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Interview mit AMIMIA (24.12.2025)
Eigentlich war ich im Vorfeld des dritten "Nebelung Ritus" im JKC Troisorf vor allem auf den Konzert-Einstand von Vollmondprozession neugierig, und eigentlich hatte ich auch die Planung meines Fanzines bereits abgeschlossen - doch wie bereits Ruth Cohn bemerkte: Wer "eigentlich" sagt, der weiß es im Grunde besser... Und so mag es rückblickend gar nicht großartig überraschen, dass mich an jenem Abend im späten November eine andere Band mit ihrem Auftritt überraschte und mit jedem weiteren Lied etwas stärker in ihren Bann zog: AMIMIA aus Dortmund hatten mich spätestens mit dem Titelsong ihres Albums "Eigengrau" am Haken, und nachdem ich mir selbiges in den folgenden Tagen wiederholt zu Gemüte geführt hatte, entschied ich mich kurzerhand, die Band mit einem Interview in dieser Ausgabe zu präsentieren. Freya und Sven nahmen sich Zeit für meine Fragen...
Hallo und danke, dass Ihr Euch kurzfristig Zeit nehmt, um uns AMIMIA vorzustellen! Ich habe Euch ja erst vor einigen Tagen beim diesjährigen "Nebelung Ritus" in Troisdorf entdeckt, wo Ihr mich nicht nur musikalisch überrascht, sondern mit jedem weiteren Song so ganz allmählich in Euren Bann gezogen habt, bis ich bei der Elektro-Passage dachte, dass ich mir Eure Musik daheim nochmal näher anhören sollte. Wie blickt Ihr auf das Konzert zurück? Angesichts des abenteuerlichen Line-Ups schätze ich, dass Ihr weitere Menschen erreicht habt, die Eure Band zuvor gar nicht kannten?
S: Erstmal vielen lieben Dank für die Anfrage und das Interesse an unserer Existenz. AMIMIA ist das Resultat aus Gefühlen welche wir alle kennen, Verzweiflung, Schlaflosigkeit und Rastlosigkeit weil der Kopf nicht zu Ruhe kommt. Ich habe dieses Projekt gegründet, um mich von der Realität abzulenken und meinen Gefühlen, Töne und Farbe zu verleihen. Wir sind eine atmosphärische Black-Metal-Band mit Blackgaze Einflüssen; Um genauer zu sein, traum-versunkende Melodien gepaart mit Bittersüße und das alles überzogen mit Blast Beats.
Troisdorf war für uns das perfekte Finale für dieses Jahr, als die Einladung von Zingultus kam waren wir einfach sprachlos und haben direkt zugesagt. Ich denke das Line-Up in Gänze war ein gelungener Ausflug in die verschiedenen Facetten des Black Metal, ja schon fast ein zeitgenössischer Ausflug besonders mit den Pionieren NGLFR als Headliner. Wir haben uns jedenfalls sehr wohlgefühlt und hoffentlich den einen oder anderen Hörer erreichen können.
Zwar habe ich kaum einen blassen Schimmer, wer Ihr eigentlich seid, doch in meiner Wahrnehmung fügt Ihr zumindest mit Eurem Album "Eigengrau" dem zeitgenössischen Post Black Metal – welch Ironie bei dem Titel – einige Farbtupfer hinzu. Da ich Euch live erleben durfte, weiß ich immerhin, dass Ihr Eure Musik selbst spielt und nicht der KI entsprungen seid. Was hat Euch dazu bewogen, AMIMIA zu gründen und ausgerechnet diese Musik zu spielen?
F: Nach der Trennung unseres alten Projektes haben Sven und ich versucht, uns musikalisch etwas umzuorientieren und noch einmal komplett von vorne anzufangen. Damals waren wir in einer Band aktiv, welche sich eher an Bands wie Wiegedood oder Oathbreaker orientiert hat. Da Sven AMIMIA schon während der Corona-Pandemie als Solo-Projekt gegründet hat, bin ich quasi einfach mit aufgesprungen und zusammen haben wir AMIMIAs musikalisches Image einmal komplett überarbeitet.
Wie seid Ihr auf den Namen AMIMIA gestoßen, der in meiner Wahrnehmung lautmalerisch freundlicher klingt als seine Bedeutung?
S: "Amimia" beschreibt den Zustand, wenn die Mimik und Gestik einer Person quasi nicht im Einklang mit dem emotionalen Selbst zu funktionieren scheinen. Ich wählte diesen Namen, da es mir nicht möglich war, zu der Zeit als ich das Projekt angefangen habe, normal in der "sozialen Welt" zu funktionieren. Ich denke, bis heute ist dies der perfekte Name für die Themenwelt, die wir behandeln.
Im Song "Eigengrau" verbindet Ihr atmosphärischen Post Black Metal mit Electro, wie ihn z.B. auch Pure Reason Revolution in ihrer Rock Musik aufgegriffen haben, und ich finde diese Kombination so erfrischend wie gelungen. Wie seid Ihr darauf gekommen und werdet Ihr solcherlei eigenwillige Kombinationen weiter testen?
S: Manche Dinge passieren einfach. Wir schreiben und komponieren, und selbstverständlich hören wir im Privaten Musik - über diverse Genregrenzen hinaus - und alles, was man hört, ist in einer gewissen Art und Weise Inspiration. Wir müssen nicht auf Zwang nur im Schema Black Metal bleiben, wir kombinieren so wie es uns passt und sich richtig anfühlt. Der Song "Amimia" beinhaltet zum Beispiel ein Sample, welches mit einem Trap-Beat unterlegt ist. Warum macht man das? Antwort: Es hat sich einfach ergeben und für diese Passage genau richtig angefühlt. Was wir in Zukunft mit einbauen, bleibt ungewiss.
Das Intro "Shedding" erinnert mich mit seiner geheimnisvollen Aura an die schwedischen Arcana und ich finde den Übergang zu "Disintegration" schön gelungen, zumal sich die Hörerschaft nach ein paar Minuten mitten im Geschehen wiederfindet und bereits einiges passiert ist. Überhaupt wird Atmosphäre bei Euch groß geschrieben. Wie geht Ihr in dieser Hinsicht beim Songwriting vor – was ist Euch wichtig, was muss im Proberaum passieren, damit Ihr Euch auf eine Komposition oder eine Idee dazu einigen könnt?
S: Freyja und ich funktionieren einfach perfekt, ich habe noch nie mit einem Menschen so viele musikalische Schlüsselmomente gehabt. Jeder, der Musik schreibt, kennt diese Momente, wenn es sich richtig anfühlt, die Gänsehaut einen überkommt oder man sich einfach nur anschaut und lächelt, da weiß man, dass man auf dem richtigen Weg ist und es harmoniert. Manchmal sitzen wir da, beide an der Gitarre, und jammen oder jemand bringt eine halb fertige Songidee mit und dann passiert der Rest.
Eure Musik ist u.a. als "triumphal" bezeichnet worden und ich kann dieser Wahrnehmung folgen, wenn ich "Oda a la Miseria" oder "Necronym" höre, die mich nicht nur ein wenig an die großartigen Einvigi aus Finnland erinnern, sondern beispielhaft dafür stehen, dass kein noch so verbissen verteidigter Musikstil davor gefeit ist, von Musik-Begeisterten außerhalb der ursprünglichen Szene aufgegriffen und weiterentwickelt zu werden. Ich hörte kürzlichen den unvergleichlichen Jochen Malmsheimer sinngemäß sagen, dass jegliche kulturelle Weiterentwicklung auch auf kultureller Aneignung fuße, weil wir alle uns – mehr oder weniger – fortwährend gegenseitig inspirieren. Wie erlebt Ihr das und fühlt Ihr Euch frei, musikalisch das aufzugreifen, was Euch "anlacht"?
F: Natürlich sind wir nicht der typische Haufen "satansanbetender Kellerkinder" und mixen uns das Genre zurecht wie wir es gern hätten, jedoch sehen wir uns persönlich eigentlich nicht all zu fern der ursprünglichen Szene, da wir selbst Konzertbesucher, Plattensammler und Musiknerds sind.
"Eigengrau" ist ein Titel, der bei mich im Zusammenspiel mit dem Cover Artwork spontan an aktuelle Studien denken lässt, denen zufolge zunehmend mehr junge Menschen mit sozialem Rückzug und Depressionen zu tun haben, was ich als Schulsozialarbeiter bereits bei leider nicht wenigen Grundschulkindern erlebe. Die im Song einsetzende Electro-Musik wirkt auf mich hingegen ermutigend und kräftigend. Worum geht es wirklich bei dem Song – und bei Eurem Album, und welche Signale wollt Ihr mit Eurer Musik senden?
F: Eigengrau beschreibt als Wort ziemlich gut das psychologische Phänomen der Depersonalisation bzw. des Gefühls in sich selbst fehl am Platz zu sein, mit welchem ich persönlich eine Geschichte habe. Lyrisch geht es in dem Song um eine dieser Selbstentfremdungsphasen, aber auch um die Manie die solchen Phasen oft folgt.
Ihr habt allein im November vier Konzerte gespielt und die nächsten in Frankreich und Belgien sind bereits angekündigt. Herrscht bei Euch Aufbruchstimmung und wohin darf oder soll es mit der Band gehen?
S: Mehr ist halt mehr, wir haben schon arg Bock Live zu spielen, das kann man schon so sagen.
Wenn ich mich nicht irre, seid Ihr im Raum Dortmund aktiv, einer Stadt, mit der ich allerhand Erinnerungen vor allem aus meiner Zeit als Zivi und als Student verbinde, als ich ein paar Jahre quasi in der weiteren Nachbarschaft von Idiots Records wohnte und mich einerseits völlig in den Black Metal vertiefte und andererseits ein offenes Ohr zum Beispiel für Honigdieb behielt, mit dem Sir Hannes mal wieder einen ganz eigenen Weg beschritt. Wie erlebt Ihr die aktuelle(n) Szene(n) und inwiefern färbt der Ruhrpott auf Euch ab?
F: Tendenziell hat die lokale Szene eigentlich gar keinen Einfluss auf uns, zwar pflegen wir Kontakte zu verschiedenen Bands, diese spielen jedoch allesamt keinen Black Metal. Eigentlich versuche ich auch, was die Synästhesie angeht, dem Ruhrpott möglichst wenig Einfluss auf unsere Musik zu gewähren.
S: Der Ruhrpott färbt in der Hinsicht ab, dass man an fast jeder Ecke Elend und Verzweiflung wahrnimmt - dicht besiedelte Städte zeigen alle Facetten des Lebens. Ich persönlich mag es, hier zu wohnen, mir taugt der Urbane Look aber auch zeitgleich die Nähe ins Grüne zu haben um nicht immer auf Beton, Straßenlichter und Gesichter zu schauen.
Auf Eurer Bandcamp-Seite ist zu lesen, dass Ihr für 2026 Auftrittsmöglichkeiten sucht. Ich schätze, dass Ihr gut in die Halle am Rhein in Köln-Mülheim passen würdet, und vielleicht mögt Ihr das Interview mit einer Einladung beenden – wer darf wegen Gigs gerne bei Euch vorstellig werden und unter welchen Bedingungen schlagt Ihr Euch gerne ein Wochenende um die Ohren?
S/F: Es gibt einige Bands, mit denen wir zukünftig gern die Bühne teilen würden und sind für vieles offen, somit ist jeder herzlich willkommen uns eine Anfrage zu senden der/die sich mit unserer Musik identifizieren kann – generell sind wir auch recht pflegeleicht.
Danke & Glück auf!
Danke für das Interview.
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