Partner
Services
Statistiken
Wir
Steven Wilson: Insurgentes (Review)
Artist: | Steven Wilson |
|
Album: | Insurgentes |
|
Medium: | CD | |
Stil: | Psychedelic / Elektronisches / New Artrock |
|
Label: | K Scope | |
Spieldauer: | 55:22 | |
Erschienen: | 09.03.2009 | |
Website: | [Link] |
Ohne Zweifel ist „Insurgentes“ das erste, richtige Jahreshighlight im Progsektor. STEVEN WILSON, inzwischen schon einer der ganz großen Persönlichkeiten der Szene, wandelt in „Insurgentes“ auf Solopfaden, fernab von seinen Hauptbands PORCUPINE TREE, BLACKFIELD und NO-MAN.
Zwar gab es das Album wieder mal als limitierte Sonderauflage bei KScope zu kaufen, offiziell erscheint die CD im hübschen Digipack aber erst am 9. März. Fans intelligenter Musik, die sich ihre CDs wie immer auf konventionellem Wege beschaffen, können sich also schon mal die Hände reiben.
Der Mastermind himself hat keine Kosten und Mühen gescheut, und gleich die Creme de la Creme der Progressive Rock-Szene um sich geschart: Gavin Harrison (PORCUPINE TREE) am Schlagzeug, Tony Levin (PETER GABRIEL, KING CRIMSON), der „Stickman“, am Bass, Theo Travis an sämtlichen Blasinstrumenten, Jordan Rudess (DREAM THEATER, LTE) am Piano... die Liste der Gastmusiker ist lang und wenn man bedenkt, aus welch namhaften Bands die Instrumentalisten kommen, beginnt man zu verstehen: Wilson hat sich endgültig etabliert. Von einer Underground-Ikone zum Epizentrum modernen Artrocks.
Doch die eigentliche Überraschung liegt in der uns gebotenen Musik von „Insurgentes“. Haben viele Fans und Kritiker bis dato einfach mit einem weiteren PORCUPINE TREE-Album gerechnet, werden sie spätestens ab „Abandoner“ eines Besseren belehrt. STEVEN WILSON fusioniert die Kreativität all seiner Sideprojekte in einen zwar sehr heterogenen, aber äußerst interessanten Sound. Die Ambient- und Dronekonstrukte von BASS COMMUNION und IEM werden mit den subtilen Melodien seiner Stammband PORCUPINE TREE verwoben, Elektro-Noise-Orgien wechseln sich mit sanften NO-MAN-Parts ab und der balladeske Charakter von BLACKFIELD findet in den beiden eingängigsten Songs, „Harmony Korine“ und „Insurgentes“, seine Gestalt. Und nicht selten überschreitet Wilson sogar die Grenzen zum Shoegaze, Postrock oder gar freien Avantgardeklängen. Er hat sich überall bedient, bleibt seiner Handschrift aber stets treu. Und genau dies wird auf viele eingefleischte PT-Fans zunächst befremdend wirken. Man sollte dieser CD aber wirklich Zeit zur Entfaltung geben und die Musik vor allem mit einer guten Stereo-Anlage genießen (am besten gleich im 5.1-Mix...)
Das Album beginnt mit einem hymnisch-bombastischen Opener, „Harmony Korine“, der diese Art von „Catchy“-Refrain besitzt, wie sie nur STEVEN WILSON schreibt. Der Track erinnert noch (!) am ehesten an seine erfolgreiche Hauptband PORCUPINE TREE. Ab da an geht es in experimentellere Gefilde.
„Abandoner“ ist ein verstörender Song, eine Mischung aus Triphop a la PORTISHEAD und MASSIVE ATTACK, mit den Geräuschkulissen von BASS COMMUNION. Melodieselige Fans werden hier garantiert schlucken müssen. Der Meister macht es einem keineswegs leicht.
Rockigere Akzente setzt „Salvaging“, der erste längere Song auf „Insurgentes“. Der stoische, psychedelische Gitarrenriff, der durch das ganze Lied hindurch gehalten wird, erinnert an eine elektrisch verstärkte Version von CAN oder NEU!. Zusätzlich besticht „Salvaging“ durch eine bluesig-morbide Note.
„Veneno Para Las Hadas“ ist deutlich ruhiger gehalten, eine kleine Verschnaufpause. Es erinnert etwas an eine introvertierte Version von „Lips of Ashes“ (auf dem PORCUPINE TREE-Album „In Absentia“) und beschwört den schwermütigen Geist von PINK FLOYD herauf. Sehr gelungen sind wieder mal die Harmoniegesänge in den letzten Minuten.
Es folgt einer der Höhepunkte der Platte. „No Twilight Within The Courts of The Sun“ ist ein verschrobenes, total durchgeknalltes Stück Jazzrock, dass den trockenen, staubigen Boden der mexikanischen Einöden aufwirbelt. Der Song entwickelt sich zu einem heftigen Riffmonster, das schwer an „Larks’ Tongues In Aspic“ von KING CRIMSON erinnert. Doch plötzlich bricht die Lärmkulisse jäh ab, um dem gehauchten Sprechgesang von STEVEN WILSON Platz zu machen. „No Twilight“ klingt anfangs erst mit einem angenehmen Ambientpart aus, um in den letzten Sekunden dem Hörer nochmal eins richtig auf die Löffel zu geben. Selten habe ich einen Song von Wilson gehört, der so geschickt mit Laut-Leise-Spannungen spielt.
Mit „Significant Other“ folgt sogleich der nächste Gänsehautmoment des Albums. Dieser Song baut auf einer herrlich verträumten Melodie auf, die sich in extrem bombastische Höhen schraubt, bis man das Gefühl bekommt, in einem Fahrstuhl mit Lichtgeschwindigkeit in den Weltraum geschleudert zu werden. Denkste... was wir die ganze Zeit gehört haben, war die Melodie einer kleinen Spieluhr.
„Only Child“ ist ein kleiner Durchhänger im Fluss des Albums. Irgendwie hätte dieser Song auch vom PORCUPINE TREE-Album „Deadwing“ stammen können. Das Lied besitzt einen trockenen, straighten Charakter, bei dem höchstens der schläfrig wirkende Refrain heraussticht.
„Twilight Coda“ soll gewissermaßen das Nachspiel von „No Twilight Within the Courts of the Sun“ sein, ist aber deutlich ruhiger, besinnlicher, fast schon meditativ gehalten. Eine einsame Akustikgitarre teilt sich den Raum mit einem verhallenden Klavier, während im Hintergrund wieder die bedrohlichen Drone-Geräusche lauern.
Der letzte Longtrack der Scheibe, „Get All You Deserve“, ist ein trauriges – ach, was sag ich – abgrundtief verzweifeltes Stück, als würde STEVEN WILSON genau am Rand der Welt stehen. Das ruhige Intro mit dezenten Pianoakkorden baut langsam Spannung auf, der Song steigert sich dramatisch, bis zum unvermeidlichen Absturz. Eine Lärmkaskade, als ob die Stereo-Anlage gleich implodieren würde, rollt über den Hörer und lässt ihn mit einer nichtssagenden Stille zurück. Sicher der am schwersten zu verdauende Track auf der Scheibe...
Der Titeltrack „Insurgentes“ beschließt die CD im Stile von RADIOHEAD, die dunklen Wolken ziehen sich langsam zurück und die Abenddämmerung wirft ihre warmen Strahlen auf die Einöde Mexikos. Zumindest ein Bild, das Wilson bei der Aufnahme des Songs im Kopf gehabt haben könnte.
FAZIT: „Insurgentes“, das erste richtige Soloalbum von PORCUPINE TREE-Mastermind STEVEN WILSON, ist leider nicht DAS Meisterwerk geworden, das sich viele erhofft hatten. Vieles wirkt heterogen, ziellos. Der experimentelle Charakter erschwert den Zugang zu den dramatisch-epischen Stücken und die Dronegitarren legen genug Stolpersteine für nichtsahnenden Hörer. Trotzdem ist „Insurgentes“ ein besonderes Album geworden. Nicht ohne Grund hat Wilson den Namen „Insurgentes“ – mexikanisch für „Aufständischer“ – gewählt. Er sieht sich in der Rolle eines einsamen Rebellen in der oberflächlichen Musikbranche. Ist er ein iPod-vernichtender, barfüßiger Geek oder wird man ihn in zehn Jahren als verkanntes Genie feiern? Zieht euch einfach dieses Album rein und macht euch selber ein Bild davon...
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Harmony Korine
- Abandoner
- Salvaging
- Veneno Para Las Hadas
- No Twilight Within The Courts of The Sun
- Significant Other
- Only Child
- Twilight Coda
- Get All You Deserve
- Insurgentes
- Bass - Steven Wilson
- Gesang - Steven Wilson
- Gitarre - Steven Wilson
- Keys - Steven Wilson
- Insurgentes (2009) - 12/15 Punkten
- Insurgentes (Film) (2010)
- Grace For Drowning (Deluxe Edition) (2011)
- Grace For Drowning (2011) - 15/15 Punkten
- get all you deserve (2012)
- The Raven That Refused To Sing (2013) - 11/15 Punkten
- Drive Home (2013)
- Hand. Cannot. Erase (2015) - 15/15 Punkten
- 4½ (EP) (2016)
- Transcience (2016)
- Home Invasion: In Concert at the Royal Albert Hall (2018)
- The Future Bites (2021) - 14/15 Punkten
- The Harmony Codex (2023) - 11/15 Punkten
-
keine Interviews
Kommentare | |
Sascha [Musikreviews.de]
gepostet am: 03.04.2009 User-Wertung: 10 Punkte |
So, also hier MUSS ich meinen Kommentar loswerden, so wie ich dem Herrn Wilson verfallen bin. Wäre ich damals schon bei Musikreviews gewesen, hätt ich mich wahrscheinlich mit dir darum gestritten, die Rezi zu schreiben ;) - letztlich hätt ich's aber auch nicht besser sagen können. Anfangs war ich begeistert (als die ersten Trailer zu "Insurgentes" im Netz auftauchten, war die Gänsepelle zentimeterdick), nach mehreren Durchläufen war's immer noch sehr gut, aber unüberhörbar fehlte auch die Homogenität.
Die Langzeitwirkung hat die Platte nun nicht wirklich bestanden; während ich alles von Porcupine Tree, Blackfield, Bass Communion etc. immer mal wieder auflege, ist die Motivation momentan gleich null, "Insurgentes" mal wieder in den Player zu legen. Vielleicht ist es nur eine Phase, aber irgendwie ist die Luft raus. Zu unzusammenhängend ist das große Ganze, dass es mich noch übermäßig packen würde, obwohl ein Großteil der Songs für sich gesehen immer nach großes Kino sind (mal von Durchschnittsware wie "Only Child" abgesehen). Hinzu kommt, dass einige der interessantesten Tracks auf Disc 2 der limitierten Box versteckt sind. Vor allem "Collecting Space" fehlt mir ganz gewaltig. Deswegen nur noch 10/15 (Tendenz aufwärts). |
Van Helsing
gepostet am: 20.05.2009 |
... und wäre ich damals schon hier Rezensent gewesen, hätte ich das album reviewed;-) Der Opener ist top, auch einzelne Passagen; der rote Faden fehlt mir allerdings. Für sich genommen sind die Songs alle gut; allerdings sollte Steven sich mal eine Pause gönnen. Jazz, Prog, Postrock, Metal und Pop muss auch erstmal in einen Kontext, in eine Struktur eingebettet werden.
Zu verkopft für mich, höre nun "Blind At Heart" von Dark Tranquillity... that's Rock! |