Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Madi Diaz: Weird Faith (Review)

Artist:

Madi Diaz

Madi Diaz: Weird Faith
Album:

Weird Faith

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Rock, Pop, Singer/Songwriter

Label: Epitaph
Spieldauer: 41:33
Erschienen: 09.02.2024
Website: [Link]

Die kalifornische Songwriterin MADI DIAZ gehört eher zur Kategorie der Spätzünderinnen. Zwar begann sie ihre Laufbahn als Songwriterin ganz klassisch mit einem Berklee-Stipendium und veröffentlichte bereits 2007 ihr selbst verlegtes Debüt-Album „Skin And Bones“, aber ihre sich daran anschließende wechselvolle Karriere, die sie nach New York City, Nashville, Los Angeles und Charlottesville verschlug, ermöglichte ihr, sich eine beeindruckende Expertise als empathische Songwriterin mit einer genauen Beobachtungsgabe und einem instinktiven Sinn für die Bedeutung subtiler und entscheidender Details erarbeiten zu können. Doch führte dies nicht zum entscheidenden Durchbruch. Ein Grund dafür war sicher auch, dass sie sich als versierte Session-Musikerin, Songwriterin und Soundtrack-Spezialistin ihren Lebensunterhalt verdiente und so die Solo-Karriere nicht als alleinige Triebfeder vor Augen hatte.

Der Durchbruch gelang ihr, als sie nach Los Angeles zog und für ihr fünftes Album „History Of A Feeling“ von dem renommierten Epitaph-Label 'entdeckt' wurde, das ihr letztlich eine internationale Repräsentation ermöglichte und erlaubte, als Support von WAXAHATCHEE und ANGEL OLSEN auf Tour zu gehen, was ihre Bekanntheit deutlich steigerte.
Der Ritterschlag, der MADI DIAZ einen immensen Popularitätsschub auch im Mainstream bescherte, erfolgte dann, als HARRY STYLES sie für seine Europa-Tour als Gitarristin und Sängerin für seine Live-Band engagierte. MADI DIAZ geht unter diesem Blickwinkel ihr nunmehr sechstes Album „Weird Faith“ mit einem ganz neuen Background an.

Worum geht es nun?
Nun, wenn MADI DIAZ auf dem neuen Werk musikalisch eine Gemengelage bedient, wie man sie inzwischen von Künstlerinnen wie PHOEBE BRIDGERS (oder den BOY GENIUS-Mitstreiterinnen LUCY DACUS und JULIEN BAKER) gewohnt ist, dann liegt das sicher nicht daran, dass MADI DIAZ bemüht ist, diesen Stil zu emulieren, sondern daran, dass sie wesentlich dazu beigetragen hat, diesen mit zu entwickeln und hoffähig zu machen.

War das Vorgänger-Album „History Of A Feeling“ musikalisch vielleicht noch eine Spur spröder und geradliniger angelegt, so sucht (und findet) die Musikerin diesmal mit Unterstützung der beiden musizierenden Co-Produzenten Sam Cohen und Konrad Snyder auf „Weird Faith“ die große Geste und den Zugang zu poppigen Momenten. Waren es auf der letzten Scheibe die Gesangslinien, die einzig den Song prägten, so kommt der musikalischen Ausgestaltung auf dem neuen Album eine deutlich größere Bedeutung zu. In Songs, wie z.B. „Everything Almost“, „Obsessive Thoughts“ oder der klassischen Torchsong-Ballade „Don't Do Me Good“, findet das Trio auf recht unterschiedliche Weise – und keinesfalls im Mainstream-Sinne – zu musikalischen Elementen und Akzenten, die das Material deutlich über das allgemeine Terrain des konfessionellen Songwritings erheben. Zumindest musikalisch – denn inhaltlich ist das konfessionelle Songwriting zweifelsohne MADI DIAZ' Brot- und Buttergeschäft.

Erzählte „History Of A Feeling“ noch die Chronologie einer Trennung und die damit zusammenhängenden psychischen Implikationen, so bietet „Weird Faith“ die vollständige Analyse einer komplexen Beziehung mit allen Unwägbarkeiten, die eine solche mit sich bringt. Am Ende dient diese Art von musikalischer Autotherapie dann zur Selbstfindung und Selbsterkenntnis.
Und wie erreicht MADI DIAZ das?
Nun, indem sie in ihren Texten stets beide Seiten jeder sich darbietenden Medaille betrachtet und vor allen Dingen nach Lösungsansätzen und nicht nach Schuldigen sucht. Exemplarisch gelingt ihr das, indem sie die Tracks dann auch oft als Konversationen oder Dialoge (teilweise mit sich selbst) anlegt.

Meisterlich herausgearbeitet hat MADI DIAZ diese Aspekte in Songs wie zum Beispiel „Same Risk“: Hier kommt sie zum Beispiel zu dem Schluss, dass in einer Beziehung beide Seiten das gleiche Risiko tragen müssen. In „Hurting You“ erkennt sie, dass, wenn man sein Gegenüber verletzt, man sich auch selbst Schaden zufügt. In „God Person“ sucht sie nach den spirituellen Aspekten – auch von Beziehungen.
Der Titeltrack „Weird Faith“ schließlich macht deutlich, wie wenig man eine Beziehung steuern kann und es schon eines gewissen 'seltsamen' Vertrauens (auch in Magie und ein Herz aus Gold) bedarf, um im großen Test der Liebe bestehen zu können. Bemerkenswerterweise sind all diese Tracks dann wieder als Akustik-Balladen ohne die zuvor angesprochenen großen Gesten angelegt. Wenn es um das Wesentliche geht, dann konzentriert sich MADI DIAZ explizit auch auf das Wesentliche.

Das alles wird vergleichsweise 'unpoetisch' und sachlich geschildert – wenngleich mit einer gewissen Verletzlichkeit und nicht ohne romantische Aspekte. Paradoxerweise liegt gerade in der unsentimentalen Betrachtung von Emotionen und Situationen – bei gleichzeitiger Fähigkeit, sich empathisch mit dem Gegenüber zu identifizieren - MADI DIAZ' Stärke als eine Songwriterin, die dem Thema Liebes- und/oder Breakup-Songs tatsächlich noch Neues hinzuzufügen vermag. An Stellen, an denen andere sich mit einer Scheinlösung, Patt-Situationen oder Kapitulationen zufrieden geben, geht sie den entscheidenden Schritt weiter und bohrt tiefer, wie beispielsweise in der als Indie-Rock-Ballade dargebotenen Trennungs-Elegie „For Months Now“. Oft handeln solche Songs ja vom Schmerz einer vollzogenen Trennung. MADI DIAZ indes schildert die Schwierigkeit, eine solche Beziehung überhaupt beenden zu können, weil sich kein Grund finden lässt, der diesen Schritt rechtfertigen könnte; auch, wenn die alte Liebe nicht mehr so funkelt, wie sie das vielleicht einstmals getan haben mag, aber immer noch nicht ganz erloschen ist. „When I Love You I Hate You The Most“ singt sie im monumentalen Denouement des Songs – nur um dann zu erkennen, dass ihr diese Erkenntnis nicht wirklich weiterhilft. Die Vielschichtigkeit und Komplexität solcher Beziehungsgeflechte offenzulegen, genau das ist MADI DIAZ' Mission auf dem neuen Album „Weird Faith“.

FAZIT: Inzwischen gehört MADI DIAZ zu der Riege von Songwriterinnen, die sich die Bedingungen für ihr Tun nach Gusto zurechtlegen können. Interessanterweise nutzte sie ihre Möglichkeiten nicht dazu, dem musikalischen Größenwahn zu verfallen (ganz im Gegenteil: Die Songs wurden im Trio-Format realisiert), sondern sich ihre Träume zu erfüllen. So schrieb sie einen Track mit ihrem großen Vorbild LORI MCKENNA und lud sich sich die Grammy-prämierte Country-Sängerin KACEY MUSGRAVE als Duett-Partnerin für den Song „Don't Do Me Good“ ein. Zwar klingt das Album „Weird Faith“ insgesamt gefälliger und fülliger als noch das Vorgänger-Werk, aber Konzessionen an den Mainstream-Geschmack machen MADI DIAZ und ihre Mitstreiter dennoch nicht und präsentieren das Material wie gewohnt entweder sehr pur und direkt oder aber schön 'edgy' mit dem notwendigen Indie-Spirit.

PS zur Vinyl-Version:
Da man im herrlichen – so unerwarteten – Zeitalter der Vinyl-Renaissance immer wieder vor der schweren Entscheidung steht, ob man sich nun für die CD- oder doch besser Vinyl-Ausgabe entscheiden sollte, hier noch ein kurzer Hinweis zur „Weird Faith“-LP, da sie einerseits des großartigen Klangs (Vinyl-Freunde wissen bestimmt, was gemeint ist!) und andererseits auch der Verpackung wegen sehr empfehlenswert ist. Denn das schwarzgerillte Gold steckt in einem aufklappbaren Gatefoldcover, in dessen Innerem sich die Musikerin liebevoll an den Pferdekörper des Pferdes, das sie auf der LP-Rückseite reitet, anschmiegt und zudem entdeckt man noch einen zusätzlichen LP-großen Einleger, auf dem alle Texte zu finden sind. LP-Affine werden also bestens bedient.

Ullrich Maurer (Info) (Review 1414x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Seite A:
  • Same Risk
  • Everything Almost
  • Girlfriend
  • Hurting You
  • Get To Know
  • Kiss The Wall
  • Seite B:
  • God Person
  • Don't Do Me Good
  • For Months Now
  • KFM
  • Weird Faith
  • Obsessive Thoughts

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Wieviele Monate hat das Jahr?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!