Plektrum-Verächter hergehört: Der Flatpicker EWAN DOBSON rührt auf seiner vierten offiziellen Label-Veröffentlichung (weitere vier Alben hat er auf eigene Faust unters Volk gebracht) in vielen stilistischen Töpfen, ohne Plastik an seine Akustikgitarren-Saiten zu lassen. Neben eigenen Kompositionen zitiert der Kanadier obendrein allerlei Musikerkollegen beziehungsweise die sonischen Ergüsse der Popkultur.

Der Titel der Scheibe ist insofern sinnvoll, als Dobsons eigener Stil von typischen Metal-Harmoniegitarren ("Friendly Science", "Flight Of The Escapist") sowie generell der Dringlichkeit geprägt wurde, welche die besten Vertreter des Genres hervorkehren. Da es sich bei "Acoustic Metal" um eine Einmann-Show handelt, hat sich der Protagonist natürlich per Multitracking gedoppelt und verdreifacht, unterstützt ausschließlich durch einen fabelhaften Drummer, mit dem er abseits des stählernen Genres auch im Bluegrass, Folk ("Friendly Science" könnte genauso wie der Quasi-Hummelflug "The End Of Face" vom Balkan stammen) und sogar Techno wildert.

Das Ergebnis lässt eine unverstärkte Version von SPASTIK INK vorstellen (höre das hibbelige "Sleep Paralysis"), ist aber manchmal auch sehr stimmungsvoll, beispielsweise während des aufgrund seiner Melodie sehr eingängigen "Moving On".
Dobson zeigt sich stets virtuos, aber auch in bisweilen sehr kurzen Stücken ("Carnival Of Forsaken Children" tänzelt unter zwei Minuten) kompositorisch ausgereift. Rhythmisch beeindruckend tight sitzen die Arrangements ebenfalls, vor allem in "Carnival Of Forsaken Children", das vermutlich jede durchschnittliche Metalcore-Band gerne komponiert hätte.

Stellen die beiden düsteren "Evolution Of Frustration"-Teile das Highlight der ersten CD dar, kommt die zweite Scheibe ohne Schlagzeug aus flicht weitere Coversongs ein. Hier sticht nicht einmal John Carpenters "Halloween"-Thema hervor, sondern das Doppel von IN FLAMES, deren Hochphase hier noch einmal anklingt und wehmütig stimmt. Verblüffenderweise schafft es Dobson, den unsäglichen Eurodance "What Is Love" als wunderschön melodisches Stück zu entlarven, das entsprechend umgemodelt durchaus Substanz besitzt, und diverse "Krieg der Sterne"-Motive zu einem folkloristischen Ganzen zu verweben. Mit "Higher" zeigt sich der Gitarrist zwar erwartbar von Jason Becker beeinflusst, hat jedoch eines der melancholischen Stücke des tragischen Sixstring-Helden gewählt.

Geschmack beweist Dobson sowieso - abgesehen vom Cover des Doppel-Digipacks - und hat mit "Time 2", das man sich auf den einschlägigen Kanälen antun kann, nicht nur hierzulande die iTunes-Charts angeführt. "Acoustic Metal" haftet vor diesem Hintergrund aber überhaupt nichts Reißerisches an; vielmehr handelt es sich um eine wenn auch umfassende, so doch sehr kompakt anmutende und herzliche Akustikgitarren-Platte nicht nur für Musiker.

FAZIT: EWAN DOBSON zeigt sich als wandelbarer Sechssaiter ohne Verstärker, der dennoch phon- wie ausdrucksstarke Musik spielt. Seine Coversongs unterhalten vordergründig und verhehlen das fabelhafte Handwerk dahinter, während die selbst geschriebenen Stücke von beeindruckendem Songwriting Gespür und der notwendigen Emotionalität zeugen. In dieser Form - mit Feeling - bereitet vermeintliche Showoff-Mucke tatsächlich Freude.