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Nils Wülker & Münchner Rundfunkorchester: Continuum (Review)
Artist: | Nils Wülker & Münchner Rundfunkorchester |
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Album: | Continuum |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Symphonischer Jazz |
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Label: | Warner Music | |
Spieldauer: | 50:26 | |
Erschienen: | 29.04.2022 | |
Website: | [Link] |
Beschreiten wir gemeinsam mit dem Bonner Jazz-Trompeter NILS WÜLKER neue Wege und erheben uns gemeinsam mit dem durch Patrick Hahn dirigierten MÜNCHNER RUNDFUNKORCHESTER in unendliche Höhen, zu den bergigen von Nebel eingeschlossenen Gipfeln des Album-Covers von „Continuum“, hinter dem sich die Vereinigung aus von Trompete dominiertem Jazz, der nicht auf Piano und Fender Rhodes sowie Schlagzeug und Kontrabass verzichtet, und Streicher- sowie Bläser-Symphonik verbirgt. Purer 'Sympho-Jazz' bzw. 'Jazz-Sympho', der in erster Linie schwebt, in zweiter Traum-Welten weckt und in dritter fasziniert, wenn man nach erhebenden Momenten sucht, die einen auf eine Reise mitnehmen, so als würde man weit über den Wolken schwebend für einen Moment vergessen, dass unterhalb der Wolken brummende Bomber ihre Raketenlast auf ukrainische Landstriche werfen, weil dort nicht das Trompetenspiel eines NILS WÜLKER den Ton angibt, sondern die Trompeten von Jericho ihre kriegerische Musik des Verderbens absondern.
Das traumhaft Klingende von „Contiunuum“ kann sich leider in diesen Zeiten einfach nicht der kriegerischen Kakophonie russischer Bombardements entziehen. Schade, denn „Continuum“ klingt nach der Begleitmusik für die schönen Momente unseres Daseins, auch wenn dieses die schrecklichen nicht ganz ausblenden kann.
Der Jazz-Trompeter aus Bonn begibt sich mit „Continuum“ auf eine gänzlich neue Klangreise, indem er mit dem MÜNCHNER RUNDFUNKORCHESTER gemeinsame Sache macht, auf Ruhe und Harmonie und Schönklang, aber auch bombastische Melodien und breit angelegte Streicher- und Bläsersätze setzt, die wortwörtlich friedliche Stimmungen der Schönheit verbreiten. Hier haben sich Musiker zusammengefunden, deren Spiel wie die sanfte Vereinigung zweier Verliebter klingt, die ihrem Höhepunkt entgegenstreben und dabei die schönsten Momente genießen, um genau diesen Musik-Orgasmus noch hinauszuzögern.
Alles ist im (Ein-)Klang und ergänzt sich, statt den gegensätzlichen Versuch zu unternehmen, sich auszustechen oder in den Vordergrund zu drängen, wobei natürlich die einzige Ausnahme das dieses Album rundum dominierende Trompeten-Spiel von NILS WÜLKER ist, welches sich allerdings einfügsam statt überheblich präsentiert. So gesehen schwebt Wülkers Trompete in himmlischen, oftmals von den Streichern geschaffenen Höhen wie ein Albatros in seinem unendlichen Freiheitswillen dahinschwebt, während er auf dem weiten Ozean das (Orchester-)Schiff mit Patrick Hahn als Kapitän begleitet: Erhaben und zielbewusst zugleich, verträumt und hellwach…
Der Titeltrack eröffnet zugleich die LP-A-Seite und damit das Album – und wem „Continuum“, diese Symbiose aus Streichern, die das Stück einleiten, und Bläsern sowie Trompete und durch Piano, Schlagzeug und Bass vorgegebene Jazz-Rhythmen gefällt oder wer davon in eine 'abgehobene' Stimmung versetzt wird, dem bleibt genau diese Stimmung und das Hochgefühl bis zum letzten Stück „The Dark Frame“ erhalten.
Auf Wülkers bereits 12. Album und zugleich dem ersten, welches er mit einem Orchester einspielt, sind insgesamt zehn epische Stücke zu finden, von denn die eine Hälfte aus dem recht elektronisch geprägten Vorgänger „Go“ stammt und die verbleibende zweite Hälfte neue Kompositionen, welche speziell auch für das Orchester geschrieben worden, enthält. Die LP-Version enthält außerdem eine bedruckte Innenhülle mit mehreren Schwarz-Weiß-Fotos von den Aufnahmen und beteiligten Musikern.
Zwei Kompositionen („Landscape“ und „Munich Afternoon“) entstanden zudem gemeinsam mit CRAIG ARMSTRONG, der vielen sicherlich als Mitglied von MASSIVE ATTACK bekannt ist, sodass beispielsweise „Munich Afternoon“ eine echte MASSIVE ATTACK-Atmosphäre innewohnt.
Immer bleibt viel Raum für akustische, orchestral nicht überladene Momente und auch Improvisationen erhalten ihren Anteil. Man stelle sich einfach vor, dass eine Jazz-Band und ein Orchester der Idee verfallen sind, gemeinsam etwas aufzunehmen, aber ohne dabei sich unterordnen zu müssen, sondern jeder seine Anteile erhält, die nach und nach ineinanderfließen sollen um als Ergebnis zu einem Großen-Ganzen zu fusionieren, aber ja nicht nebeneinanderher zu musizieren. Ein riesige Herausforderung, welche nicht nur durch Wülker und seine Band, sondern auch den jungen Dirigenten Patrick Hahn gelingt, da beide sehr ähnliche musikalische Vorstellungen besitzen, die jeder in seinem Bereich verwirklicht.
„Nika's Dream“ ist der ruhigste und finsterste Titel zugleich, der eine beruhigende Traumwelt – ohne irgendwelche Ängste vor Albträumen haben zu müssen – musikalisch erschafft, wozu besonders die weit ausholenden Streicher-Passagen beitragen und das Trompetenspiel fragil und zurückhaltend, ja fast kindlich verspielt klingt.
Das hat einen guten Grund, denn „Nika's Dream“ ist Wülkers Tochter gewidmet, die wir nun nicht nur mit ihrem Namen, sondern auch aus ihrer musikalischen Traum-Perspektive, mit den Augen des Vaters betrachtet, kennenlernen dürfen. So wird das die LP-B-Seite eröffnende Stück zur unendlichen Schönheit der Langsamkeit, ausgedrückt in ein einem Kindheitstraum… Dessen Ende, wenn die Jazz-Fraktion übernimmt, aber langsam dem Wachwerden weicht und dem Hörer sinnbildlich entgegenblinzelt.
Einen großen Einfluss auf das Album hat zudem der schwedische Dirigent HANS EK, der „Continuum“ arrangierte und den der Bonner Musiker bei Aufführungen mit der E.S.T. SYMPHONY kennenlernte. Bereits 2021 hatte er die eigenen Stücke des Trompeters für einen Auftritt mit dem SWEDISH SYMPHONY ORCHESTRA, dessen Dirigent er ist, bearbeitet und kam zu dem Schluss: „Wülkers wunderschönes Trompetenspiel fliegt frei über den orchestralen Klanglandschaften. Es sind Kompositionen von melodischer Fülle und intuitiver, aber kristallklarer Phantasie.“
Ein ideales FAZIT aus dem Munde eines Kenners und Könners, das die „Continuum“-Wirkung von NILS WÜLKER & MÜNCHNER RUNDFUNKORCHESTER auf den Punkt bringt. Wülker gelingt mit seinen Kompositionen und der Unterstützung des Schweden HANS EK als Arrangeur sowie PATRICK HAHN als Dirigent der musikalische Spagat zwischen verträumtem Jazz und schwebend erscheinender Orchestration, die dem Trompeter Klangräume baut, in denen er sich mit seinem Instrument und der Unterstützung seiner Jazz-Band spielerisch entfalten kann. „Continuum“ feiert die (wer weiß wie lange noch) wiedergewonnene Gemeinsamkeit im großen Rahmen (5köpfige Band trifft auf etwa 60köpfiges Orchester) und schafft dabei eine Begleit-Musik zwischen akustischer Jazz-Filigranität und orchestraler Erhabenheit für die hoffentlich auch weiterhin jenseits einer Pandemie bestehende Freiheit.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Seite A (25:05):
- Continuum
- Brand New Ending
- Unhidden Intentions
- Munich Afternoon
- Distorting Time And Space
- Seite B (25:21):
- Nika's Dream
- Hybrid Balance
- Retrace Your Steps
- Landscape
- The Dark Frame
- Bass - Sven Faller
- Keys - Jan Miserre
- Schlagzeug - Matthias Meusel
- Sonstige - Nils Wülker (Trompete, Flügelhorn), Münchner Rundfunkorchester dirigiert von Patrick Hahn
- Continuum (2022) - 12/15 Punkten
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keine Interviews
Kommentare | |
Gerrit
gepostet am: 15.01.2024 User-Wertung: 14 Punkte |
Ich habe Nils Wülker mit Hans Ek und dem Sinfonieorchester Wuppertal Anfang 2024 live gesehen, was sehr beeindruckend war. Die Schallplatte ist extrem gut arrangiert, ein wunderschönes und komplexes Album, letztendlich nur von einem Live-Konzert zu toppen. |