Partner
Services
Statistiken
Wir
Silly: Zehn – Das Beste aus 10 Alben (Review)
Artist: | Silly |
|
Album: | Zehn – Das Beste aus 10 Alben |
|
Medium: | Do-LP/Do-CD | |
Stil: | Wiedervereinter Rock mit deutschen Texten |
|
Label: | AMIGA / Sony Music | |
Spieldauer: | 92:10 | |
Erschienen: | 27.09.2019 | |
Website: | [Link] |
„Aber wie Anna uns jetzt darstellt, so als drei lahme, planlose Deppen – das ist genug für uns. […] Anna first… So kann eine Band nicht funktionieren.“ (Uwe Hassbecker)
„Sie musste wie mit Scheuklappen ihr eigenes Ding durchziehen.“ (Ritchie Barton)
= Auszüge aus einem Interview mit der Sächsischen Zeitung vom 19./20. Oktober 2019 =
SILLY – das ist eine Band voller Widersprüche, die in der DDR mit der an Krebs verstorbenen TAMARA DANZ zur Legende und dann beinahe von deren Nachfolgerin, einer singenden Schauspielerin namens ANNA LOOS, fast zu Grabe getragen wurde, weil diese ihr eigenes medienwirksames Ego und ihre maßlose musikalische Selbstüberschätzung nach und nach über jegliches Bandinteresse zu setzen schien und damit das danzsche Erbe arg beschädigte, bis die Jungs hinter SILLY, jene zu „drei lahmen, planlosen Deppen“ Gemachten, gerade noch rechtzeitig die Notbremse zogen.
Damit – und den zwei neuen, großartigen und gestandenen (bisher noch) Gast-Sängerinnen ANNA R. (ehemals ROSENSTOLZ) und JULIA NEIGEL – scheint die Band SILLY endlich wieder eine Zukunft zu haben, die das Erbe einer Tamara wohl auch in ihrem Sinne fortsetzt und nicht beschädigt.
Wohl gerade aus diesem Grund und in Anbetracht der bevorstehenden SILLY-Konzert-Tournee mit zehn Konzerten in zehn Städten erscheint nun die Doppel-CD und Doppel-LP „Zehn“, welche die besten Titel von nunmehr insgesamt „zehn“ Alben in sich vereinen und dabei natürlich vordergründig die Danz-Ära beleuchten, die sich neben der extrem charismatischen Sängerin ja auch immer durch die großartigen Texte von WERNER KARMA, TAMARA DANZ oder GERHARD GUNDERMANN auszeichneten.
Bis zu dem großen Bruch, als man den verbliebenen Texter Karma, der Einzige nach dem Tod von Danz und Gundermann, durch die sich auch noch als mitunter sehr peinlich wirkende Lyrikerin betätigende Anna Loos zu ersetzen versuchte, sodass das letzte Album „Wutfänger“ (2016) sich tatsächlich – auch wenn es ganz anders gemeint war – jede Menge wütende Reaktionen einfing, was nach dem ebenfalls erschreckend banal wirkenden Vorgänger-Album „Kopf an Kopf“ (2013) bereits mehr als deutlich abzusehen war.
Obwohl das erste Album „Alles Rot“ (2010) unter Mitwirkung der singenden Schauspielerin, aber noch mit den hervorragenden Texten von Werner Karma veredelt, echte Hoffnungen auf die „neuen“ SILLY weckte, die zugleich auch nach den alten klangen und deren Niveau halbwegs zu halten vermochten, selbst wenn die von Tamara Danz hinterlassenen Spuren von einer Anna Loos nicht halbwegs auszufüllen waren. Doch statt daran zu arbeiten, diese mehr und mehr zu füllen, wollte der schwächste Teil der Band – wie als Schauspielerin gewohnt – doch tatsächlich auch auf der Bühne und bei der Musik sowie den Texten die Hauptrolle spielen. Eine verhängnisvolle Fehlentscheidung, die nun endlich korrigiert worden ist.
So beginnt „Zehn“ auch mit einem der absoluten SILLY-Highligts: „Bataillon d'Amour“, ein echter Ostrock-Evergreen, der „unkaputtbar“ ist und selbst durch solch eigenartige Interpretation wie von JOACHIM WITT keinen Schaden nimmt. Überhaupt jeder Titel auf der ersten LP des Doppelalbums ist ein Genuss – musikalisch, sängerisch und textlich. Lieder, die im Osten der Republik, als der noch eingemauert war, viel Hoffnung und Mut gaben und sogar mit Texten aufwarteten, welche damals von ihrem kritischen Ansatz her fast unvorstellbar erschienen, wie „Verlorene Kinder“ vom DDR-Album des Jahres „Februar“ (1989) oder „Mont Klamott“ vom gleichnamigen 1983er-Album.
Aber natürlich auch das durch die Realität umso trauriger gewordene „Asyl im Paradies“, das Tamara Danz bis zu ihrem Tod in Anbetracht ihrer schweren und dann tödlichen Krebserkrankung textete und sang, fehlt auf dieser Zusammenstellung nicht und gibt einerseits von der unglaublichen Stärke der Sängerin und ihrer Band, die ihr auf dem Weg durch das schreckliche Jammertal ihrer Krankheit nicht von der Seite wich, eine Auskunft, die man kaum noch in Worte fassen kann. Tiefes Mitgefühl und klangvolle Faszination vereinen sich hier zu einer der bewegendsten Hymnen, die jemals geschrieben wurde – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern weltweit!
So bleibt ein lautes „Bye Bye“ von dieser Zeit und die Hoffnung auf eine Band, die als SILLY ohne Tamara einen Weg fortsetzt, der einerseits die musikalische Aura der Vergangenheit wahrt und zugleich mit neuer Sängerin neue, aber nicht abseits- oder rückwärts-gewandte Wege beschreitet.
Hier kommt dann ANNA LOOS ins Spiel, die Hoffnungsträgerin, die sich mit angenehm rauchiger, aber etwas zu zahm wirkender Stimme erst unter- und einordnet und damit beinahe die SILLY-Hoffnungen erfüllt, bis sie sich offensichtlich mit ihrem banalen musikalischen Zeitgeschmack über die Band zu erheben versucht, so als wollte sie nun SILBERMOND Konkurrenz machen. Ein schreckliches Szenario, das am Ende so blass endet wie das ebenso gruselige Loos-Solo-Album mit der blassen Musikerin auf dem Cover von „Werkzeugkasten“, für das „laut“ nur noch das Resümee übrig hat: „Selbst für Julia-Engelmann-Fans unerträglich!“ Das alles oder etwas Ähnliches bleibt den drei Stamm-Musikern von SILLY, Uwe Haßbecker, Ritchie Barton und Jäckie Reznicek, nun zum Glück erspart.
Trotzdem ist die Wahl der auf dieser Zusammenstellung gelandeten SILLY-Songs mit Anna Loos als Sängerin noch gut gelungen, weil sie einerseits auf die zu Hits gewordenen – aber trotzdem schon sich, auch der schwachen Loos-Texte wegen, von „typischen SILLY“ entfernenden – Songs wie „Deine Stärken“ oder „Kampflos“ und andererseits auf die noch so „echt wirkenden“ Kompositionen mit den Texten von WERNER KARMA, wie „Alles Rot“ und den gigantischen Anti-Waffen/Kriegs-Titel „Vaterland“ sowie den Danz-Gedächtnis-Song „Sonnenblumen (für Tamara)“ zurückgreift.
Mit dem Gedenk-Album „Zehn“ bricht für SILLY eine neue Ära an, die sicher auch die SILLY-Freunde aus DDR-Zeiten wieder hoffnungsvoll auf das einstimmt, was viele schon als verlorengegangen wähnten. Warten wir ab, ob auch der Geist einer Tamara Danz endlich wieder stärker in der Musik von SILLY lebt, als in den letzten zwei Alben, bei denen Anna Loos sich immer mehr in den Vordergrund zu drängen versuchte.
FAZIT: Zwar wird eine Tamara Danz nie wieder zurückkehren können, aber SILLY selber haben's nunmehr in der Hand, ihr Erbe zu wahren und würdig fortzusetzen. Die Zeichen dafür stehen nach „Zehn“ und der dazu anstehenden Tour mit gleich zwei neuen Sängerinnen sehr gut. Und was für faszinierende Musik in der DDR und unmittelbar danach von SILLY entstand, kann man auf der musikhistorischen Zusammenstellung „Zehn“ sehr eindrucksvoll nachhören. Besser als alles bzw. vieles von dem, was man uns heutzutage als Deutschrock im Radio zu verkaufen versucht, obwohl es nur musikalische Austauschware ist. Beinahe wären auch SILLY, weil sie zu stark auf eine Schauspielerin und deren mediale Wirksamkeit als auf sich selbst vertrauten, dazu geworden. Jetzt ist es wieder an der Zeit, sich das so hart erarbeitete SILLY-Alleinstellungsmerkmal zurückzuerobern!
PS: Titel-Liste der Deluxe Doppel-CD, Download & Streaming [1978-2019]
SILLY – ZEHN (Vol.1 CD) [1978-1989]
Bataillon d'Amour * (3:47)
Josef & Maria (3:40)
Schlohweißer Tag * (4:39)
Tausend Augen (4:30)
Die Ferne (4:36)
So'ne kleine Frau * (4:23)
Liebeswalzer (für H.F.) * (5:44)
Die wilde Mathilde * (3:15)
Mont Klamott * (4:44)
Raus aus der Spur (5:07)
Abendstunden (6:28)
Verlorene Kinder * (4:21)
S.O.S. * (3:39)
Landekreuz auf meiner Seele (4:19)
Über ihr taute das Eis * (5:21)
Tanzt keiner Boogie * (3:35)
Der letzte Kunde (5:06)
SILLY – ZEHN (Vol.2 CD) [1990-2019]
Bye Bye * (3:41)
Hurensöhne * (5:06)
Traumpaar (3:36)
Asyl im Paradies * (4:24)
Wo bist du * (3:54)
Flut (5:03)
Vollmond (4:10)
Alles Rot * (5:18)
Ich sag nicht ja (4:05)
Leg mich fest (4:28)
Sonnenblumen (für Tamara) * (3:32)
Vaterland * (3:30)
Deine Stärken * (3:38)
Wo fang ich an * (3:40)
Deine Stimme (4:22)
Kampflos * (3:30)
Zwischen den Zeilen * (4:28)
Regenbogenmond (4:36)
Atme (3:56)
* SILLY – ZEHN (Doppel Vinyl) [1978-2019]
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Seite A (23:17):
- Bataillon d'Amour (3:49)
- Schlohweißer Tag (4:38)
- Liebeswalzer (für H.F.) (5:44)
- So 'ne kleine Frau (4:22)
- Mont Klamott (4:44)
- Seite B (23:59):
- Die wilde Mathilde (3:16)
- Tanzt keiner Boogie? (3:37)
- SOS (3:38)
- Verlorne Kinder (4:21)
- Über ihr taute das Eis (5:24)
- Bye Bye (3:43)
- Seite C (22:12):
- Hurensöhne (5:07)
- Asyl im Paradies (4:24)
- Wo bist du (3:54)
- Alles Rot (5:18)
- Sonnenblumen (für Tamara) (3:29)
- Seite D (22:42):
- Vaterland (3:30)
- Deine Stärken (3:38)
- Wo fang ich an (3:40)
- Kampflos (3:31)
- Zwischen den Zeilen (4:27)
- Atme (3:56)
- Bass - Jäcki Reznicek, Mathias Schramm
- Gesang - Tamara Danz, Anna Loos, Thomas Fritzsching, Ritchie Barton
- Gitarre - Uwe Haßbecker, Thomas Fritzsching
- Keys - Ritchie Barton, Manfred Kusno, Ulrich Mann
- Schlagzeug - Herbert Junck, Mike Schafmeier
- Sonstige - Uwe Haßbecker (Violine)
- Kopf an Kopf (2013) - 5/15 Punkten
- Zehn – Das Beste aus 10 Alben (2019)
-
keine Interviews