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Antiheld: Goldener Schuss (Review)

Artist:

Antiheld

Antiheld: Goldener Schuss
Album:

Goldener Schuss

Medium: CD/Download
Stil:

Alternative Deutsch-Rock

Label: Arising Empire
Spieldauer: 73:03
Erschienen: 30.08.2019
Website: [Link]

Nach dem viel beachteten Erstling „Keine Legenden“, zwei Tourneen, eine davon u.a. als Support für VERSENGOLD, legen die Stuttgarter ANTIHELDen nun mit „Goldener Schuss“ Album Nummer zwei vor, das einen rasanten Stilwechsel vollzieht. Das Debüt klang deutlich unbeschwerter, beschwingter, poppiger, während das nun vorliegende Werk sehr viel erwachsener, gereifter und melancholischer klingt, allerdings im besten Wortsinn.

Als ich die Jungs im vergangenen Jahr als Opener für VERSENGOLD in der Frankfurter Batschkapp zum ersten Mal bewusst wahrnahm, standen dort fünf unbeschwert aufspielende Musiker auf der Bühne, die nichts zu verlieren hatten, da die Einladung zur Tour mit VERSENGOLD quasi aus dem Nichts kam, auf der sich die bis dato nur im Stuttgarter Raum bekannte Kombo plötzlich einem breiteren Publikum vorstellen konnte.

Dass es im Leben nicht immer nur bergauf geht, mussten Opifanti & Co. in der Zwischenzeit aber wohl auf schmerzhafte Art und Weise lernen, denn der nun vollzogene Stilwechsel – weg vom unbeschwerten Teenager-Pop - hin zum sehr viel erwachsener wirkenden Alternative Rock, hatte seinen Auslöser in persönlichen Tiefschlägen, die Frontmann und Songwriter Opifanti dermaßen ausgeknockt hatten, dass er „eine Zeit lang nicht mehr schreiben konnte“.

Mit „Ma Petite Belle“ gelingt der Ausbruch aus der Sinnkrise und mithin ein fulminanter Titel, der die Marschrichtung des Albums absteckt, ein echter Killer-Song, in dem der Protagonist seinen Schmerz verarbeitet, um letztendlich wenigsten seine erste Liebe – die Musik – zurück zu gewinnen. Glücklicherweise gelingt dies und mit diesem Befreiungsschlag ist der Bann gebrochen.

Goldener Schuss“ ist somit quasi ein Konzeptalbum geworden, eine Aufarbeitung von Herzschmerz und persönlichen Erfahrungen, die um den Preis der Unbekümmertheit gemacht werden müssen, damit man als Persönlichkeit reifen kann. Schon der Opener „Introduktion“ („immer wieder Aufwachen, immer wieder Kotzen, weil es anderen noch viel schlechter geht als mir“) ist eine grandios ehrliche Nummer, die mehr ANTIHELD offenbart, als das gesamte Debüt es jemals vorhatte.

Aber auf „Goldener Schuss“ gibt es noch einen zweiten roten Faden, der mit „Präsidenten“ erstmals aufgenommen wird. Der Song thematisiert den in der Politik weltweit aufkeimenden Populismus, der vermeintliche Alternativen aufzeigt, die letztendlich zur Zerstörung des „letzten bisschens Liebe“ führen. Dieser Co-Konzeptansatz wird mit „99 Luftballons 2019“ fortgeführt, der Cover-Version des NENA-Klassikers, der um eine Strophe ergänzt wird, in welche die Flüchtlingskrise und die menschenverachtende Diskussion um Zuständigkeiten einfließt. Nach diesen, zusätzlichen Zeilen, klingelt die abschließende Originalstrophe, die die Welt in Trümmern liegend beschreibt, umso drastischer in den Ohren. Geniale Umsetzung!

Mit dem Titel-Track „Goldner Schuss“ wird dann der erste rote Faden wieder aufgenommen, der auch auf den pulsierenden Rockern „Herz“ und „VII“ richtig Laune macht, denn hier ist von der Weinerlichkeit, die Zeitgenossen der ANTIHELDen bräsig und ungeniessbar des Öfteren zur Schau stellen, nichts zu spüren, die Songs gehen hymnisch nach vorn und bleiben im Ohr.

„Nie Wieder Lieben“ ist jedoch das absolute Highlight der Scheibe, schonungslos ehrlich, eindringlich, fordernd, ein Song, den man nur im Stadium absoluten Herzschmerzes schreiben kann und der somit wieder einmal den Beweis für den Grundsatz: „The poet needs the pain“ liefert. Anspieltipp!

„Gott“, „Babylon“ und „Sonnenkind“ sind drei bärenstarke Nummern und insbesondere „Sonnenkind“ sollte hier nochmals ausführlicher gewürdigt werden. „Sonnenkind" ist ein Song, der einem viel zu früh verstorbenen Freund aus Opifantis Kindertagen gewidmet ist. Neben einer phänomenalen Gesangslinie, die sich nur unter Pianobegleitung zu einem weiteren Ohrwurm aufschwingt, fesselt der eindringliche Text, der eine Hommage an die gemeinsamen Zeiten ist, die für immer im Gedächtnis bleiben werdem.

FAZIT: ANTIHELD gelingt mit „Der Goldene Schuss“ der ganz große Wurf, der sprichwörtliche Blattschuss. Dieses Album ist das bei weitem stärkste Stück deutscher Rockmusik, das ich in den letzten Jahren gehört habe. Die ehemaligen Deutsch-Popper sind erwachsen geworden und schreiben sich auf eindrucksvolle Weise ihren Herz- und Weltschmerz von der Seele, ohne Fremdschämattacken zu provozieren. Das Ergebnis ist eindrucksvoll, beschwörend und ehrlich bis aufs Blut.

Stefan Haarmann - Stellv. Chefredakteur (Info) (Review 5020x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • Introduktion
  • Ma Petite Belle
  • Präsidenten
  • Goldener Schuss
  • Interlude I
  • Herz
  • Find What U Love
  • VII
  • Interlude II
  • Mach Mirn Kind
  • Interlude III
  • 99 Luftballons 2019
  • Nie Wieder Lieben
  • Gott
  • Babylon
  • Sonnenkind
  • Vollrausch (Akustik Version)
  • Ma Petite Belle (Akustik Version)
  • Mach Mirn Kind (Akustik Version)
  • Mama (Akustik Version)
  • Goldener Schuss (Akustik Version)

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