Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Nina Hagen: Was denn…? – The Amiga Recordings (Review)

Artist:

Nina Hagen

Nina Hagen: Was denn…? – The Amiga Recordings
Album:

Was denn…? – The Amiga Recordings

Medium: CD/Limitiert/LP farbig
Stil:

DDR-Kult-Pop-Rock

Label: Sony Music/AMIGA
Spieldauer: 45:37
Erschienen: 28.02.2020
Website: [Link]

„Da stapfte ein junges Mädchen mit überdimensionalem Hut auf dem Kopf, komödiantisch dreinschauend, das erste Mal im 74er Oktober-Schlagerstudio über die Bühne und über den Bildschirm und beklagte ihren Kummer mit Michael. Michael hatte den Farbfilm vergessen, und NINA HAGEN, die begabte 19jährige Tochter der Schauspielerin Eva-Maria Hagen, Absolventin des Studios für Unterhaltungskunst, bekam mit ihrer Gruppe 'Automobil' auf Anhieb viel Applaus und positive Stimmen...“ (aus dem DDR-„Schlagermagazin 1976“)

Sie hatte garantiert den Farbfilm nicht vergessen, als sie im Herbst 1977 die DDR Richtung Westen verließ, die Mauer überwand und schon kurze Zeit später mit Begleitung von Lokomotive Kreuzberg, den späteren SPLIFF, eine richtig starke Punk-Rock- und eine weitere nicht ganz so starke zweite Scheibe als NINA HAGEN BAND herausbrachte, die bis heute echter Deutsch-Rock-Kult ist und ihr den Titel als deutsche „Godmother Of Punk“ einbrachte, bis sie mit ihrem Punk-Ausflug „Auf'm Friedhof“ landete.

Doch nicht nur ihre leidenschaftlichen Musik-Begleiter dieser Zeit, auch viele andere sie auf ihrem Weg begleitenden Mitstreiter vergällte, verstörte und verstieß sie, diese NINA HAGEN, der es plötzlich die grünen Männchen, göttliche Erscheinungen aller Art und andere übernatürliche Wesen antaten, die einem nur zu oft erscheinen, wenn man sich ein paar feine Kräuterchen und Pilzchen zu viel eingepfiffen hat.
Aus gegenwärtiger Sicht endete dieser Weg als absurde Werbeikone für die 2019er-Dresdner-Jazz-Tage, auf deren Plakat und mit einem unterirdisch schlechten Auftritt bei diesem anspruchsvollen Kult-Festival in Sachsen. Fortsetzung folgt...

Noch immer steht aber die Frage im Raum: Wie fing das eigentlich alles an?... Mit dieser NINA HAGEN, die ihre ersten musikalischen Schritte in der DDR ging, bis sie der Unterstützung ihres aus der DDR ausgewiesenen Stiefvaters WOLF BIERMANN und ihres Ausreiseantrags wegen in Ungnade fiel und alle bis dahin getätigten Aufnahmen im Nirvana der verstoßenen DDR-Feinde verschwanden, zu denen später auch BETTINA WEGNER, VERONIKA FISCHER, HOLGER BIEGE, STEFAN DIESTELMANN, MANFRED KRUG, RENFT und viele andere DDR-Musikgrößen landeten.

Entdeckt wurde Nina von MICHAEL HEUBACH, wahrscheinlich genau dem Musiker und Komponisten sowie Multiinstrumentalisten, der dann Namensgeber für den Farbfilmvergesser war, und die Gruppe AUTOMOBIL gründete, die ab 1974 mit Nina als Sängerin und eben diesem Hit „Du hast den Farbfilm vergessen“ einen Riesenerfolg feierte. Heubach war später mit LIFT noch erfolgreicher und schrieb wundervolle Titel für die Band, bis er als Fahrer des Autos, in dem mehrere LIFT-Mitglieder saßen, in Polen während einer Konzert-Tour einen folgenschweren Unfall verschuldete, bei dem zwei Bandmitglieder starben und er selber sehr schwer verletzt wurde.

Doch es gab noch deutlich mehr Titel, die von der verstoßenen NINA HAGEN in den Archiven des DDR-Plattenverlags AMIGA schlummerten, und die nun endlich – 45 Jahre später – in orangefarbener Vinyl-Schönheit die Plattenteller der Musikfreunde aus Vergangenheit und Gegenwart erobern dürfen und den moderneren Zeitgenossen natürlich auch auf CD samt einem (überflüssigen) Farbfilm-Mix-Bonustitel präsentiert werden. Eigentlich ein kleines Pflichtprogramm für jeden in der DDR sozialisierten Rock-Pop-Musikfreund, der gerne in Erinnerungen an eine damals schon ziemlich verrückt erscheinende blutjunge Musikerin schwelgt, deren Stimme wirklich einzigartig war und die ihre Rock- und sogar Punk-Affinität neben ihren schlagerhaften Seite nur zu gerne zum Ausdruck brachte.

Ein sehr gutes, natürlich auch auf „Was denn…? – The Amiga Recordings“ (Übrigens mit dem englischsprachigen Untertitel ein selten blöder Name für das Album mit „AMIGA-Aufnahmen aus DDR-Zeiten“!) enthaltenes Beispiel für ihre Rockleidenschaft, ist „Zieh die Schuhe aus“, der für den DEFA-Film „Hostess“ nicht nur aufgenommen, sondern auch gemeinsam mit der STERN-COMBO MEISSEN aufgeführt wurde.

„Hatschi Waldera“ wiederum zeigt die kabarettistische, etwas alberne Nina-Seite, aber auch gänzlich unbekannte, recht nachdenkliche oder auch schlagerhafte Stücke sind unter den insgesamt 14 Titeln von „Was denn…? – The Amiga Recordings” zu entdecken. Auffällig ist hierbei, dass die größtenteils lustig-albernen, nicht unbedingt schwer anspruchsvollen Texte von NINA HAGEN beigesteuert wurden, die nachdenklich-anspruchsvollen aber von einem der bedeutendsten, kritischen DDR-Texter und Liedermacher sowie Kinderarzt KURT DEMMLER, der sich unter tragischen Umständen in der Haftanstalt von Berlin Moabit während seinem Prozess als Kinderschänder das Leben nahm. Nun also gibt sein Text der Schallplatte von NINA HAGEN mit ihren (größtenteils noch nie auf Vinyl erschienenen) AMIGA-Aufnahme der 70er-Jahre ihren Titel: „Was denn…?“

FAZIT: Auch wenn die NINA HAGEN der Gegenwart mehr für Verunsicherung als Begeisterung sorgt, so ist die der Vergangenheit verdammt interessant und noch dazu sehr spannend, da ihre Aufnahmen der Mittsiebziger auf den DDR-Musik-Giftlisten standen und nachdem sie ihrem Stiefvater Wolf Biermann in den Westen gefolgt war, für alle Zeiten in den Keller-Archiven von AMIGA verschwanden. Mit „Was denn…? – The Amiga Recordings” sind endlich all diese Aufnahmen wieder auf CD und Vinyl zu bewundern. Und das Hören lohnt sich nicht nur für Nostalgiker!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 4828x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Seite A (23:07):
  • Was denn… (2:49)
  • Das kommt, weil ich so schön bin (3:29)
  • Rangehn – AMIGA-Version (4:17)
  • He, wir fahren auf's Land (3:22)
  • Zieh die Schuhe aus – Aus dem DEFA-Film „Hostess“ mit der STERN-COMBO MEISSEN (4:06)
  • Komm, komm (3:02)
  • Mama (2:02)
  • Seite B (22:30):
  • Du hast den Farbfilm vergessen (3:00)
  • Honigmann (4:21)
  • Hatschi-Waldera (3:06)
  • Wenn ich an dich senk (3:35)
  • Ich bin so alt (2:22)
  • Wir tanzen Tango (2:58)
  • Ich bin da gar nicht pingelig (3:08)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Was kommt aus dem Wasserhahn?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!