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Die Top-Alben 2009 - der Musikreviews-Jahresrückblick

18.01.2010

Ein Jahr mit vielen Flops und erstaunlich vielen Tops liegt hinter uns. Es ist also an der Zeit, dass die Musikreviews-Redaktion in sich geht und ganz subjektiv gefärbt die persönlichen Highlights des Jahres bestimmt. Dass sich kaum jemand an die vorgegebenen fünf bis sechs Zeilen gehalten hat, mag zusammen mit der stilistischen Bandbreite von Black Metal bis Progressive Rock darauf hindeuten, dass beim Thema Musik der Verstand bei uns aussetzt und die Emotionen übernehmen. Und das ist auch gut so.

Austere - To Lay Like Old Ashes Austere - To Lay Like Old Ashes
(Oliver Schreyer)
Ein recht gutes Jahr mit vielen interessanten Releases liegt hinter uns und wenn ich zurückblicke, denke ich an einiges an guten Veröffentlichungen sowohl von Urgesteinen als auch Newcomern. Vieles war zu erwarten und überraschte kaum – aber mit „To Lay Like Old Ashes“ von AUSTERE ist das etwas ganz anderes: das boomende Suicidal-Black-Metal-Genre ist inzwischen ja in viele Wohn- und Kinderzimmer eingezogen. Aber was die drei Australier hier abgeliefert haben, ist einfach großes Kino: mächtige depressive Black-Metal-Songs mit viel Melodie, Tiefe und einem pessimistischen Hang zur Lebensverneinung. Dazu Vocals, die einerseits sehr extrem daherkommen und auf der anderen Seite schon wieder fast kommerziell anmuten. Man höre nur mal 'To Fade With the Dusk' und 'Just for a Moment...' als Kontrastprogramm. Mit 'This Dreadful Emptiness' hat die Band auch den Übersong überhaupt am Start. Für mich sind AUSTERE mit dieser Platte niemals wirklich aus dem Player verschwunden und können auch heute wie im ersten Moment fesseln. [Zur Rezension]



Gov't Mule - By A Thread
Gov’t Mule – By A Thread (Steve Braun)
Das Jahr 2009 war ein hervorragender Jahrgang für ausgezeichnete Rockmusik. Das Neue legte bereits im Januar mit JOE BONAMASSAs "The Ballad Of John Henry" einen ganz exquisiten Start hin. GWYN ASHTON legte mit einem "punkigen" Blues-Rockalbum nach und im Sommer wussten dann die NEW SOUL COWBOYS mit einem Southern-Rock-Debüt der Extraklasse zu überzeugen. Lange Zeit war diese Scheibe für mich das Album des Jahres - es wurde allerdings im November durch GOV'T MULEs "By A Thread" gnadenlos-unbarmherzig getoppt. Mein Gott, haben die vier Maultiere endlich wieder einmal ein Album vorgelegt! "By A Thread" schließt nahtlos an den eiskalten Wahnsinn von "Dose" und "Life Before Insanity" an; ganz so, als hätte es niemals ein "Reggae-Maultier" gegeben.
"By A Thread" ist zwar ein mächtiges, sperriges Opus geworden, glänzt aber trotzdem voller filigraner Finessen, die dem Hörer die Kopfhörer aufzwingen. Gleichzeitig hat das Album fast einen Konzeptalbum-Charakter, so schlüssig sind die einzelnen Songs aufeinander bezogen. Auch knapp drei Monate nach dem VÖ-Termin habe ich mich an "By A Thread" noch nicht satthören können - entdecke immer noch überraschende Momente.
Obendrein ist auf diesem Album noch mein Song des Jahres vertreten. Das rumpelige "Broke Down On The Brazos", mit dem schrulligen Billy Gibbons (ZZ TOP) an der Co-Leadguitar, ist vielleicht der beste Song, den Warren Haynes, Mastermind hinter GOV'T MULE, jemals geschrieben hat. Jetzt wäre nur noch zu wünschen, dass das MULE auch einmal für mehr als drei, vier Termine durch Deutschland galoppiert... [Zur Rezension]

Indukti – Idmen

Indukti - Idmen (Sascha Ganser)
Ich gebe es zu – Verwandlung beeindruckt mich in der Kunst immer noch am meisten. Deswegen sehe ich gerne Cronenberg, lese gerne Kafka… und höre nun Indukti. Das Debüt „S.U.S.A.R.“ mit RIVERSIDEs Mariusz Duda und getunter Violine war schon eine knallprall gefüllte Überraschungstüte, doch mit drei neuen Gastsängern und  zwei neuen Instrumenten eröffnen INDUKTI auf „Idmen“ eine ganz neue Welt. Gnadenlose Härte schwebt ununterbrochen in einem wabernden Fluss  aus honigfarbener Melodik mit einem Facettenreichtum, der an Insektenaugen erinnert. Der Hauch des Exotischen und Verruchten, Zweckentfremdung zwecks Neuerfindung und die Mißachtung von Musikkonventionen gleich packenweise lässt mich „Idmen“ zum König des Jahres 2009 erheben. [Zur Rezension]

 

IQ –IQ - Frequency Frequency (Lutz Koroleski (Oger))
IQ waren mir lange Zeit nur vom Namen her bekannt. Was ich über die Band gelesen hatte, konnte mich nicht dazu bewegen, mal in eines ihrer Alben reinzuhören. „Eine Progband von vielen...“, hab ich gedacht. Bis zu einem Samstag im letzten Frühjahr, als mir meine Gattin das neueste Album der Band „Frequency“ aufs Geratewohl von einem Einkauftrip mitbrachte. Mit gedämpften Erwartungen legte ich die CD ein und dann passierte das, was nur wenige Male im Verlauf eines Jahres vorkommt. Nicht nur wohlwollendes Kopfnicken oder gefälliges Fußwippen, sondern der „Boah“-Effekt. Vom großartigen Gesang über wunderschöne Keyboard-Teppiche bis hin zu den gefühlvollen Gitarren-Soli traf mich diese Musik direkt ins Geschmacks-Zentrum. Die Melodien des Titelsongs, „Life Support“ oder „Stronger Than Fiction“ gingen mir sofort unter de Haut und das hat sich auch mit den zahlreichen folgenden Durchläufen nicht geändert. Schön, dass einem so etwas doch immer noch mal wieder passiert. [Zur Rezension]

 

Kreator Hordes Of ChaosKreator – Hordes Of Chaos (Andreas Schulz)

Mit Begriffen wie Meilenstein, Höhepunkt oder gar Klassiker sollte man in Rezensionen nicht allzu freigiebig um sich werfen und auch die Höchstnote zücke ich selber nicht oft, denn wann ist ein Album schon wirklich perfekt? Ganz nah dran ist allerdings "Hordes Of Chaos", das 2009er Album der Essener Thrash-Urgesteine KREATOR. Mille und seine Jungs haben darauf alle Stärken gebündelt, die den Sound der besten Thrash Metal-Band der Welt ausmachen und Schwächen komplett außen vor gelassen. Das Ergebnis ist die wohl beste Platte des Genres in den letzten Jahren und in der Tat eines der Highlights in der Diskografie von KREATOR. Hier stimmt alles: abwechslungsreiches, hit-lastiges Songwriting, ein ausgewogenes Maß aus Aggression und Melodie, ein herrlich natürlicher Sound und Glanzleistungen an den Instrumenten. Es kommt nicht oft vor, dass mir ein Thrash-Album Gänsehautschauer über den Rücken jagt - hier passiert es ständig. Und in fünfzehn Jahren wird man bei "Hordes Of Chaos" von einem Klassiker sprechen müssen! [Zur Rezension]

 

Major Parkinson (Chris)Marjor Parkinson - st
Mein persönliches Album des Jahres ist trotz eines musikalisch verdammt starken 2009 mit weitem Abstand das selbstbetitelte MAJOR PARKINSON-Debüt. Stellt euch einfach MR. BUNGLE, THE LIBERTNES, FOXY SHAZAM, FRANZ FERDINAND, MY BABY WANTS TO EAT YOUR PUSSY, FAITH NO MORE, BEACH BOYS, SYSTEM OF A DOWN, Surf, Ska, Punk, Funk, Sixties-Rock, Stoner, Disco, Ska und wasnichtalles in einem großen Zirkuszelt vor, lasst das ganze hier und dort auch mal in fast dadaistische Gefilde ausufern, und schon habt ihr wenigstens eine vage Vorstellung dessen, was auf dem Meisterwerk geschieht. Doch wer Stilmischmasch der albernen Art erwartet, befindet sich auf dem Holzweg, denn die Songs auf diesem Album zerbersten vor Emotion, Tiefgang und Liebe zur Musik - vor allem aber holt die Band eines in den Vordergrund: Kunst, das essenzielle Element in der Musik. Die mit unzähligen Ereignissen gespickten Songs, gekrönt von Jon Ivar Kollbotns charismatischem und facettenreichen Gesang, mögen sich während der ersten Durchläufe noch als nicht ganz so hitverdächtig erweisen, doch irgendwann macht es bei diesem Konzeptalbum "klick", und es hat einen. Und zwar komplett. [Zur Rezension]

 

Mastodon - Crack The Skye


Mastodon – Crack the Skye
(Benjamin Feiner)

Pure Erleichterung an diesem frühen Morgen der Musterung, ein Attest hat ihnen gereicht, um mich als T5 einzustufen. Ich war einer der Ersten, die um zehn Uhr das Kreiswehrersatzamt verlassen durften um in die kühle Luft des jungen Tages zu tauchen. Es war verdammt kalt, aber die Sonne schien – besser konnte es nicht mehr werden. Und den passenden Soundtrack dazu lieferten Mastodon mit „Crack The Skye“. Seit diesem abgefahrenen Space-Sludge-Hardrock-Trip sind die vier Amis sicher nicht nur bei mir ganz oben auf der Favoritenliste gelandet. [Zur Rezension]

 



Pain Of Salvation – Linoleum
(Nils Herzog)Pain Of Salvation - Linoleum
Obwohl es vielleicht nicht üblich ist, für das Album des Jahres eine EP auszuwählen, habe ich mich für "Linoleum" von PAIN OF SALVATION entschieden. Und zwar nicht, weil ich das sehr gute "Linoleum" für ein unsterbliches Meisterwerk halte, sondern weil PAIN OF SALVATION hier andeuten, dass sie auf dem in diesem Jahr erscheinenden Album "Road Salt" endlich wieder höchst emotionale Musik schreiben werden. Das Experiment "Be" war zwar für den Kopf interessant und "Scarsick" mit seinen geradlinigen Momenten ein kreatives Durchatmen, doch auf der Gefühlsebene konnten mich nur Ausschnitte dieser Alben berühren. "Linoleum" verfügt wieder über diese seelenvollen, exaltierten Gesangslinien Gildenlöws, die ich an allen Vorgängeralben so geschätzt habe - ein interessanter Gegensatz zu der teils staubtrockenen Härte der Gitarren. "Linoleum" ist für mich die Hoffnung auf ein neues, endlich wieder großartiges PAIN OF SALVATION-Album. [Zur Rezension]

 
Pathosray - Sunless Skies
Path
osray – Sunless Skies (Henning Seidt)
„Sunless Skies“ hat mich besonders in seiner Gesamtheit beeindruckt. Wenn man diese Scheibe nicht in einem Rutsch anhört, ist der Genuss einfach nicht vollständig. So intensiv kam mir das bisher nur bei OPETH vor. Als relative Newcomer mussten sich die Italiener natürlich massiv mit der Prominenz des Genres vergleichen lassen, doch nach zwei unschlagbar guten Veröffentlichungen sind PATHOSRAY in meinen Augen keine Frischlinge mehr sondern die neue Referenz. [Zur Rezension]

 

 

 


Porcupine Tree – The Incident
(Jochen König)Porcupine Tree - The Incident
PORCUPINE TREE ist mit „The Incident“ so etwas wie eine Bestandsaufnahme ihres bisherigen Schaffens gelungen. Alle Marklenzeichen finden sich in konzentrierter Form: die Sperrigkeit, die ergreifenden Melodien, der gehobene Härtegrad und berauschendes Schwelgen in sanften Klängen. So ausufernd wie in den ersten Jahren ist Band zwar nicht mehr, aber „The Incident“ ist eine gelungene Weiterentwicklung und wird mit Sicherheit noch nicht den Endpunkt in der Geschichte der Band darstellen.
Thematisch ergänzt „The Incident“ den Vorgänger „Fear Of A Blank Planet“; während es dort um den Zusammenbruch der Mitmenschlichkeit, das Ende der Kommunikation geht, behandelt das aktuelle Album die Defekte, die unser Leben mitunter wie eine Abfolge von großen und kleinen Desastern erscheinen lassen. Steven Wilson möchte daraus Erfahrungswerte machen, die wieder „persönlich“ sind, die Menschen mitfühlend teilhaben lassen am Lauf und Irrlauf der Welt. Erinnerungen an positive Gegenentwürfe helfen dabei, auch wenn sie mitunter von Wehmut getragen werden, wie im längsten Stück Time Flies.
„The Incident“ ist ein einziges langes Stück: komplex, vertrackt und elegant zugleich; kein Album, dass sich beim ersten Durchgang erschließt und das man sofort lieb hat. Später dafür um so mehr...
Die vier Stücke der Bonus-CD entsprechen mehr dem gemütvollen  Singer-Songwriter-Status der Band, sind ein betörender Ausklang für die fordernde und eindrucksvolle Achterbahnfahrt des Hauptwerks. [Zur Rezension]

Ram - Lightbringer

RAM – Lightbringer / Sinister Realm – st (Lars Schuckar)
Selbst für den langjährigen Szenebeobachter war das vergangene Jahr ungewöhnlich reich an Höhepunkten, auch oder gerade im traditionellen Metalsektor. Einen großen Anteil daran hatten zweifellos diverse Newcomerbands, die in den verschiedenen Spielarten des Genre etliche Glanzpunkte gesetzt haben.
Neben den kanadischen STRIKER und der L.A.-Band WHITE WIZZARD, von denen wir jeweils in Kürze den ersten Longplayer erwarten dürfen, hat diesbezüglich bei mir das Debüt von SINISTER REALM mit den größten Eindruck hinterlassen. Die seit noch nicht mal zwei Jahren aktive Band aus Pennsylvania besticht mit einer Mischung aus erhabenen Doom der Marke COUNT RAVEN & CANDLEMASS und ebenso epischen wie hochmelodischen Power Metal, wie man ihn selbst von Szenegrößen nur noch selten geboten bekommt. Ein bärenstarker, flexibler Sänger, ein Gitarrendoppel, das es in sich hat, und dazu noch schwergewichtige Ohrwürmer wie "The Demon Seed", "Message From Beyond" und "Machine God" (aber eigentlich jeder Song bleibt nachhaltig beim Hörer hängen) ergeben eine tiefgehende Großtat klassischen Heavy Metals.
Schon etwas länger gut angesehen im Underground sind die schwedischen RAM. Und den guten Eindruck ihrer ersten Arbeiten konnten sie mit dem aktuellen Album "Lightbringer" mehr als nur bestätigen - für mich haben sie damit schlichtweg das Album des Jahres abgeliefert. Egal, ob man nun JUDAS PRIEST, MERCYFUL FATE, IRON MAIDEN oder ICED EARTH als seine Helden ansieht: RAM muss man einfach lieben. Zudem klingt die Band trotz ihrer unverkennbaren Einflüsse durchweg eigenständig und wenn man astreine Headbangerfreuden durch solch abwechslungsreiches und detailliertes Songwriting zu bereiten vermag, wie dieses Quintett, gehört man sowieso zu den ganz Großen. Außerdem: Alle Songs des Albums sind ja schon Höhepunkte für sich, aber die vielschichtige Hymne "Suomussalmi (The Few Of Iron)" ist mal ganz sicher der beste Metalsong der letzten zwölf Monate! [Zur Rezension]

 

Sarke - VorunahSarke – Vorunah (Dr. O)
Gute Platten hat es 2009 eine ganze Reihe gegeben, seien es GRIFTEGÅRD, CODE, ANAAL NATHRAKH oder HEAVEN AND HELL gewesen. „Die Scheibe des Jahres kommt für mich von einer bis dato unbekannten Black-Metal-Band namens SARKE, einem Duo, das Kälte, Sehnsucht, Bösartigkeit, Hoffnungslosigkeit, Natur und Tod auf ihrem Album „Vorunah“ zu einer absolut kaputten Version kondensiert. Kein Ton zu viel, tödliche, oft langsame und eingängige Riffs paaren sich mit dem Gesang von Nocturno Culto, der noch nie jedes Wort so perfekt und hasserfüllt herausgespien und akzentuiert hat. Mir ist kaum je eine Platte untergekommen, die so viel Gefühl vermittelt. Unfassbar gut. [Zur Rezension]

While Heaven Wept - Vast Oceans LachrymoseWhile Heaven Wept - Vast Oceans Lachrymose (Daniel Fischer)

Es liegt in der Natur der Sache, dass man als Rezensent verschiedene Aspekte eines Albums einschätzt und bewertet, etwa klangtechnische Details oder spielerische und kompositorische Fähigkeiten. Letztendlich zählt jedoch immer nur, ob die Musik den Hörer wirklich berühren kann, und das ist natürlich eine höchst subjektive Angelegenheit. Doch auch wenn dies nicht der Fall ist, muss man oft einem Album trotzdem gute Qualitäten bescheinigen, denn ein anderer Hörer mag sich genau davon angesprochen fühlen. Leider liegt es wohl ebenso in der Natur der Sache, dass nach tausenden gehörten Platten nur sehr selten eine Neuerscheinung noch einmal dieses wunderbare Gefühl vermitteln kann, als man seine erste, echte und wirklich eigene Lieblingsband entdeckte. Den Glauben, sich im tiefsten Inneren und unbewusst nach genau dieser Musik gesehnt zu haben. Zwar gibt es immer wieder tolle Neuentdeckungen und starke Veröffentlichungen bereits geschätzter Bands, doch kaum ein Album hat mich in den letzten Jahren so ergriffen und berührt wie "Vast Oceans Lachrymose" von WHILE HEAVEN WEPT. Ein episches Meisterwerk jenseits aller Genregrenzen, voller melancholischer, sehnsuchtsvoller Gänsehaut-Melodien. Harte, düstere und progressive Metal-Riffs treffen auf bittersüße Harmonien und eine verträumte, romantische Atmosphäre. Nicht nur das beste Album des Jahres 2009! [Zur Rezension]

Nils Herzog (Info)