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Es war Mord: Tod im Garten (Review)
Artist: | Es war Mord |
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Album: | Tod im Garten |
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Medium: | 10"Vinyl | |
Stil: | Punk mit deutschen Texten |
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Label: | Sounds Of Subterrania! | |
Spieldauer: | 18:15 | |
Erschienen: | 21.12.2018 | |
Website: | [Link] |
Gibt es eigentlich etwas Bizarreres als am Heiligen Abend ein Album, das den Titel „Tod im Garten“ trägt und von der Band ES WAR MORD ist, zu besprechen?
Na ja, immerhin heißt diese wunderschön und aufwändig gestaltete 10“-Vinyl-Ausgabe ja nicht „Tod in der Krippe“ oder „Tod am Kreuz“, dann würde man unserer Seite vielleicht unter Berufung auf diese einfallsreiche deutschsprachige Qualitätstexte-Punk-Band gleich noch blasphemische Verschwörungstheorien unterstellen, weil wir das auf 666 (!!!) Exemplare limitierte Album, welches zu allem reizvollen Überfluss auch noch „einen Rückenaufnäher, der als Grabbeigabe fungiert,“ enthält, so richtig gut finden!
Auch finden wir den Sinn von ES WAR MORD für ihren pechschwarzen Humor voller Tiefgang und ihren Punk in schepperndem Moll samt dem rotzigen Sound großartig, der sich so erfrischend von all den musikalischen Arschgeigen absetzt, die glauben, dass es im Punk reicht, sich instrumentaltechnisch auf 3 schräg gespielte Akkorde zu beschränken und Schreigesang, bei dem man außer ein paar vulgären Wortfetzen keinen halbwegs verständlichen Satz verstehen kann. Dagegen sind ES WAR MORD auf „Tod im Garten“ mörderisch gut und bringen es textlich sogar auf eine fast philosophische Ebene, wenn sie, zwar auch nicht immer deutlich, aber durchaus verständlich singen: „Unter dem Strich stand immer ein Minus / Unter dem Strich war eine andere Welt / Unter dem Strich da singt die Suppe der Sirenen / Ein Lied das ihm nicht gefällt“ („Maler ohne Bilder“).
Und selbst wenn der kafkaesk-ungeziefrige Gregor Samsa, zugleich Label-Inhaber von Sounds Of Subterrania!, im Begleitschreiben zu „Tod im Garten“ feststellt, dass „ES WAR MORD in hellen Momenten an eine alleinstehende Wespe, die nach getaner Arbeit, leicht alkoholisiert von faulendem Obst in einer lauen Septembernacht um ein viel zu großes Problem schwirrt, intuitiv wissend, dass das alles nicht mehr lange dauern wird“, erinnert, so steht nach diesem Album das Opfer der musikalischen Mörder fest: nicht die alleinstehenden, alkoholisierten Wespen oder die gerade noch glücklichen Weihnachtsgänse, die durch den Garten watscheln, um morgen schon Tod darin zu liegen, damit sie als Gänsebraten in die Mund-Krematorien der traditionellen Weihnachtsfeinschmecker mit dem großen Hunger einfahren dürfen, sondern die sich kleinbürgerlichen Last-Christmas- und Alle-Zeit-Tralala-Mainstream hingebenden Zeitgenossen, die sich ihre digitalen Musikfriedhöfe auf den Festplatten ihres Smartphones einrichten.
Die können allesamt garantiert nichts mit ES WAR MORD anfangen, sondern...
Schon nach wenigen Hör-Sekunden kommen dem zensurerprobten Kritiker aus dem kleinen Ex-Land, das sich und seine sozialistische Marktwirtschaft samt stalinistischer Diktatur nach und nach selber verheizte, herrliche Erinnerungen an „die anderen bands“-Bewegung aus DDR-Zeiten, als das politische und musikalische Fass am Überlaufen war und solche Bands wie DIE SKEPTIKER, FEELING B, SANDOW oder MÜLLSTATION ihre wütende, textlich kompromisslose Kritik im puren (bis dahin eigentlich verbotenen, aber irgendwie doch geduldeten) Punk durch die Lautsprecher sangen und schrieen – oder wie‘s so schön in dem dokumentarischen Film zu dieser Bewegung heißt: „Flüstern und Schreien“.
Auch der Holzschnitt von dem in der DDR geborenen FRITZ EBELING, der das Einsteck-Papp-Cover der LP ziert, und die Kleinschreibung aller Wörter, die ja bekanntlich der in der DDR berühmteste Schriftsteller BERT BRECHT konsequent für sich in Anspruch nahm, stellen deutliche Bezüge zu dieser (DDR-)Zeit her.
Fast hat man den Eindruck, dass selbst der letzte, noch einmal knallhart zur Punk-Sache gehende Song „Die Empörten“ sich auf diese Zeit bezieht: „Hört hört die Empörten / Sie sitzen am Kochtopf / Sie haben keine Ahnung / Und sind immer im Recht / Und wenn sie rühren / Riecht alles verbrannt / Hört hört die Empörten / Das ist die Höhe / So geht‘s nicht mehr weiter / Jetzt ist alles verbrannt“ – Zack und aus, schon sind die 18 Punk-Minuten auf 10“er Vinyl vorbei und hinterlassen einen Kopf, in dem es brummt und rattert, in dem die Denkmaschine angeworfen und die Ohren neu justiert werden, denn ES WAR MORD schenken uns aus FAZITärer Sicht mit „Tod im Garten“ eine echte Killerscheibe im besten Sinne – egal, ob es sich um den Punk, die deutschen Texte oder die großartige Verpackung samt einfallsreicher Beigaben dreht!
Ach so, das hätten wir fast vergessen: „Frohe Weihnachten!“
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Seite A (7:38):
- Tod im Garten
- Maler ohne Bilder
- Ringcenter
- Seite B (10:37):
- 20 Meter
- Denen
- Reagenzglas
- Die Empörten
- Bass - Dietmar Jahr
- Gesang - Frank Stetefeld
- Gitarre - Joseph Ehrensberger, Tom Schwoll
- Schlagzeug - Marcus Möck
- Unter Kannibalen (2017) - 7/15 Punkten
- Tod im Garten (2018) - 12/15 Punkten
- Die Utopie der Kosmonauten (2022) - 12/15 Punkten
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