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Immanu El: Hibernation (Review)
Artist: | Immanu El |
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Album: | Hibernation |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Atmosphärischer Post-Rock und Folk-Pop |
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Label: | Glitterhouse Records / Indigo | |
Spieldauer: | 42:33 | |
Erschienen: | 25.11.2016 | |
Website: | [Link] |
Es besteht eine große Gefahr, wenn man nach der schwedischen Band im Netz sucht, ganz aus Versehen auf eine Porno-Film-Seite zu gelangen und etwas von der „Schule der Lust“ zu lesen. Doch wenn man es sich recht überlegt, so ist die Musik von IMMANU EL durchaus dazu geeignet, auch „Emmanuelle“ eine atmosphärische Erotik-Untermalung zu bescheren. Denn auf „Hibernation“ bestimmen die ruhigen Töne, welche im Grunde wahre Klangwelten sind, das Musik-Geschehen und bereits nach dem ersten Stück „Voices“ fühlt man sich inmitten eines Universums, das auch SIGUR RÓS und EFTERKLANG sowie EXPLOSIONS IN THE SKY bevölkern, gefangen. Musik, die wie das verträumt-romantische Vorspiel zu Emmanuelles sexuellen Höhepunkt klingt. Man kann sich in „Hibernation“ fallen und treiben lassen – und genießen!
Ach ja – in diesem Sinne ist es zugleich lohnenswert zu wissen, dass der Begriff „Immanu El“ hebräisch ist und für „Gott mit uns“ steht. Und der hat ja bekanntlich nicht ganz so viel mit Erotik an seinem Heiligenschein.
Allerdings werden diejenigen, die sich noch gut an die doch etwas härteren Post-Rock-Welten der vorhergehenden IMMANU EL-Alben erinnern, vielleicht ein wenig enttäuscht sein, wenn sie die „neu entdeckte Ruhe“ sowie die deutlich elektronischere Ausrichtung von IMMANU EL wahrnehmen.
Aber es gibt genug Gründe für diese Veränderung, die nicht nur gute sind. Wegen Ärger mit der Polizei in Göteborg, weil sie bei einem Konzert in Jahr 2012 ohne Genehmigung Alkohol ausgeschenkt hatten, mussten sie tatsächlich ihre geplante USA-Tournee absagen und sich mit Gerichten herumschlagen, bis sie am Ende vom obersten Gerichtshof einen Freispruch erhielten. Das alles fraß Zeit, Kraft und vor allem Geld, sodass die Musik fünf Jahr lang auf der Strecke bleiben musste und ihren drei hoch gelobten Alben „They‘ll Come, They Come“ (2007), „Moen“ (2009) und „In Passage“ (2011) nicht im Zweijahres-Rhythmus das vierte folgen konnte. Endlich aber ist es da – und „Hibernation“ setzt überzeugend die Tradition hochwertiger IMMANU EL-Alben fort!
Schon „Voices“ nimmt den Hörer mit seinen atmosphärischen, abgehobenen Space-Post-Rock-Klängen und dem bedrückenden Textkonzept gefangen. Der Song stellt zugleich das unmittelbare Bindeglied zum Vorgänger-Album her und untermalt ausgezeichnet die Stimmung des Textes, zu dem der Sänger folgendes erzählt: „Textlich handelt der Song von einem Freund von mir, dem im Traum Engel erschienen sind. Über Wochen hatte er immer wieder den selben Traum und die Engel sangen ihm im Schlaf etwas vor. Weil ihn diese Träume so mitnahmen, konnte er sich nicht auf sein Studium konzentrieren und musste schließlich die Engel bitten, ihn in Ruhe zu lassen... Keine Ahnung, ob er sich das ausgedacht hat, aber mich hat die Geschichte echt beeindruckt.“
Ganz ähnlich wie dieses Eröffnungsstück entwickelt sich auch das Album, was vielleicht zugleich der größte Kritikpunkt ist. Stimmungsschwankungen sind eher die Seltenheit – das Getragene, manchmal Bedrückende dominiert die knappe Musik-Dreiviertelstunde hinter „Hibernation“. Zugleich drückt sie eben die Stimmung aus, unter der das Album entstand. „Der Rechtsstreit war ein Energie-Blutsauger“, stellt der Sänger weiterhin fest: „Wir fühlten uns wie gelähmt und es war gar nicht daran zu denken, neu Musik zu schreiben. Die letzten Alben hatten wir jeweils in ein paar Tagen live eingespielt. Für neue Songs wäre das nicht der richtige Weg gewesen.“ Also wurde erstmals mit einem Produzenten – dem Grammy-nominierten Jonathan Johansson – das Album in einem langen Prozess ausgearbeitet. So bekam es zugleich etwas mehr Pop-Elemente, die das Post-Rockige zurückdrängten, die Elektronik erhielt einen höheren Stellenwert, aber auch die Texte wurden deutlich wichtiger, weil sie eine „Trotzreaktion auf das, was uns in den letzten Jahren aufgehalten hat“ sein sollten.
Und die investierte Zeit, der größere Aufwand, das Geld, welches sich die Band auch über eine Crowdfunding-Kampagne organisierte, haben sich gelohnt, denn „Hibernation“ ist ein ideales Stück Musik für alle Freunde von SIGUR RÓS oder ARSTIDIR und das isländische Musikgefühl geworden, welches so einzigartig ist, wobei man verblüfft sein muss, dass die Musik einer schwedischen Band so ähnlich und doch so anders klingen kann. Und noch dazu greifen die Texte auch unbequeme Themen auf, was besonders im poppigsten Song des Albums am radikalsten geschieht – ein Song, der unsere permanente Unzufriedenheit kritisiert, weil wir von Gier und Machtgelüsten getrieben sind: „When we have fought our wars / & we lay down our heads / After all my struggle / Where my journey ends.“
FAZIT: Mit diesen recht pessimistischen Worten endet zugleich die Review zu „Hibernation“ von IMMANU EL – einem isländisch klingenden Album von einer Band aus Schweden - das so viel ruhige Atmosphäre verbreitet, als wäre es höchste Zeit für eine musikalische Hypnose-Stunde in punkto Stressbewältigung, ohne dabei den Blick für die unangenehmen Seiten des Daseins auszublenden.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Voices
- Winter Solstice
- MT
- Omega
- Dvala
- Hours
- Completorium
- Empty Hands
- Bass - Robin Ausberg
- Gesang - Claes Strängberg
- Gitarre - Claes Strängberg, Per Strängberg, David Lillberg
- Keys - David Lillberg
- Schlagzeug - Jonatan Josefsson
- Hibernation (2016) - 11/15 Punkten
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