Zum Feiern gibt es ja immer irgendeinen Anlass, vor allem mit zunehmendem Alter, und wenn man STEVE HACKETT heißt, hatte man in den vergangenen Jahren ständig gute Gründe für Festakte, die sich meistens in Tourneen und darauffolgenden Livealben niederschlugen. Die jüngste Party stieg wegen des 50-jährigen Jubiläums des vierten Genesis-Albums "Foxtrot", erschienen im September 1972, im letzten Jahr auf Tournee im Vereinigten Königreich.

Vor der verwegenen Tat der vollständigen Performance eines der Progressive-Rock-Albumklassiker schlechthin fackeln der altehrwürdige Brite und seine gut geölte Tour-Maschine allerdings ein Repertoire-Feuerwerk ab, das eine nahezu perfekte, ultimative Hackett-Setlist wäre - hätte die Band dafür nicht bloß knapp 55 Minuten anberaumt. Unabhängig von der Spielzeit ist die Songauswahl jedoch zum Niederknien.

'Ace Of Wands' von Hacketts Solodebüt "Voyage of the Acolyte" (1975) in einer regelrecht fieberhaften Jazzrock-Version (Star der Nummer: Saxofonist Rob Townsend), das finster elegante 'Devil's Cathedral ("Surrender of Silence") mit einem atemberaubend rasanten Ende und das lyrische "Spectral Mornings"-Titelstück (1979) decken in ungefähr 20 Minuten praktisch die gesamte Bandbreite des Ensembles ab und rocken überwiegend wie eine hungrige Jung-Combo.

Nach dem meisterlichen AOR-Hit 'Every Day' (ebenfalls '79) und dem avantgardistisch bedrohlichen "Voyage…"-Bravourstück 'A Tower Struck Down' - Wahnsinn, wie modern das Material aus jener Ära noch klingt! -läutet ein dankenswert kurzes Basssolo von Jonas Reingold und dem erhabenen 'Camino Royale' ("Highly Strung", 2007) mit zweistimmen Vocals (Hackett, Nad Sylvan) bleibt der Klassiker-Faktor durchgehend hoch.

Seinem mutmaßlichen Signature-Track 'Shadow of the Hierophant' (auch schon 48 Jahre alt) gewinnt Hackett auch jetzt noch neue Seiten ab, ohne die Struktur zu zerschießen… denn merke: Prog-Fans mögen's auch live weitgehend original wie auf Studioplatte. Ergo kommt auch das überlebensgroße "Foxtrott" grundlegend in vertrauter Form daher, doch vergleicht man die Aufnahmen mit den entsprechenden Tracks auf "Genesis Live" (1973), "Seconds Out" ('79) oder gar "Three Sides Live" (1982) gibt man ihnen in puncto Frische und Biss den Vorzug - zumal Genesis-Konzertmitschnitte mit dem Mellotron-schwangeren Sleeper 'Can-Utility and the Coastliners' ohnehin Mangelware sind.

Die beiden unvermeidlichen Zugaben 'Firth Of Fifth' und 'Los Endos' machen das Rundum-Glücksgefühl komplett. Im Anschluss fällt es schwer, sich wieder vor Augen zu rufen, dass auch im Hier und Jetzt brillante Musik geschaffen wird. Also bitte wohldosiert konsumieren, sonst werdet ihr hoffnungslose Prog-Nostalgiker…

FAZIT: Die auf diesem erschlagend umfangreichen Livealbum gebotene Mischung aus einem kompletten Genesis-Klassiker in ursprünglicher Form, aber im zeitgenössischen Klanggewand einer Band "on fire" mit den sogenannten "Hackett Highlights" ist ziemlich unschlagbar. STEVE HACKETT gehört mit seiner Gruppe auch als vermeintlicher Rock-Dinosaurier zu den heißesten Classic-Prog-Liveacts dieser Tage - eben weil sie Genre-Allgemeingut mit Kompositionen jüngeren Datums zu einer rundum gegenwartsrelevanten Show vereinen.