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Interview mit VANHELGD (13.10.2018)
Nur zwei Jahre nach dem Trophäen wie z.B. "Album des Jahres" (im schwedischen Close-Up Magazin) sammelnden Album "Temple Of Phobos" melden sich VANHELGD mit "Deimos Sanktuarium" zurück. Dieses Tempo der Schweden überrascht angesichts der anderen Projekte der Musiker bzw. Künstler. Frontdeibel Mattias Frisk (Geröchel, Gitarre) kann sich aktuell sicher nicht über mangelndes Interesse an seinen Kreationen beschweren, und auch Bassist Jonas Albrektsson und Schlagzeuger Mathias Westman treiben mit King of Asgard ihr Unwesen, der Trommler zudem noch bei Throne of Heresy. Umso erfreulicher gerät die Feststellung, dass es sich bei "Deimos Sanktuarium" um einen ziemlich großen Schritt vorwärts handelt, und VANHELGD anno 2018 mitunter fast schon sakral klingen. Jonas und Mattias nahmen sich Zeit für ein Interview, in welchem sie auch ein wenig Lobhudelei über sich ergehen lassen mussten.
Hallo! Lasst uns in dieses Interview der Form halber mit einer ebenso auf der Hand liegenden wie blöden Frage einsteigen, die Euch angesichts des mitunter überraschenden Erfolgs von "Temple Of Phobos" sicher häufiger gestellt wird: Hat bei der Arbeit am Nachfolger Druck auf Euch gelastet, nachdem VANHELGD sogar in recht großen Metal-Magazinen abgefeiert wurden?
Jonas: Hey! Nein, das können wir im Rückblick kaum bestätigen. Natürlich kam dieses Gefühl zunächst auf, als wir uns an die ersten Schritte für "Deimos Sanktuarium" heranwagten, denn "Temple Of Phobos" hatte wirklich ganz schön viel Staub aufgewirbelt. Doch bereits nach kurzer Zeit fühlte sich für uns alles so wie immer an, und wir haben an unserer Vorgehensweise nichts geändert und eben die Musik geschrieben, die uns etwas bedeutet und hinter der wir stehen können. Wir haben uns von der Musik selbst leiten lassen. Ich schätze, dass VANHELGD eher dafür sorgt, dass sich dein Magen umdreht, oder dich zumindest ein Unbehagen überkommt, als dass unsere Musik irgendwie gefällig klingt. Wie ein Kloß im Hals, der deine Unruhe noch steigert, oder eine Leere in deiner ohnehin abwesenden Seele. Eine ziemlich unangenehme Präsenz.
"Deimos..." greift Schlüsselelemente Eures letzten Albums sowohl auf musikalischer wie textlicher Ebene auf, so dasswir wahrscheinlich von einem Paradebeispiel "natürlicher Weiterentwicklung" ausgehen können?
Jonas: Ja, darum handelt es sich wahrscheinlich. Und es gibt auch kaum mehr dazu zu sagen, denn das geschieht nun mal, wenn man eben nicht beginnt, Musik mit einer bereits bekannten Zielvorstellung zu schreiben. Es sind dieselben Elemente, jedoch in neuer Anordnung. Allerdings haben wir uns gerade bei diesem Album besonders viel Mühe gegeben, und dann noch mal mehr mit den Texten, insofern macht der Begriff "Weiterentwicklung" wirklich Sinn.
Wenn es so etwas wie ein perfekte Balance zwischen Traditionsbewusstsein und Weiterentwicklung gäbe, dann käme "Deimos Sanktuarium" derselben beängstigend nahe. Einerseits sind die bekannten Charakteristika omnipräsent, während Ihr mit dem Mantra-ähnlichen "Profaned Is The Blood Of The Covenant" und dem epischen "The Silent Observer" den herkömmlichen Death Metal zugunsten von Intensität und Atmosphäre transzendiert. Wie haben diese Kompositionen ihre Form gefunden?
Mattias: "The Silent Observer" war der erste Song, den wir für das neue Album schrieben. Ich glaube, er entstand, als unser Schlagzeuger Westman im Herbst 2016 neu zur Band stieß. Zügig hatte sich die Struktur ergeben, und auch die Stimmung des Songs war klar, doch irgendwie hatten wir Schwierigkeiten mit dem Beginn des Stücks: Es kam nicht so recht ins Rollen. Aus unserer Sicht handelt es sich auch mitnichten um ein untypisches VANHELGD-Stück: Im Gegenteil, es ähnelt z.B. "Rejoice In Apathy", "Where All Flesh Is Soil" oder "The Final Storm". Im Gegensatz dazu handelt es sich bei "Profaned Is The Blood Of The Covenant" um ein ziemlich anspruchsvolles konzeptionelles Stück, welches sich nicht gleich für die gesamte Band erschlossen hat; ich hatte damit sogar fast schon abgeschlossen, bevor wir es überhaupt einmal während der Probe gespielt hatten. In den meisten Fällen kommen Jimmy oder ich mit Riffs um die Ecke, die wir einfach an einem Donnerstagabend ausprobieren wollen. Doch in diesem Fall hatte ich bereits eine Vorstellung und ein Konzept in meinem Oberstübchen: Etwas Mantra-haftes, wie du sagst, wobei das Schlagzeug mit primitiven Rhythmen startet, die sich nicht an den Gitarren orientieren. Der Text ist zumindest teilweise von einem Buch beeinflusst, das der Kunsthistoriker T.J. Clark über zwei Gemälde von Poussin geschrieben hat. Er wurde so oft umgeschrieben, dass es mir schwer fällt, zu erinnern, welche Version es schlussendlich auf das Album geschafft hat. Als wir die Arbeit an diesem Stück aufnahmen, konnten wir uns kaum vorstellen, wie es einst klingen würde...
Jonas: Wir arbeiten sehr intensiv an den Songs und praktisch jedes kleine Detail durchläuft verschiedene Variationen. Wir beenden nicht einfach ein Kapitel, wenn nicht wirklich jeder von uns damit zufrieden ist und sich eine gewisse Atmosphäre eingestellt hat. Wahrscheinlich ist es uns deshalb gelungen, einen wahrlich eigenen Sound zu entwickeln. Es geht uns gar nicht darum, irgendwie innovativ zu klingen, sondern es reicht, dass man uns wiedererkennt.
Vielleicht bin ich zu viel Fan und nicht kritisch genug, doch ich finde, dass Du, Mattias, Dir ein Riesenkompliment für Deinen Gesang verdient hast, der durchgängig sehr verständlich und nichtsdestotrotz moderig klingt, was ein echtes Hörvergnügen darstellt. Die Wiederholung der Frage "What am I but the voice of the void?" scheint Gefühle jenseits des Sagbaren zu reflektieren, fast so, als würden die Worte von einem Priester erbrochen, der endlich erkannt hat, dass es keinen Gott gibt. Vielleicht kannst Du da etwas Licht ins Dunkel bringen?
Mattias: "Deimos Sanktuarium" handelt in erster Linie von Zurückweisung, Erniedrigung und Rebellion. "Profaned Is The Blood Of The Covenant" beruht zum Einen auf mythologischen Formen, zum Anderen handelt es sich um einen Schnappschuss der heutigen Welt. Doch ich bin nicht davon angetan, Texte näher zu erläutern, denn das würde die Pforten der Interpretation verschließen, und somit die Möglichkeiten der Hörer, den Liedern etwas Persönliches zu entnehmen.
Musik ist im Übrigen eine Wesenheit, die sich aus Instrumenten, Klängen, Stimmungen, Rhythmen, Produktion, Texten und dem Gesamtzusammenhang speist. Die Summe all dieser Teile, der Ausdruck, die Erwartung und der Eindruck können nicht ausschließlich auf schriftliche oder gesprochene Sprache heruntergebrochen werden. Ich schätze, das gilt für alle Kunstformen. Wenn wir Songtexten einen anderen Namen geben sollten, dann kämen sie wohl der Dichtung recht nahe. Und gerade Dichtung kann nun mal nicht rein logisch erklärt werden, ohne dass sie nicht etwas ganz Substantielles verlöre. Um etwas bis ins letzte Detail zu studieren, musst du es oft töten. Doch wenn du es tötest, dann verliert es sein Bewusstsein, seine Seele, oder welches Wort man dafür auch immer finden mag. Übrig bleibt die Architektur des Körpers, der emotionalen, lebendigen Aspekte verlustig.
Der Songtitel "Så Förgås Världens Härlighet" lässt sich leicht ins Deutsche übertragen und hat somit bereits beim ersten Lesen einige starke Bilder hervorgerufen. Die Musik klingt wie eine "Best Of" schwedischen Death Metals, in welcher die dunkle Wirrnis der frühen Afflicted auf die Durchschlagskraft von Throne of Heresy trifft, deren Drummer nun bei Euch spielt. In Reviews zu Eurem letzten Albums war relativ oft zu lesen, dass Ihr es Anhängern schwedischen Death Metals leicht macht, in Eure Lieder einzutauchen. Denkt Ihr über so etwas überhaupt nach, und beeinflusst das auch Deine Entscheidung, viel auf Schwedisch zu singen?
Mattias: Das hat schlichtweg damit zu tun, dass sich meine Muttersprache am Besten eignet, das zum Ausdruck zu bringen, was ich transportieren möchte. Doch bei jedem Song hängt es davon ab, was in diesem bestimmten Fall am Besten passt. Es ist eine Bauchentscheidung.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir in punkto Eingängigkeit zustimmen möchte, denn so einfach ist das gar nicht: Wir klingen nun mal nicht wie die meisten Bands, die einem beim Stichwort "schwedischer Death Metal" in den Sinn kommen, also z.B. Entombed, Dismember, Grave... Wenn man jedoch einen Blick hinter diese Frontreihe wirft, dann entdeckt man in der Tat eine Menge Bands, von denen wir inspiriert werden. Doch wir dürfen keinesfalls Bands wie Samael, Paradise Lost, My Dying Bride, Bolt Thrower, Morgoth, Asphyx und Obituary vergessen. Und wir hören auch eine Menge neuer Bands, welche die Szene in einer Art und Weise bereichern, wie wir es uns vor zehn Jahren nicht ausgemalt hätten...
Jonas: Wir haben unseren Zugang über all die Jahre erweitert, anstatt einzig und allein am schwedischen Death Metal festzuhalten, dennoch handelt es sich unzweifelhaft um unsere Grundfeste, die in den verschiedenen Songs mehr oder weniger offen zum Vorschein kommt. Hier und dort treten Einflüsse aus dem Doom- oder Black Metal in den Vordergrund, doch natürlich werden wir vor allem als schwedischer Death Metal wahrgenommen. Das ist für uns kein Problem, solange nicht dadurch ein komplett falscher Eindruck entsteht.
Fühlt Ihr Euch als Vertreter bestimmter Traditionen, oder zumindest gewisser traditionaler Qualitäten des schwedischen Death Metal?
Mattias: Nein, das würde ich als anmaßend erachten. Es handelt sich bei uns um eine Horde von Death Metal Fans, die den Drang haben, sich Gehör zu verschaffen. Es ist nun mal einfach so, dass wir mit schwedischem Death Metal aufgewachsen sind, und neben einigem anderen hat uns das geprägt. Doch wir empfinden uns nicht als eine Band, die sich explizit dem schwedischen Death Metal verschrieben hat.
Jonas: Wir tragen das Banner des Death Metal und sind natürlich stolz auf das schwedische Vermächtnis, von dem wir durch unsere jahrelange Aktivität selbst einen Teil bilden. Somit sind wir natürlich auch Vertreter dieses Genres, doch wir brechen immer mal wieder mit den Traditionen, hehe.
Als Kind der Siebziger & Achtziger schätze ich solche Cover-Kunstwerke, welche bereits beim ersten Anblick etwas von der Stimmung der Musik ausstrahlen. Mattias, es scheint, als hättest Du für die VANHELGD-Alben Deinen Stil gefunden: Der weiße Rahmen und der Schriftsatz erinnern an Klassik-Alben, was wiederum auf die Gesamterscheinung abfärbt. Wenn ich mir das zentrale Bild anschaue, dann frage ich mich, wie viel Besessenheit und Verrücktheit es braucht, um so etwas zustande zu bringen? Kannst Du beim Malen Deine Pinsel beiseite legen, oder gibt es da auch "points of no return"?
Mattias: Es ist mit der Malerei seltsam: Einerseits ist es extrem schwer, diese Kunst zur Meisterschaft zu bringen, und andererseits ist es eine ganz einfache Angelegenheit: Du pinselst Farbe auf eine Leinwand und schon entsteht ein Bild. In den meisten Fällen wird es schlecht oder sogar richtig übel, manchmal auch besser. In den vergangenen 20 Jahren habe ich jeden Tag mindestens acht Stunden damit zugebracht, zu malen, zu zeichnen oder mich mit Bildern, Graphic Design oder Kunstgeschichte zu beschäftigen. Ich habe mir Disziplin und Strukturen angeeignet und ich kann meine Kreativität jederzeit einschalten. Für die meisten Menschen lohnt es sich nicht, auf verrückte Einfälle oder Inspiration zu warten, wenn Kunst für sie ein Vollzeitjob ist.
Ihr habt kürzlich auf dem Eistnaflug-Festival in Island gespielt, und ich kann mir ausmalen, dass dieser Trip inspirierende Momente mit sich brachte... Was haltet Ihr von so einem ziemlich bunt gemischten Line-Up, welches nicht nur aus knallharten Bands besteht?
Jonas: Wir waren leider nur einen Tag lang auf dem Festival, haben jedoch den Rest unseres Aufenthalts draußen in diesen unglaublichen Landschaften verbracht, was absolut fantastisch und inspirierend war. Ich selbst erlebe solche Festivals eher mit gemischten Gefühlen, doch in diesem Fall denke ich, dass es wichtig ist, ein größeres Publikum anzusprechen. Es ist schon cool, dass sich große und kleine Bands ganz unterschiedlicher Stilrichtungen die Klinke in die Hand drücken und das alles so funktioniert. Und überhaupt, die ganze Organisation war perfekt!
Was war der bislang dümmste Kommentar, den Ihr über VANHELGD zu hören bekommen habt?
Jonas: Keine Ahnung... mir fällt nur ein, dass jemand namens Jumpfart666 auf Youtube unsere Musik kommentierte mit: "Klingt wie Pestilence mit Down-Syndrom." Das sind schon bemerkenswerte Worte, wobei ich nicht weiß, ob sie positiv oder negativ gemeint sind.
Als stiller Beobachter der Metal-Unterwelt gehe ich davon aus, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis relativ große Labels bei Euch anklopfen, doch bei Euch bin ich mir sicher, dass Euch nichts dazu bringen wird, auszuwimpen, sondern dass Ihr Euch weiter in die Dunkelheit stürzen werdet. Danke also für Eure Zeit und hoffentlich verbreitet Ihr bald mal dunkle Klänge in der Nähe!
Jonas: The dead shall drink your tears... Wir verbeugen uns und danken für die Unterstützung der VANHELGD'schen Seuche.