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Michael Brückner: Sheep Asleep (Review)
Artist: | Michael Brückner |
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Album: | Sheep Asleep |
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Medium: | Do-CD/Download | |
Stil: | Elektronische Musik, Berliner Schule, Dark(ish) Ambient mit Industrial-, Tribal- und (1960er-Jahre-Elektronik-)Avantgarde-Elemen |
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Label: | Eigenproduktion | |
Spieldauer: | 147:57 | |
Erschienen: | 10.06.2024 | |
Website: | [Link] |
„Ich wollte dieses Material schon seit Jahren veröffentlichen, konnte aber nie den richtigen Kontext dafür finden...“ (Michael Brückner)
Schlafende Schafe sollte man bekanntlich schlafen lassen – das wissen wir doch spätestens seitdem sich bei GENESIS ihr Lamm auf dem Broadway zur Ruhe legte und kurz darauf PETER GABRIEL seine Beziehung zu GENESIS ebenso einschlafen ließ...
Bei einem MICHAEL BRÜCKNER sieht das völlig anders aus, denn dessen Schafe schlafen nicht auf dem breit ausgefahrenen Broadway des Progressive Rock, sondern inmitten der 'Berliner Schule', die richtungsweisend und weltweit die elektronische Musik repräsentiert(e) und in der, neben MANUEL GÖTTSCHING, ein KLAUS SCHULZE der (im positiven Sinne verstanden) oberste Lehrmeister war.
Getreu diesem Lehrmeister gelingt es einem seiner fleißigsten Schüler aus Deutschland, immer wieder mit seinen Elektronik-Alben, mit denen er ähnlich wie ein KS die Elektronik-Szene regelrecht überflutet, immer wieder interessante und absolut hörenswerte sowie immer auch relativ einfallsreich sowie liebevoll gestaltete, selbst produziert und gefertigte elektronische Werke zu entwerfen und umzusetzen.
Diesmal sind es die schlafenden Schafe, wobei gerade bei elektronischer Musik die Titelnamen Schall und Rauch sind, denn wo keine Worte aus-, sondern größtenteils nur Tasten und Knöpfchen gedrückt werden, sind die 'Namen' dahinter eher marginal. Allerdings erinnert diesmal das Cover extrem deutlich an das letzte ROGER WATERS-Album „The Dark Side Of The Moon Redux“, nur das hier eben nicht ein Hunde- sondern ein Schafsauge groß auf dem Frontcover zu sehen ist. Die Musik auf „Sheep Asleep“ kommt allerdings (besonders auf der zweiten CD) ebenso düster wie finster und bedrohlich daher, sodass die Parallelen beider Cover auch eine atmosphärische Musik-Parallele in sich tragen.
„Sheep Asleep“ ist kein in sich geschlossenes oder gar einem Konzept folgendes Album, sondern eine Sammlung von Aufnahmen aus verschiedenen Zeiträumen – beginnend 2003 und endend im aktuellen Kalenderjahr 2024. Der Schwerpunkt der Aufnahmen liegt im Jahr 2008.
Dazu entdeckt man im Booklet noch das Zitat aus einem Song von TIAMAT. Konkret aus dem 1997er-Song „Cold Seed“, in dessen Inneren die entsprechende Strophe zitiert wird:
but from my hands flew the maiden dove
while clouds like cotton snow white sheep
still calm beside their shephers sleep
(alles, wonach ich suchte, war ein wenig liebe
doch die jungfräuliche taube entglitt meinen händen
und erhob sich in die schneeweißen schafswolken
die noch friedlich neben ihrem schäfer schliefen)
Schon das Titelstück beginnt extrem finster mit herrlichen Soundspielereien und Electronic-Collagen – es „Irrlicht“ert im KS-Sinne so gesehen herum und nimmt dann tatsächlich rhythmisch an Fahrt auf Richtung TANGERINE DREAM samt Drum-Computer und einer vorsichtigen Techno-Brise, die sogar mit Sitar-ähnlichen Klängen noch eine fette Brise 'Weltmusik' verpasst bekommt. Echt stark!
Und nun wissen wir auch, wie solche Schäfchen-Schlafphasen aussehen – oder besser: Geheimnisvoll klingen, egal, ob in der REM-Phase oder davor und danach. Jedenfalls sind das schonmal ungeheuer starke elf elektronische Minuten, die sich in ähnlicher Weise über das gesamte megalange Doppel-Album fortsetzen, das allerdings zum Ende hin sich dann doch etwas in träger Electronic-Meditation verliert, die noch dazu raschelt und rauscht.
So gesehen steht der Titeltrack anfangs aber exemplarisch für die elektronische und noisige (Oh ja, auch ART OF NOISE wären als Vergleich gerade bei diesem Brückner-Album eine hervorragende Adresse) Atmosphäre, die besonders die erste CD des Doppel-Albums durchzieht und den Hörer – grade wenn er zu Kopfhörern greift und den gelungenen Stereo-Sound intensiv genießt – für die ersten (fast) 80 Minuten in eine kosmische Galaxis entführt. Eine Galaxis, wie sie nur solch ein KLAUS SCHULZE-Jünger wie MICHAEL BRÜCKNER schaffen kann.
Leider geht „Sheep Asleep“ auf der zweiten CD dann doch etwas die Luft aus – oder befinden wir uns hier in der totalen Tiefschlaf-Phase?
Am Ende des Doppel-Albums benötigt der Schäfer tatsächlich eine ganze Stunde, um aufzuwachen, sodass „Shepherd Awake“ wohl die heimlichen Aktivitäten seines anscheinend schlafenden Schafs komplett verpennt hat. Das knapp eine Stunde lange Monumental-Werk, welches die zweite CD abschließt, beweist zwar noch einmal in vollem Umfang, warum der kosmische Berliner-Schule-Pionier Brückner einer der führenden Elektroniker rund um das Schulze-Umfeld ist und dessen Erbe nicht nur in besten Ehren hält, sondern dass er auch die mitunter sich zäh wie Kaugummi hinziehenden Electronics beherrscht, mit denen einen auch Schulze manchmal seine Hörer ernsthaft zu langweilen wusste, was man ihm aber bei seinem Namen nie wirklich übel nahm. Also auch diese Ideen setzt Brückner in seiner Musik fort.
Wer also weiter im Berliner-Schul-Universum, dem die wahren Lehrmeister durch Gevatter Tod leider allesamt abhanden gekommen sind, weiterschweben möchte, der darf vorbehaltlos zu MICHAEL BRÜCKNER und dessen elektronische Schaf-Hommage greifen, selbst wenn sich das letzte einstündige Stück der Doppel-CD extrem hinschleppt und eine dermaßen finstere Stimmung verbreitet, sodass man beim Hören den Eindruck gewinnt, das schlafende Schaf würde gerade vom Schlachthof träumen, dem seine aufgeweckten Artgenossen dank des menschlichen Hungergefühls Tag für Tag zum Opfer fallen müssen.
FAZIT: „Mein neues Album Sheep Asleep ist ein 2-CD-Set mit experimenteller Musik, die größtenteils im Jahr 2008 aufgenommen wurde (einiges davon aber auch schon 2003 und einiges erst 2024). Man könnte es als eine Art Dark(ish) Ambient mit Industrial-, Tribal- und (1960er-Jahre-Elektronik-) Avantgarde-Elementen beschreiben, und hier und da sind ein paar Beats (und seltsame Stimmen) eingestreut.“ Genau so beschreibt MICHAEL BRÜCKNER seine ambitionierte Doppel-CD, die mal wieder (Wie so oft!) alle seine Stärken (aber auch ein paar Schwächen, weil er nicht rechtzeitig zum Ende findet) als elektronischer Musiker und vorbildlicher Vertreter der 'Berliner Schule' zum Ausdruck bringt und noch dazu ein Herz für die ganz besonders schwachen Kreaturen hat, mit denen sich der gefräßige Mensch nur zu gerne seinen Magen füllt. Allein ein Blick auf das Album-Cover mit dem traurigen wie neugierigen Schaf-Auge zugleich sollte einem sein Steak im Halse stecken lassen. In diesem Sinne besser einfach nur die Musik genießen.
PS: Übrigens entdeckt man zudem unter der Brückner-Bandcamp-Seite sogar noch einen zusätzlichen 78 Minuten langen (!!!) „Continous Mix“ der ersten CD dieses Schaf-Albums, das einen definitiv nicht in schläfrige Schäfchen-Wolken-Elektronik-Welten, sondern eher avantgardistische Electronics erster Güteklasse entführt.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- CD 1 (78:02):
- Andasta
- Sheep Asleep
- Crepuscule
- Doe Knees
- The Parting
- Adissonata
- Erlangen (Part 1)
- Erlangen (Part 2)
- Shadow March
- Aish Ná
- CD 2 (69:55):
- Ayin
- Shepherds Awake
- Keys - Michael Brückner
- Sonstige - Michael Brückner (Effekt, Electronics)
- Trees Of Olivandá (2017) - 11/15 Punkten
- The Undercurrent (2019) - 13/15 Punkten
- Recycled Life (2021) - 12/15 Punkten
- The Morphic Cycle (2023) - 12/15 Punkten
- Sheep Asleep (2024) - 8/15 Punkten
- The Android Tales – Volume 1 (2024) - 12/15 Punkten
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