MARIA JOÃO ist ein Pendlerin zwischen den Welten – auf jeden Fall aus musikalischer Sicht. Aber auch in der Realität ist sie ständig zwischen Lissabon, der Hauptstadt Portugals, und Maputo, der Hauptstadt von Mosambik, unterwegs. Das hinterlässt bei einer Musikerin natürlich jede Menge musikalische Spuren, auf denen auch wir gemeinsam mit ihr nunmehr mit „Abundância“ wandeln dürfen.
Und auf diesen Spuren wandelt sie schon seit geraumer Zeit. Sehr erfolgreich sogar, was ihr beispielsweise besonders beeindruckend vor fast einem Vierteljahrhundert bereits bei einem bewegenden, improvisierten (Jazz-)Duett mit Bobby McFerrin gelang.

Anfangs trägt die hohe, ein wenig quäkend wirkende (mitunter ein wenig an KATE BUSH erinnernde) Stimme der Sängerin etwas Gewöhnungsbedürftiges in sich, ähnlich wie die Musik, die Brücken zwischen altehrwürdigen (volksliedhaften) Traditionen und Zukunft (extrem moderne Produktion, beste Stereo-Sounds, viele Effekte und eingebundene Electronics) sowie Weltmusik, Jazz, Pop, Minimalismus, Kammermusik und ethnischen Klängen schlägt, die mit regelrechter Vokalakrobatik plus spannenden Percussion angereichert werden.

MARIA JOÃO gilt als „eine weltweit anerkannte und gefeierte Künstlerin, die in kreativer Hinsicht immer ruhelos ist, immer bereit, neue Abenteuer zu wagen, neue Lösungen zu suchen und sich neuen Projekte zu stellen.
Die Zukunft ist immer der beste Ort, sagt die Sängerin, die im Laufe der Jahrzehnte eine aktive Stimme in verschiedenen fruchtbaren Partnerschaften war, von Mário Laginha und Carlos Bica bis zu Aki Takase“, wie es im Promoschreiben heißt – und was wir gerne genau so hier stehen lassen.

Außerdem darf man hinzufügen, dass die Musikerin, die auf jedem Song ihre Stimme in den Mittelpunkt rückt, auch mit dieser wechselseitig spielt.

Ob der Hörer dauerhaft bereit ist, sich darauf einzulassen, ist natürlich die Frage.
Wer allerdings auf die grandiose von PETER GABRIEL ins Leben gerufene 'Real World'-Serie mit Ethno- und Weltmusikern, die Traditionelles mit Modernem vereinen, mag, der hat mit „Abundância“ ein Album gefunden, welches ideal darauf passen würde. Immer wieder rücken hierbei zusätzlich elektronische Texturen in den Vordergrund, die ein gewisses LAURIE ANDERSON-Feeling mitbringen – man höre nur „Dário“ und „Maputo Jive“ – während gewisse Passagen zugleich an die Kollaborationen zwischen FRIPP & ENO („Dia“) erinnern oder TRILOK GURTU („Esperanca“) heraufbeschwören, besonders bei den extrem verspielten Schlag-Rhythmen.

Hierbei wird sie von einer Vielzahl Gastmusikern unterstützt, die dem musikalischen Universum von MARIA JOÃO jede Menge neue Klangfarben hinzufügen, auch gesanglich oder sprechend („As Tuas Trancas“) das Album bereichern und es in ganz unterschiedliche weltmusikalische Richtungen lenken, bis mit „Praia“ das ganz große Finale samt gezupften Streicher-Einlagen eingeleitet wird, das wie eine seltsame Zusammenfassung des Albums, welches aus so vielen unterschiedlichen Facetten besteht, erscheint.

Für die Ohren eines Radiostreamers gewöhnungsbedürftig – wer seine Ohren aber in alle Welt offen hält, der wird mit „Abundância“ bestens bedient, auch weil die CD optisch im schön gestalteten Digipak samt 12-seitigem Booklet zu überzeugen versteht.

FAZIT: Sie ist eine musikalische wie reale Weltenwandlerin: MARIA JOÃO nimmt den Hörer auf eine Reise durch traditionelle wie moderne Ethno-, Jazz-, Pop-, Weltmusik- und Kammer-Minimalismus-Klänge mit, wobei sie ihre Stimme in den unmöglichsten Höhen sowie akrobatischen Verrenkungen zu bewegen versteht. Ein PETER GABRIEL und seine Real World Studios sollten begeistert sein von „Abundância“! Und alle Freunde dieser weltoffenen Musik gleichermaßen, selbst wenn die Stimme es einem nicht immer leicht macht. Doch hier steckt natürlich volle Absicht dahinter.