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Interview mit The Dreadnoughts (22.06.2011)

The Dreadnoughts
Es gibt nur wenige Bands, die folkigen Punk so schön rotzig und dennoch musikalisch einwandfrei und kreativ darbieten wie die Kanadier THE DREADNOUGHTS, und besonders das aktuelle Album „Polka‘s Not Dead“ macht mächtig Laune. Seamus O‘Flanahan, der Teufelsgeieger, der gerne auch mal zum Akkordeon greift, hat während der momentan laufenden Frühsommertour 2011 etwas Zeit für ein Interview frei machen können – auf der Autobahn im Tourbus mit 180 Sachen. Zackig und furztrocken stand er Rede und Antwort.

Alle in diesem Interview verwendeten Bandfotos wurden mit freundlicher
Erlaubnis des
Fotografen Adam PW Smith (Link) veröffentlicht.

Ahoi! Ein prima Album habt ihr mit „Polka‘s Not Dead“ mal wieder hingelegt. Das Ding steht den beiden Vorgängeralben „Victory Square“ und „Legends Never Die“ in keiner Weise nach. Nun werden Euch die wenigsten unserer Leser kennen, daher wäre es natürlich nett, wenn Du uns Deine Band mal kurz vorstellst, zum Beispiel wie ihr Euch gefunden habt und dergleichen...

Ich bin Seamus, und die DREADNOUGHTS haben sich während des gemeinsamen Abhängens in diversen Spelunken in der East Hastings Street von Vancouver gefunden, als wir dort mit guten Freunden in der Ecke billigen Wein bechernd abgeschimmelt und so unsere Sorgen zu Country-Einerlei ertränkt haben.

Was bringt Kanadier eigentlich dazu, keltischen Punk zu spielen?

Wir spielen keinen keltischen Punk.

The Dreadnoughts - Photo (c) Adam PW Smith @ www.adampwsmith.comPff, alles Lüge auf diesen Beipackzetteln, die man als Pressefuzzi bekommt, hehe. Aber ihr habt ohnehin so einige fremde Einflüsse in eurem Sound, wie etwa Klezmer, British West Country Folk, Polka und so weiter. Was kannst Du uns hierzu denn so erzählen?

Wir hören eigentlich ständig Musik aus aller Welt, besonders auch in den Ländern, in denen wir zuletzt so getourt haben. Jeder Song hat seinen Ursprung in einem Ort, in einem Erlebnis und letztendlich auch in den Sounds, die wir an diesen Orten aufsaugen.

In genrevermischenden Bands ist es natürlich immer wieder interessant, wer welche Einflüsse mitbringt. Habt ihr allgemein einen sehr breiten Musikgeschmack oder seid ihr eher ein bunter Haufen Musiker, bei denen jeder Einzelne einen ziemlich individuellen Geschmack hat?

Wir sind alle recht eklektische Musikhörer. Ich bin mit alten kanadischen Folkscheiben wie denen von STAN ROGERS aufgewachsen, und als ich dann älter wurde, habe ich so langsam den Weg zum Hardcore-Punk gefunden. Unser Mandolinenspieler (The Dread Pirate Druzil – Anm. d. Verf.) ist ein genialer Bluegrass-Musiker und Sänger, aber der weiß über jede Metalband bescheid. Ich glaube dennoch nicht, dass wir eine genrevermischende Band sind. Wir schreiben eigentlich nur Songs, die wir lieben.

Ihr scheint ja eine sehr produktive Band zu sein. Gibt es denn mittlerweile neue Songs oder eine Tendenz, wohin sich Eure zukünftige Musik hin bewegen wird?

Wir haben letzte Woche gerade eine neue EP namens „Uncle Touchy Goes To College“ herausgebracht.

Schon wieder was Neues? Sapperlot. Wie „punk“ schreibt ihr Eure Songs eigentlich? Viele Musiker schreiben ihre Songs ja mittlerweile am PC und proben nicht einmal. Nutzt ihr die moderne Technik denn? Oder probt ihr schön oldschool in einem siffigen Kabuff?

Wir haben ja nicht mal Computer, mit denen man vernünftig komponieren könnte. Wir proben aber auch nicht.

Haha, wer‘s glaubt... wie seid ihr eigentlich darauf gekommen, „Turbo Island“ von THE SURFIN‘ TURNIPS zu covern?

Das ist einfach ein Klassesong, und wir waren auch schon auf Turbo Island. Und nein, ich verrate Euch jetzt nicht, wo DIE liegt. Uncle Touchy und ich haben eine Show mit den SURFIN‘ TURNIPS gespielt, als wir in Bristol unterwegs waren. Mit den SURFIN‘ TURNIPS zu zocken war eine der genialsten Aktionen, die ich je durchgezogen habe, denn diese Band existiert ausschließlich für ihre Fanbasis und dafür, den Leuten beizubringen, wie großartig das Leben in Bristol ist. Selbst 8-jährige Kids sind vor der Bühne ausgeflippt und haben mit Bierdosen nach uns geworfen!

The Dreadnoughts - Photo (c) Adam PW Smith @ www.adampwsmith.comIhr habt ja auch wieder ein paar Traditionals auf Eurer neuen Scheibe. Das ist ja mittlerweile fast Usus bei Bands, die Irish Folk und Rockmusik miteinander verbinden. Könntet ihr euch abgesehen davon mal vorstellen, einfach auch mal beispielsweise einen Pop-, Punk- oder Heavy Metal-Song in eurem Stil zu interpretieren?

Wir versuchen hauptsächlich, eher unbekannte, vergessene, traditionelle Shanties zu spielen, und das auf eher minimalistische, originalgetreue Art und Weise. Ich glaube ja nicht so wirklich, dass die meisten Bands „in unserem Genre“ das tun. Ebenfalls glaube ich auch eher weniger, dass wir jemals einen Pop- oder Punksong covern werden. Allerdings versuchen wir live immer wieder gerne mal, Songs zu spielen, die wir noch nicht geprobt haben – einfach mal, um zu schauen, was passiert. Unsere Erfolgsrate liegt dabei, so würde ich sagen, bei 50 Prozent...

Lass uns mal über Liveshows sprechen. Wie ist denn Eure Europatour vor ein paar Monaten gelaufen – speziell die Gigs in Deutschland?

Die letzte Europatour war unglaublich, sie war voller großartiger Shows, mit enthusiastischen Fans und tollen Bands, mit denen wir die Bretter geteilt haben. Deutschland hat da keinen Ausnahmestatus gehabt. Wir sind derzeit ja schon wieder in Europa unterwegs, und es ist einfach eine tolle Sache, sowohl in kleinen Punkclubs als auch auf großen Punkfestivals in allen möglichen Ländern Europas zu spielen. Unsere Shows laufen niemals nach Plan, und so fordert uns jede neue Sprache, Kultur, Bühne und jeder Veranstaltungsort neu heraus, um dort für Verwüstung und Spaß zu sorgen.

Und nun wieder auf Achse... zahlt sich die permanente Tourerei für Euch eigentlich aus? Ich meine, ihr seid ja Kanadier, und Flüge nach Europa sind nicht gerade billig, oder?


Keiner von uns hat neben der Band einen Job, von daher zahlt sich das sehr wohl für uns aus. Deswegen sind wir ja überhaupt hier bei Euch auf den Bühnen. Wenn wir nicht in Europa touren würden, hätten wir niemals das Geld, um Musik machen und weiterhin touren zu können.

Falls Du eure Fanbasis analysierst: Gibt es geographische Schwerpunkte, was die Menge an Fans angeht?

Es sind viele Schweizer und Deutsche, besonders jedoch sehr viele Polen.

Wenn Du so an die Anfangstage Deiner Band denkst: Gibt es da Dinge, die du aus heutiger Sicht gerne anders gemacht hättest?

Die frühen Tage unserer Band waren sehr anders als die heutigen. Wir haben zwar viel live gespielt, aber meistens nur regional. Ehrlich gesagt glaube ich kaum, dass wir viel anders hätten machen müssen. Während der ersten beiden Bandjahre haben sich unsere Freundschaften sehr verfestigt, und ich bin mir sicher, dass wir heute nicht mehr touren würden, wenn wir nicht solch gute Freunde geworden wären.

Hört sich nach Harmonie an. Aber wechseln wir mal das Thema: Wie „egoistisch“ oder „kaltblütig“ ist es, wenn jemand sagt: „Nun lasst uns doch mal die ganzen Katastrophen, Kriege und Negativa für einen Moment vergessen – trommelt einfach mal ein paar coole Leute zusammen und habt Spaß mit guter Musik!“. Muss man heutzutage ein Schuldbewusstsein mit sich herumtragen, um ein guter Mensch zu sein? „Darf“ man auch mal vergessen und Spaß haben?

Sich schuldig zu fühlen, wenn woanders etwas Schlimmes passiert, ändert doch nichts an der dortigen Situation. Wenn sich die Menschen wirklich für diese Probleme interessieren, sollten sie sich nicht „schuldig“ fühlen, sondern aktiv werden. Ist es möglich, Spaß an Musik, am Leben generell, zu haben und trotzdem Aktivist zu sein und so Änderungen herbeizuführen? Aber selbstverständlich!

Könnte man fast als perfektes Schlusswort verwenden, doch eine Frage habe ich noch. Ich weiß, die stelle ich in letzter Zeit vielen Bands, aber: Was denkst Du über all diese sozialen Netzwerke? Ist es für eine Band ohne diese Plattformen überhaupt noch möglich, zu „existieren“?

The Dreadnoughts - Legends Never Die Cover PhotoEs kommt darauf an, was du unter „einer Band“ verstehst. Es gibt Leute, die spielen ihr Leben lang in regional aktiven Hobbybands und bedienen ihre dortige feste Klientel. Diese Bands brauchen so etwas wohl kaum. Wenn du aber eine Band hast, mit der du dich weltweit etablieren möchtest, wird es ohne die Nutzung solcher Netzwerke sehr schwierig sein, wettbewerbsfähig zu bleiben. Aber so nützlich Netzwerke wie zum Beispiel Facebook auch sein mögen, so sehr sind sie mittlerweile auch von Bands und Werbung überlaufen. Als die Facebook-Sache damals angefangen hat, war dies ein sehr guter Weg, deine Kumpels auf Gigs aufmerksam zu machen. Mittlerweile ist das leider nicht mehr so effektiv, da die Leute mit Benachrichtigungen und Anfragen regelrecht überflutet werden. Ich finde, echte Bands verdienen leibhaftige Fans. Mit einer Werbeanzeige kannst Du die Leute doch nicht dazu bringen, dass sie Deine Musik mögen – sie müssen Deine Band ja erst mal hören und sehen. Und dann liegt es an Dir als Musiker, sie zu überzeugen.

Seamus, ich danke Dir für das Interview! Wie es üblich bei uns ist, hat der Interviewpartner das letzte Wort.

Ich danke Dir ebenfalls für das Interview, aber nun geht‘s weiter zum Gig nach Passau, und ooooaaaahr, me babbers!!!!!
Chris Popp (Info)
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