sinn des Wortes, denn als Produzent hat er sich zusammen mit seinem Zuarbeiter David Kosten (Bat For Lashes, Everything Everything) auf diesem dynamischen Wunderding aus organischen und artifiziellen Sounds selbst übertroffen … wobei uns nicht einmal den Surround-Mix vorliegt.
Wilson nimmt vom Start weg kaum verschleiert Bezug auf seine Einflüsse kunstvollen Pop von David Bowie oder Prince, doch schnöde Abziehbilder dieser Vorbilder einzureichen liegt ihm fern. Aus pfiffig programmierten Beats und traditionellen Rockband-Instrumenten, zeitgemäß aufgebohnerten Disco-Synthesizern und Frauenstimmen im Chor von den Tanzflächen der 1970er webt er etwas völlig Eigenes Klangteppiche, an denen man sich nicht satthören, sondern immer wieder etwas Neues entdecken kann, obwohl sie verboten schnell ins Ohr gehen.
Das gilt für den offensichtlichen Hit-Opener 'Self' ebenso wie für den teils akustischen Sonnenschein (die grauen Wolken sind aber nicht am Horizont zu übersehen) '12 Things I Forgot' und den Energiespender 'Eminent Sleaze', dessen Titel allein auf den Punkt zu bringen scheint, wie selbstsicher der Künstler zwischen zwei Egos balanciert - dem reservierten Prog-Akademiker einer- und dem nachgerade dekadenten Salonlöwen andererseits. So versiert wären die Vorzeige-Kräuter Can Zeit ihres Bestehens gern darin gewesen, Grenzen mit unerhörten stilistischen Verschränkungen einzureißen.
Das düster kühle 'King Ghost' klingt wiederum nach Porcupine Trees "Fear of a Blank Planet"-Ära ohne Metall-Legierung und stellt die Weichen für das anspruchsvolle Song-Tripel am Ende weit im Voraus. im knapp zehnminütigen 'Personal Shopper' laufen alle thematischen Fäden von "The Future Bites" zusammen (Die Deluxe-Edition enthält die komplette, noch längere Fassung des Tracks), 'Follower' dürfte die einzige in Teilen beklemmende Nummer sein (man braucht bloß auf den Text zu achten, was nicht schwerfällt, weil die Vocals ohnehin die ganze Zeit über im Fokus stehen), und 'Count of Unease' lässt uns mit einem angemessen ambivalenten Gefühl zurück.
Genaugenommen sowohl mit Ohrwürmern als auch umso mehr Stoff zum Nachdenken im Kopf. Beste Voraussetzungen für einen zukünftigen Klassiker.
FAZIT: Falls STEVEN WILSON auf seinem letzten Album etwas nicht ganz richtig gemacht hat, markiert "The Future Bites" nicht nur eine Korrektur sämtlicher damaliger Fehler, sondern setzt auch neue Maßstäbe in Sachen "Thinking Man's Pop". Was bedeuten angesichts dessen eigentlich Schubladenbegriffe wie "Progressive Rock".
Funk? Indie Rock? Electro? Synthwave? Das Medium ist die Message, wie Marshall McLuhan vieldeutig skandierte, und Namen sind Schall und Rauch.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Unself
- Self
- King Ghost
- 12 Things I Forgot
- Eminent Sleaze
- Man Of The People
- Personal Shopper
- Follower
- Count Of Unease
- Insurgentes (2009) - 12/15 Punkten
- Insurgentes (Film) (2010)
- Grace For Drowning (Deluxe Edition) (2011)
- Grace For Drowning (2011) - 15/15 Punkten
- get all you deserve (2012)
- The Raven That Refused To Sing (2013) - 11/15 Punkten
- Drive Home (2013)
- Hand. Cannot. Erase (2015) - 15/15 Punkten
- 4½ (EP) (2016)
- Transcience (2016)
- Home Invasion: In Concert at the Royal Albert Hall (2018)
- The Future Bites (2021) - 14/15 Punkten
- The Harmony Codex (2023) - 11/15 Punkten
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keine Interviews
Kommentare | |
Ch.Ze.aus.SLS
gepostet am: 22.01.2021 |
Für relevante News aus dem Proggy-Rocky-Metal-und-sonstige-interessante-Mucke-Universum bin ich Herrn Schiffmann dankbar. Wär wie so einiges andere grandios an mir vorbei gegangen, wenn ich nicht regelmäßig nach deinen Reviews schauen würde. |
Andreas [musikreviews.de]
gepostet am: 23.01.2021 |
Danke Chris ;)
Die Zukunft beißt. |
Vloggy
gepostet am: 11.02.2021 User-Wertung: 14 Punkte |
Auf den Punkt – danke!
Und ich schliesse mich nach viermaligem Durchhören der Fastmaximalpunktzahl an. |
Ch.Ze.aus.SLS
gepostet am: 12.02.2021 |
Ich bin ent- und begeistert. Dass ich trotz langjährigem Fantum eher zufällig darüber gestolpert bin, dass ein neues Album ansteht, liegt wohl daran, dass mir der "Steven Wilson-Prog" doch etwas aus den Ohren rauskam. Dieses Album ist allerdings der Hammer; wie nach Jahen wieder heimzukommen in ein renoviertes Haus und vom Geruch der frischen Farbe high werden... Die Langversion von "Personal Shopper" ist ein Trip deluxe. |
Perfectionist
gepostet am: 25.02.2021 |
Aber wieso hat To the Bone als einziges von SWs Soloalben keine Rezension hier bekommen? :( |
Frank
gepostet am: 09.03.2021 User-Wertung: 3 Punkte |
Ich als langjähriger Fan von Porcupine Tree und den Solo Alben von Steven Wilson kann dem neuen Pfad beim besten willen nicht folgen. Langweilig, uninspiriert und ohne jeglichen Tiefgang. Außer King Ghost ein totalausfall. Schade... Gönne Steven aber (sofern er eintritt) den Erfolg von Herzen. Wobei ich beim besten willen nicht weiß welche neuen hörer er damit gewinnen soll... |
Ziggy
gepostet am: 20.03.2021 User-Wertung: 4 Punkte |
Sorry Steven,
Habe grade bei nem lokalen Radiosender die Top 25 der Charts aus dem Jahr 1984 gehört... da gabs einige Songs die mich mehr zu fesseln wussten... Das tut allerdings meiner Verehrung für deine alten Alben und deiner Arbeit mit Porcupine tree jedoch keinen Abbruch... |