Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Gösta Berlings Saga: Tid Är Ljud (Review)

Artist:

Gösta Berlings Saga

Gösta Berlings Saga: Tid Är Ljud
Album:

Tid Är Ljud

Medium: CD
Stil:

Instrumentaler Progressive Rock

Label: Transubstans Records / Just For Kicks
Spieldauer: 55:37
Erschienen: 2006
Website: [Link]

„Seit Jahr und Tag sind hier die Riesenbienen der Fantasie um uns herum geschwebt, aber wie sie in den Bienenkorb der Wirklichkeit kommen, darum müssen sie sich wahrlich ganz alleine kümmern

Dreht der Typ, der diese CD bespricht, nun völlig durch? Es reicht doch schon, dass irgend ´ne Band aus dem Land der (musikalischen) Blumen-Könige solch „bekloppten“ Namen hat, den man sich kaum merken kann. Aber der Besprechung auch noch ein seltsames Zitat von „Riesenbienen der Fantasie“ und „Bienenkorb der Wirklichkeit“ voranzustellen, ist doch endgültig gaga-gaga, oder?
Vielleicht nicht ganz, weil:

„GÖSTA BERLINGS SAGA“ ist ein Roman der schwedischen Schriftstellerin Selma Lagerlöf, ihr Erstlingswerk (erschienen 1891 – kein Tipp-Fehler), das sich um den wegen Trunksucht abgesetzten Pfarrer Gösta Berling dreht, der sich als versoffener Penner erst das Leben nehmen will, bald aber von einer hübschen, adligen Frau bekehrt wird, um dann auf Ekeby als Anführer der Kavaliere als geläuterter Mensch gute Taten zu vollbringen.

Und GÖSTA BERLINGS SAGA ist nunmehr seit dem Jahre 2006 auch eine schwedische Band, die mit ihrem Debut-Album „Tid Är Ljud“ ein instrumentales Konzeptalbum auf kunstvolle Art und Weise geschaffen haben, welches sich um seltsame Wesen dreht, die aus dem Aufeinandertreffen von Städten und der Natur entstehen – also in gewisser Weise moderne Zwitter - die mal in die eine, mal in die andere Richtung abdriften, ganz ähnlich wie Gösta Berling. „Riesenbienen der Fantasie“ eben, die sich im „Bienenkorb der Wirklichkeit“ einzurichten versuchen.
Aber wie sieht denn nun die klingende Wirklichkeit der musizierenden Pfarrer-Nachfolger aus – eine Frage, die ohne weiteres mit dem nächsten Zitat aus dem literarischen Original beantwortet werden kann: „O, Kinder späterer Zeiten! Ich habe euch nichts Neues zu erzählen, nur das, was alt und fast vergessen ist. Sagen habe ich … wo die Knechte […] sich unterhielten, während der Dunst aus ihrer feuchten Kleidung drang und während sie Messer aus der um den Hals gehängten Lederscheide zogen, um Butter auf dickes, weiches Brot zu schmieren, oder von Sälen, wo alte Herren in wiegenden Schaukelstühlen saßen und, belebt vom dampfenden Punsch, von vergangenen Zeiten sprachen.“

Es geht um die Vergangenheit, die gute alte Musik-Vergangenheit, die man wieder heraufbeschwören will, ohne sich den von so vielen Kritikern immer wieder gleichen Vorwurf des Plagiatierens machen lassen zu müssen, aber trotzdem an die wundervollen Zeiten erinnern will. Und das geht! Man muss sich nur nach einem uralten Literatur-Schinken aus dem 19. Jahrhundert benennen und in Skandinavien leben – schon scheinen einem die künstlerischen Ideen aus der Kreativ-Abteilung nur so zuzufliegen, um sich als kleine Kunstwerke mit einer Laufzeit zwischen 7 und 10 Minuten zu entfalten, zu erheben, davonzuflattern und trotzdem immer wieder in der Gegenwart anzukommen.

Damit man aber nicht völlig neu klingt, baut man auch ein paar Musik-Stolpersteine ein, die den Hörer ständig vor die Aufgabe stellen, darüber nachzugrübeln, aus welchem Album und von welcher Band er wohl die kurzen Titel-„Einschübe“ kennen könnte. Nehmen wir also gleich die anderthalb Minuten des Eröffnungstitels – die CD wird eingelegt, die Play-Taste gedrückt, die ersten Töne erklingen und schon denkt man, eine falsche CD aus seiner eigenen Sammlung mit progressiven Rock-Perlen aufgelegt zu haben. Das ist doch eindeutig der Anfang von „And You And I“ von YES – na, allerhöchste Zeit, endlich mal wieder „Close To The Edge“ zu hören! Aber nein! Die Herren Lundberg, Danielsson, Hermansson & Skepp machen sich über uns, die kritisch-progressive Hörerschar, lustig und rufen uns zu: „Veraaaaarscht!“, eigentlich können wir ja auch wie CAMEL klingen und die dürfen sich vom PURPURROTEN KÖNIG den Höcker stutzen lassen, während der SANFTE GIGANT wundervolle ANEKDOTEN erzählt.

Nur diese Band erzählt eben die Anekdoten nicht, indem sie bereits Bekanntes abschreibt … sie fügt völlig neue Kapitel hinzu, die eine ganz ähnliche Faszination wie die „alten“ Episoden haben. Und um nicht Gefahr zu laufen, durch stark akzentuierten Gesang der Musik ihre wundervolle Wirkung zu nehmen, verzichtet man gleich komplett darauf, außer dass man im Titel zwei einfach rückwärts eine Stimme sampelt. Und ich würde (Dudel-)Sack und Flöte verwetten, wenn das nicht ein Auszug aus der Sage um Gösta Berling ist, vielleicht sogar dieses Zitat: „Mit Donner und Lärm brauste die wilde Jagd des Abenteuers rund um den langen Löven-See. Aus weiter Entfernung hörte man ihr Getöse. Der Wald gab nach und fiel, alle Mächte der Zerstörung kamen los. Das Feuer loderte, Überschwemmungen verwüsteten das Land und wilde Tiere strichen hungrig um die Höfe.“ – weil es einfach so fantastisch zum Konzept und der Stimmung des Albums passt.

Ebenso fantastisch passt zu diesem Album die besondere Rolle der Gitarre, die nur selten als Rhythmusinstrument verstanden wird, sondern durch ihre filigrane, immer wieder unterschiedliche Spielweise eine zusätzliche Rolle übernimmt, nämlich die der fehlenden Stimme. Beim 2. Titel „Syrenernas Sang“ (Ich vermute mal, dass dies „Der Gesang der Sirenen“ heißt!) singt die Gitarre tatsächlich … mal verführerisch, mal traurig, mal fordernd. Wer jemals das faszinierende Album „Der weiße Planet“ von der ungarischen Band FERMATA gehört hat, die auf ihrer Scheibe mit „Magellan“ und „Columbus“ das Leben von Seefahrern vertont haben, weiß, wie präzise man auch rein instrumental ähnliche Stimmungen verarbeiten kann. Diese musikalische Perfektion von Fermata, die sich zwischen Jazz und (Progressive) Rock bewegt, erkenne ich ebenso auf dem Album der Schweden.

Aber natürlich endet das Album dann ganz ähnlich wie es begann: mit einem Musik-Zitat, das den weisen Hörer bestimmt dazu bringt, seine KING CRIMSON Sammlung nach genau dieser Stelle zu durchforsten – viel Spaß wünsche ich jetzt schon dabei!

FAZIT: Hier kommt nicht mein Fazit, sondern der letzte Satz auf der Kritiker-Info zu diesem Album – aber ich stimme dieser Aussage tatsächlich und uneingeschränkt zu! „GBS ist wahrhaft ein verborgenes Juwel – und ihr Album ist ein Muss für alle Freunde von progressivem und verspieltem Rock.“ Dem gibt´s nichts hinzuzufügen, außer: Gösta Berling wird ab sofort nicht mehr nur als besoffener Pfarrer die kulturell interessierte und offene Menschheit begeistern, sondern bald wohl auch als schwedische Band!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 3633x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Helgamarktz
  • Syrenernas Sang
  • Aniarasviten
  • Ljud Fran Stan
  • Tog Du Med Dig Naturen?
  • Knölsvanen
  • Svarta Hal Och Elljusspar

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Was legt ein Huhn?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!