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Fanzine-Alarm: MØRKESKYE, WYRD'S FLIGHT, HAMMERHEART
Thor Wanzek hat sich im Laufe der Jahre als eine der letzten Bastionen im Bereich Fanzines erwiesen, die den "Großen" im Grunde genommen den Rang ablaufen, was inhaltliche Tiefe sowie Feldkompetenz betrifft, und ist vermutlich der einzige Protagonist, der seinen Enthusiasmus auch auf sprachlich gehobenem Niveau vermitteln kann, ohne gestelzt zu wirken.
Die beiden jüngsten Ausgaben seines seit Mitte der Neunziger unregelmäßig erscheinenden MØRKESKYE sind sowohl Abgesang als auch Neubeginn - mit WYRD'S FLIGHT #1, hervorgegangen aus dem gleichnamigen Blog der Italienerin Alex beziehungsweise Mystery Flame, die sich wie Thor auch bei der Online-Plattform Avantgarde-Metal [www.avantgarde-metal.com] verdingt. Hierin deutet sich auch das bedauerliche Faktum an, dass unter den intelligenten Schreibern über Musik und darüber hinaus zwangsweise Inzest herrschen muss, weil ihre Reihen auch und gerade im Zeitalter überwiegend substanzloser Webzines lichter denn je sind. So arbeiteten und arbeiten fähige Leute wie Jan Fischer oder Björn-Thorsten Jaschinski, die einige der wenigen lesenswerten Beiträge im LEGACY verantworten (wo Thor aus Überzeugung seinen Hut nahm), auch gelegentlich fürs MØRKESKYE, dessen Kopf sich wiederum ebenfalls beim HAMMERHEART verdingt. Zu dessen siebter Edition gleich mehr ...
MØRKESKYE #13, das schrulligerweise nach #14 erschienen ist, steht im Zeichen des Folk beziehungsweise Neofolk (ARCANA, TRILL), in der Regel ebenfalls verbunden mit skandinavischem Black Metal in seinen mannigfaltigen Schattierungen. Dies zieht die Berichterstattung über manchen ULVER- und BATHORY-Wiedergänger nach sich, aber das ist bei einem Nischenmagazin trotz aller Offenheit durchaus so gewollt, weshalb nüchtern betrachtet auch Langweiler hochgejubelt werden (KING OF ASGARD, SKOGEN) und der Eindruck vom zu langen Schmoren im eigenen Szene-Saft entsteht; es liegt in der sympathischen Natur der Sache und ist der echten Begeisterung geschuldet, mit welcher der Macher seine stets gewissenhafte Arbeit anpackt. Sich selbst muss man dabei nicht unbedingt ernstnehmen, wie Thors herzlicher Humor beweist, sei es mit einer "Old Dutch Cleanser"-Werbeanzeige im ALVENRAD-Interview oder der allgemein übersteigerten Lobrede auf alles "Waldige", die Natur und so weiter. Wenn der lange Schlacks Wanzek eines nicht ist, dann ein verblendeter "tree-hugger".
Seine Maximen im Geiste von Martin Walkyier, einem seiner Lieblingskünstler, stellen den sprichwörtlichen roten Faden dar, der sich durch sein Schaffen als Autor zieht: kritisch denken, das Ursprüngliche und ein Stück weit auch Heidnische hochalten, was immer dies in der spirituell verkümmerten (ob unter Anhängern etablierter Religionen oder bei Alternativen Suchenden) Gegenwart bedeuten mag. Geht es ans Eingemachte in Glaubens- und Ideologiefragen wie bei ASCENSION, zahlt sich das nicht auf bestimmte Zeichenzahlen beschränkte Independent-Format aus. Interviews müssten nicht gerafft werden, aber der Leser gewinnt dennoch nie den Eindruck, weiterblättern zu müssen. Interessante Konzepte wie die Überkreuz-Rezension der Hoffnungsträger WHALERIDER mit den nebenbei bemerkt ausgesprochen langweiligen Norwegern KRAKÓW, die beide ebenfalls mit tiefschürfenden Interviews bedacht werden. Wanzek labert darin nie zu lange herum, was das MØRKESKYE im Vergleich zu ähnlichen Formaten (SNAKEPIT-Laurent etwa könnte hier etwas über Ausdrucksvermögen und Kürzungen lernen) zu einem sehr angenehmen Lesehappen macht. Die klasse Classic-Rocker MAMONT sind auf dem Metal-Fundament der Ausgabe relative Ausreißer, die tollen OCEAN CHIEF zumindest thematische Grenzgänger, und Entdeckungen wie FUNIN oder TOMBSTONED, die dänische Folk-Truppe ASYNJE sowie AMMA aus den Niederlanden erinnern den Leser daran, warum er zu solchen Publikationen greift - wegen des Aha-Erlebnisses und seiner eigenen kindlichen Liebe zur Materie, der Gier nach Neuen um Unerhörten. super AMON-AMARTH-Review auch ...
Mit MØRKESKYE #14 kehrt sich Thor vorübergehend vom weithin skandinavisch geprägten und eher extremen Metal ab, um sich auf weniger spannende Weise dem ganzen Retro-Schmonz zu widmen, der wiederum vor allem aus Schweden und Norwegen stammt. Es sei ihm jedoch gestattet, denn schließlich predigt er das Wort des Alten und Wurzeligen nicht erst seit gestern. Die News sind natürlich hoffnungslos veraltet und hätten gestrichen werden sollen wie Eigenwerbung fürs Label Trollmusic, aber der Rest ist wieder von hoher Güte, zumal die einstweilige Abkehr vom allzu Vergeistigten und gewollt Avantgardistischen guttut. Des weiteren trägt das Heft den mittlerweile beim Sublabel der Trendhörigen von Napalm untergekommenen ZODIAC mit einem originellen Horoskop-Review Rechnung, huldigt verlorenen Klassiker von ALRUNE ROD und LUCIFER WAS, kitzelt mehr aus den spannenden Newcomern KATLA als wir von Musikreviews und bietet abgesehen von den drögen GRIFTER und LONELY KAMEL, die allerdings sehr redselig sind, echte Coups wie AUDREY HORNE, die haarsträubend intensiven THE WOUNDED KINGS und AMPLIFIER feil, wobei letztere durch "The Octopus" persönlich vertreten werden. Das großartige Projekt PHAEDRA gibt ebenfalls Laut, und die Review-Abteilung zeigt eine gute Mischung aus Demo-MCs des tiefsten Untergrunds sowie Etabliertem von ALICE IN CHAINS bis zum geilen HEDVIG MOLLESTAD TRIO. Wie der Vorläufer glänzt die Publikation mit einem aufgeräumten, aber dennoch inspirierten Layout und drängt sich zum richtigen Lesen auf, statt es bloß überfliegen zu wollen wie die meisten flächendeckend vertriebenen Magazine. Langfristig ergibt es auch Sinn, Reviews wie Thor an persönliche Erlebnisse zu koppeln und sie damit ungeachtet etwaiger Superlative relevant zu machen, welche die betreffenden Alben erfüllen mögen oder nicht, was die Mainstream-Presse gemeinhin fordert oder weismachen möchte. Schließlich ist Musik vor allem eine subjektive Erfahrung, und so sicher man gewisse objektive Maßstäbe anlegen kann, so unerheblich sind diese letztlich bei der individuellen Rezeption - und um ebendiese sollte es im Zeitalter von zwanghaft gesammelten Facebook-Likes und glatten Oberflächen auf allen Ebenen wieder häufiger gehen.
Nicht immer aktuell, aber dafür zeitlos - dies gilt fürs mehr oder weniger einmal pro Jahr erscheinende HAMMERHEART nur im beschränkten Maß. Das deutschsprachige Heft verdeutlicht, woran der hiesige Magazinbetrieb krankt: an steifem, oftmals schlicht falschem Sprachgebrauch und Floskeln ("der geneigte Leser") beziehungsweise einem zu starken Fokus auf Szene-Nichtigkeiten und unerhebliche Genre-Abgrenzungen. Wenn dann gar nichts mehr funktioniert, igelt man sich unter Berufung auf vermeintliche kulturelle Roots ein oder sucht sein Heil in der Natur, wie es die britischen Schlaftabletten von WINTERFYLLETH tun. Ihre Nachbarn von A FOREST OF STARS sind da eine deutlich buntere und darob eher besuchenswerte Baustelle. Unbedeutendes wir generell über Gebühr gelobt, weil es sich geheimnisvoll inszeniert oder eben anderswo bejubelt wird, obwohl sich ein Fanzine per se eine eigene Meinung vorbehalten sollte. tun Christian Metzner und seine Mitarbeiter dies, kommen halbseidene Features dabei herum; Thors Beiträge wirken ebenso wie Fremdkörper wie die Interviews mit irgendwelchen drittklassigen Jugendclub-Deathern oder -Thrashern. Anders als beim MØRKESKYE mag man vieles gerne überblättern, was vielleicht auch am Layout "Weiß auf Schwarz" liegen mag. Selbiges sprach beziehungsweise spricht diesen Leser weder beim ABLAZE noch dem LEGACY oder Werbeblättchen wie ORKUS oder SONIC SEDUCER an, mit welchen sich die Untergrund-Presse sowieso nicht vergleichen lassen sollte.
Das WYRD'S FLIGHT schließt dahingehende Befürchtungen von vornherein aus. Wie alle guten Zines verbleiben die Interviews - Rezensionen sind selbigen stets angehängt und besitzen einen durchschnittlichen Umfang von einer (!) vollen Seite - im klassischen Frage-Antwort-Stil, was prätentiöse Überleitungen, die man anderswo grimmig hinnehmen muss, von vornherein ausschließt. Im Schlaglicht stehen so die vorgestellten Künstler, in diesem Fall ein von Thor geführtes mit der Autorin selbst sowie Alex eigene über einen längeren Zeitraum hinweg - mit DARKTHRONEs Fenriz, der seinen in der breiten Öffentlichkeit in der Regel durch den Kakao gezogenen Esprit erneut bestätigt und nicht wenige Denkanstöße zum Status quo des Heavy Metal gibt, und mit ENSLAVEDs Ivar auf rund sieben Seiten über Kunst, Norwegen und Black Metal, Erfolg sowie die kreative Arbeit im Rahmen der Entstehung eines Albums. Frank "The Watcher" Allain von DE ARMA und FEN wird hingegen Frank vor allem zu "Dustwalker" befragt, dem starken Album der letztgenannten, was das insgesamt konventionellste unter den Interviews ergibt, gleichwohl relativ betrachtet, denn so ist es immer noch tiefgründiger und informativer als die 5.000-Zeichen-Krämpfe anderer Schmierfinken. Den Vogel schießt Madame Mystery Flame allerdings mit Hupogrammos, respektive Edmond Karban von DORDEDUH ab: Diese aktuellste aller Unterhaltungen im Heft streift Themen wie Astrologie (ohne dümmliche Verklärung), die Funktion der Zirbeldrüse, wirkliche Spiritualität, Mensch und Tier sowie Heimat, Meditation und natürlich Musik, woraus sich das Bild eines intelligenten, ungemein interessanten Menschen ergibt. Die Macherin tritt angenehmerweise in den Hintergrund, zeigt sich aber wiederum nicht kategorisch neutral und wirkt deshalb umso sympathischer, etwa wenn sie sich übers Christentum echauffiert, was in Anbetracht des Vatikans vor ihrer Haustür verständlich ist.
Fanzines sind ein aussterbendes, aber für eine gesunde Szene und Meinungspluralismus so wichtiges Gut, also zögert nicht und bestellt diesen zeitlosen Lesestoff bitte beim längsten aller Trolle direkt. Wem unsere Schreibe gefällt, der wird sich auch für jene von Thor begeistern.