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Interview mit Thomas Giles (03.02.2011)
Tommy Rogers ist ein Musiker, der sich stilistisch nicht gerne beschränkt. Dem Sänger und Tastenmann von BETWEEN THE BURIED AND ME (im Folgenden: BTBAM) genügt es demnach wohl nicht, sich nur in seiner Hauptband auszutoben. Sein neuestes Projekt läuft unter dem Banner THOMAS GILES, und mit dem just erschienenen „Pulse“ hat der US-Amerikaner kleine Großtat zustande gebracht. Der bestens aufgelegte Multiinstrumentalist ließ sich von mir bereitwillig löchern.
Grüß Dich, Thomas! „Pulse“ kam hier erst vor wenigen Tagen auf den Markt. Ich habe dem Album ja die volle Punktzahl gegeben, da mich das Teil wirklich schwerst beeindruckt hat. Wie waren die sonstigen Reaktionen aus Deutschland, generell aus Europa? Ebenfalls voller Überschwang?
Vielen Dank, Mann! Ich habe ein paar Reviews gesehen, aber nicht so viele. Die allerdings waren überwiegend positiv, was ein gutes Zeichen ist.
Unterscheiden sich die Reaktionen von „hier“ und euch da drüben?
Ich glaube, es ist noch zu früh, da etwas sagen zu können. Manche mögen die Platte halt wirklich sehr – manche wiederum beschweren sich, dass sie nicht heavy genug sei. (lacht)
In der Tat haben viele Hörer mehr Metalelemente auf „Pulse“ erwartet und machen dies zu einem Qualitätskriterium. Ein Schreiber eines anderen Onlinemagazins hat der Scheibe gerade mal vier von zehn Punkten gegeben, und die Hauptbegründung war die, dass er den „Druck“ auf der Platte (womit er wohl die heftigen Gitarren meint) sowie den roten Faden (womit er offensichtlich eine Homogenität bezüglich des Stils meint) vermisse. Du scheinst also einige Erwartungen komplett gesprengt zu haben, haha. Wie kann man damit umgehen, dass „Pulse“ deswegen kritisiert wird?
Über solcherlei Reviews darf man sich nicht ärgern. Jeder nimmt Musik anders wahr, und so etwas erwarte ich auch. Diese Scheibe ist ganz auf meinem Mist gewachsen und war genau so geplant, wie sie nun ist. Wenn jemand anders die Platte dann anders „sieht“ als ich, dann kann ich dessen Meinung ja nicht ändern. Ich selbst bin jedenfalls sehr zufrieden mit dem Album, und es macht mich glücklich, wenn andere Fans das genau so sehen. Die Intention, eine heavy Platte zu machen, gab es nicht.
Es war halt davon auszugehen, dass einige Fans „BTBAM light“ erwartet haben, aber auch damit hat das Album musikalisch kaum etwas gemein. War der Schreibprozess von „Pulse“ denn eigentlich eine geplante Sache oder hast Du einfach gedacht: „Mal schauen...“? Hast Du die Songs gezielt als „non-BTBAM“-Material geschrieben?
Ich habe die Songs über eine Zeitspanne von etwa zwei bis drei Jahren geschrieben. Jedes Mal, wenn ich mich inspiriert gefühlt habe, habe ich komponiert, und das meiste Material fühlte sich für BTBAM nicht „richtig“ an. Daraufhin habe ich angefangen, Songs für ein Soloalbum zu sammeln. Ich hatte beim Songwriting allerdings auch nicht im Kopf, BTBAM-Material zu schreiben – in jene Band stecke ich dennoch sämtliche Energie, und das wird sich auch nicht ändern. Manchmal macht es aber einfach Spaß, Neues auszuprobieren, und das habe ich getan.
Vor ein paar Jahren war das schon mal der Fall, damals hast Du als GILES ein selbstbetiteltes Album herausgebracht, welches ich bislang noch nicht gehört habe. Vielen Fans wird es ähnlich ergehen. Was kannst Du uns über diesen Output sagen? Und warum hast Du Deinen Solo-Namen von GILES in THOMAS GILES abgeändert?
Oh, das ist eine völlig durchgeknallte Elektroplatte, hahaha! Ich weiß auch nicht, was ich mir damals dabei dachte, aber zu dem Zeitpunkt stand mein Leben ein wenig Kopf – „Giles“ zeigt die verrücktere, exzentrischere Seite von mir. Ironische Dance-Musik. Wenn ich mir das heute so anhöre, kann ich dazu gar keinen Bezug mehr aufbauen.
Für die Leute wäre es doch eigentlich einfacher gewesen, Dich als „Tommy Rogers“ zu identifizieren. Warum verwendest Du überhaupt Deinen Zweitnamen, statt einfach mit Vor- und Nachnamen an die Außenwelt zu treten?
Ich hatte einfach das Gefühl, dass der Name besser zur Scheibe passt. Klingt doch viel angemessener, haha!
Lass uns wieder zu „Pulse“ zurückkehren. Was verkörpert denn der Albumtitel? Und um was geht es auf der Platte inhaltlich?
Der Titel verkörpert Selbstfindung und das Sich-selbst-aus-allen-Blickwinkeln-verstehen, egal ob in guter oder schlechter Hinsicht. Die Texte sind allesamt sehr persönlich und reflektieren meine Gedanken über verschiedene Dinge, lassen Erfahrungen Revue passieren. „Pulse“ war eine sehr gute Methode, mich selbst zu analysieren und zu öffnen. Normalerweise tue ich so etwas nicht, denn eigentlich bin ich eher jemand, der alles in sich hineinfrisst.
Du hast ja vom Songwriting über das Einspielen bis hin zur Produktion alles komplett in Eigenregie erschaffen. Gibt es Pläne, die Songs auch live zu spielen? Und wenn ja: Hast Du dafür schon Musiker im Auge? Oder Bleibt THOMAS GILES ein reines Studioprojekt?
Ich werde tatsächlich in etwa einem Monat (zum Zeitpunkt unseres Interviews wäre das Anfang März 2011 – Anm. d. Red.) ein paar Shows spielen. Ausgedehntes Touring wird es aber nicht geben, eher nur ein paar Shows hier und dort. Zur Zeit suche ich auch noch Musiker dafür, und ich bin sehr erfreut, zu verkünden, dass Will Goodyear, der erste BTBAM-Schlagzeuger, bereits zugesagt hat. Bin ganz aus dem Häuschen deswegen!
Sehr schön. Da sich unter unseren Lesern bestimmt auch der ein oder andere Musiker findet, wäre es doch mal ganz interessant zu wissen, welches Equipment Du für Dein Soloprojekt benutzt.
Hmmm... ich spiele eine Custom Paul Reed Smith 24-Gitarre, benutze dafür sehr viel verschiedene Amps (Orange, Mesa, Fender...), außerdem spiele ich noch ein Korg M50-Keyboard, ein Microkorg Keyboard, eine Novation X-Station, eine Taylor Akustikgitarre – welche, hab ich gerade nicht auf dem Schirm, und alles an Drums, was mein Engineer für mich auftreiben konnte, hahaha! Ansonsten... einen Fender Jazz-Bass, „Symphonic Orchestra“ für die Streicherparts, Logic für die Demos und Selbstversuche, und mit Jamie King habe ich für die Aufnahme Pro-Tools benutzt. Auf meiner Facebook-Seite (Link) gibt es unzählige Fotos von meiner Studiosession, da könnt ihr gerne mal etwas stöbern.
Wird diese Sologeschichte nach „Pulse“ denn weitergehen?
Ich gehe mal schwer davon aus, dass da noch mehr kommt. Es war eine großartige Erfahrung, und das möchte ich gerne fortführen.
Du bist offensichtlich sehr kreativ. Planst Du denn noch andere Projekte oder hast gar welche am Laufen?
Gerade kürzlich habe ich irgendwo ein paar Gast-Vocals beigesteuert, darf aber noch nichts darüber verraten. Ich liebe es, neue Projekte auszuprobieren und an neuem Material zu arbeiten – wer weiß, was in Zukunft kommt.
Das hört sich doch mal gut an. Hast Du denn einen gewissen Anspruch an Dich selbst, wenn du Musik machst? Bist Du schnell zufrieden mit Deinen Werken oder dauert es ewig, bis Du Dir sagst, ja, nun bin ich glücklich damit?
Normalerweise liebe ich am Anfang alles, haha, aber ein, zwei Tage später hasse ich das ein oder andere wieder und verändere es komplett. So habe ich bisher immer gearbeitet. Auch wenn ich für BTBAM Songs schreibe, lasse ich die Jungs diese erst hören, wenn ich ein paar Tage an den Stücken gesessen bin.
Was ich aufgeschlossene Musiker gerne frage, ist, ob sie sich über etwaige Musikszenen und -Gruppierungen einen Kopf machen... Metalheads, Alternative-Fans, Elektrofreaks, all sowas. Fühlst du dich irgendwelchen Musikszenen zugehörig oder ist das für dich Kindergartenmist?
Ich habe schon vor vielen, vielen Jahren beschlossen, keiner Szene oder Gruppierung aus dem Weg zu gehen, deren Teil ich selbst teilweise auch bin. Mir ist es wichtig, dass echte MUSIKliebhaber meine beziehungsweise unsere Musik hören, egal ob das ein Metalhead oder ein absoluter Hippie ist.
Kannst Du Dir vorstellen, dass eine Band heute noch stattfinden könnte, wenn sie die Möglichkeiten des modernen Internet wie etwa facebook, mySpace und das ganze Zeugs ablehnen würde?
Es wäre unglaublich schwierig! Wenn Du bereits etabliert bist und eine solide Fanbasis hast, ist es möglich, ja, aber für eine neue Band wäre das nahezu unmöglich. Wenn ich mich so daran erinnere, wie wir uns damals gequält haben, ohne Handy und Internet Touren und Proben zu organisieren, hahaha!
Dank des technischen Fortschritts während der letzten rund zwanzig Jahre ist es für Musiker – oder solche, die sich für welche halten, haha! - auch deutlich einfacher geworden, etwas zu erschaffen. Man kann Musik am Rechner komponieren, aufnehmen, mastern, im Grunde kann man mit den Dingern alles Mögliche machen. Ist das eher gut oder eher schlecht?
Einige Leute sagen, es ist nicht gut, aber ich kann das nicht behaupten. Es hilft den Musikern in ihrer Kreativität, und ja, jeder, der will, kann Musik schreiben und aufnehmen. Wenn man allerdings nicht kreativ ist, dann spielt der Fortschritt keine Rolle.
Ein großes Problem dieses Fortschritts ist meiner Meinung nach allerdings, dass viele Alben sehr künstlich klingen, besonders im extremen Metal-Sektor. Die Drums sind extrem getriggert, die Gitarren laufen durch Modeling-Amps statt durch echte Verstärker, viele Songparts, Riffs, Vocalparts und so weiter werden quantisiert, die Tonhöhe wird korrigiert, es wird kopiert und eingefügt... was hältst du von dieser Entwicklung? Wie „ehrlich“ ist, ähem, „handgemachte“ Musik heutzutage noch?
Oh ja, das ist heutzutage ein großes Problem. Mit BTBAM habe ich über diese Problematik vor einigen Jahren bereits einen Song namens „Roboturner“ geschrieben, und ich bin sehr besorgt darüber, dass Maschinen die Musik bald komplett übernehmen. Live zeigt sich dann, was Sache ist. Wenn Du den Kram live nicht auf die Kette bekommst, dann solltest Du ihn auch gar nicht erst komponieren. Technologie kann von Vorteil sein, wenn man Musik komponiert, da man so Zeit sparen kann – aber sie sollte niemals Part des fertigen Musikproduktes sein. Das kann desaströse Ausmaße annehmen.
Hört man ja bereits bei manchen Alben – und live stinken die Bands dann komplett ab oder mogeln, wo es nur geht. Am Ende unseres Interviews möchte ich noch mal kurz BTBAM ansprechen. Viele Fans warten ja auf ein neues Album Deiner Hauptband, und das ist, wenn ich mich recht erinnere, ja ebenfalls für dieses Jahr geplant. Was können die Leute musikalisch von der neuen Langrille erwarten?
Mehr BTBAM in jeder Hinsicht. Melodisch, heavy, verrückt, ruhig, voll in die Fresse. Es freut mich außerordentlich, zu wissen, dass sich so viele dafür interessieren, was wir treiben.
Okay, Mr. Rogers! Besten Dank für das Interview. Falls Du noch etwas zu sagen hast... die Zeit läuft... jetzt!
Ich liebe die britische Sitcom „The Inbetweeners“!