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Interview mit GRÀB (21.12.2024)

GRÀB

"Kremess" bedeutet so viel "Leichenschmaus", und unter diesem Titel erscheint am 21. Februar 2025 das zweite Album des bayerischen Black-Metal-Projekts GRÀB, das nach seinem superben Einstand mit "Zeitlang" langsam, aber sicher zu einer Band zu werden scheint. Eine Entwicklung, die für GRÀB-Gründer Grànt / Matthias kaum abzusehen war, als vor einigen Jahren die Frage auftauchte, ob sich einige persönliche Texte und Gedichte auch musikalisch umsetzen ließen…

Grüß Dich Matthias! In welchem Zusammenhang unabhängig von Deiner Band hast Du zuletzt so etwas gedacht wie "das ist verdammt gràb"?

Als ich in den Spiegel geschaut habe…

Nachdem Du über einige Jahre das Ziel verfolgt hattest, das Album "Zeitlang" zu verwirklichen und alles Weitere zunächst hintanstand, hast Du GRÀB vor einem Jahr beim Prophecy Fest in der Balver Höhle erstmals auf die Bühne gebracht, und kürzlich habt Ihr Euer zweites Konzert beim House of the Holy auf der Neudegg Alm "gspuit". Beide Male dabei war Dan Capp, der als Gitarrist mit Dir mittlerweile das Kernduo von GRÀB bildet, während Markus Stock derweil mehr als "nur" ein Gastmusiker im Live-Line-Up zu sein scheint, und auch Schlagzeuger Seb macht auf mich einen zuverlässigen Eindruck. Täusche ich mich, oder nimmt GRÀB auf eine Art und Weise Gestalt an, mit der Du anfangs nicht unbedingt rechnen konntest, die Dir jedoch künstlerisch und menschlich gut in den Kram passt?

Generell hat das Ganze eine Dynamik entwickelt, die ich so gar nicht auf dem Zettel hatte. Ich hatte ja die Texte bzw. Gedichte erst nur für mich geschrieben. Das mache ich hin und wieder mal, um persönliche Dinge zu verarbeiten. Erst dann entstand die Idee, diese Texte für Musik zu verwenden – das dürfte dann auch wohl die Geburtsstunde von GRÀB gewesen sein. Und auch danach hat irgendwie alles einen für mich so nicht geplanten Lauf genommen. Ich hatte nicht geplant, nochmal auf einer Bühne zu stehen, weil ich damals mit Dark Fortress ständig unterwegs war und gefühlt nur noch Konzerte gespielt habe. Ich hatte für mich also damit abgeschlossen. Dann ließ ich mich von Martin Koller umstimmen und hatte für mich entschieden, nur dieses eine Konzert zu spielen. Unmittelbar nach dem Konzert kam dann aber die Anregung von Markus Stock, doch ein paar Konzerte mehr zu spielen. Er meinte, dass es so viel Arbeit gewesen sei, sich die ganzen "Zeitlang"-Songs draufzupacken, dass es in keinem Verhältnis stehen würde, all das für nur ein Konzert gemacht zu haben. Also einigten wir uns darauf, zumindest offen für einige wenige, weitere Konzerte zu sein, aber eben nicht immer und überall zu spielen, nur um "bekannter" zu werden. Das war nie meine Intention und das interessiert mich auch nicht. Mir ist wichtiger, dass ein GRÀB-Konzert sowohl für uns als auch für die Zuschauer immer etwas Besonderes bleibt und sich da keine Routine einstellt. Und ja, dann ist es auch für mich ein gutes Gefühl, mir die Bühne mit Freunden und verdammt guten Musikern zu teilen, auf die ich mich jederzeit verlassen kann.

Obwohl Dan u.a. bei Winterfylleth gezeigt hat, dass ihm Natur-inspirierter  Black Metal im Blut liegt,  ließen die entsprechenden Kommentare nicht lange auf sich warten, als bekannt wurde, dass er – oh my goodness, als Engländer! – ab sofort die Musik für GRÀB als bayerische Black-Metal-Band schreiben wird. Dass Du ihm bei Gelegenheit bayerisches Bier einschenken wirst, daran habe ich nicht den leisesten Zweifel, doch konntest Du ihm auch bereits ein wenig von jenem Teil Deiner Heimat zeigen, der für GRÀB wesentlich ist?

So etwas in der Art ist mir auch zu Ohren gekommen. Da merkt man halt, dass diese Leute null verstanden haben, was GRÀB ist. Ich habe immer betont, dass das Fundament von GRÀB Black Metal im Stil der 90er ist – und das kann jemand komponieren, der wie auf "Zeitlang" aus Augsburg kommt, aber auch ein Engländer. Da geht es einfach nur um das alte Feeling und das trifft er perfekt, so viel sei vorab verraten. Erst, wenn dieses Fundament steht, machen wir unser ureigenes bayerisches Gebräu daraus, indem die Mundart-Gedichte auf bairisch von mir dazukommen, mein markanter Gesang und ganz wichtig: das Hackbrett. Bislang konnte ich Dan noch nicht allzu viel von Bayern zeigen, aber ich habe ihm immerhin schon ein bisserl bairisch gelernt. Den Satz "Dà ganze Bua a Depp!" beherrscht er schon perfekt – und damit kommt man in Bayern ja schon auch recht weit…

Über welche Vorstellungen und Ideen hast Du mit Dan gesprochen, bevor er sich daran gemacht hat, Musik für GRÀB zu schreiben?

Eben genau über meine Vision von GRÀB – 90er Black Metal mit unserer eigenen Note. Dazu eine eindringliche atmosphärische Dichte, die mich mit auf eine Reise nehmen muss, damit ich durch die Musik in die Gefühlswelt meiner Gedichte eintauchen und es authentisch transportieren kann. Ich muss mich in meinen Songs komplett fallen lassen können.
Ich habe im Laufe des Songwriting-Prozesses bei ihm schon eine Entwicklung bemerkt. Nach ein paar Monaten sagte er plötzlich zu mir: "Ich verstehe GRÀB immer besser, das Bild wird immer klarer für mich." Und ich bin überzeugt, dass man das auf unserem kommenden Album auch hören wird. Natürlich braucht niemand ein "Zeitlang 2.0" erwarten. "Zeitlang" ist eine in sich abgeschlossene Geschichte und ich würde nie versuchen, ein- und dasselbe Album zu klonen. Das würde "Zeitlang" nur schmälern und wäre auch sonst zum Scheitern verurteilt. Davon abgesehen, bringt ein anderer Songwriter natürlich immer auch ganz klar seine ganz eigene Handschrift mit ein. Trotzdem wird das neue Album typisch GRÀB sein, weil unser Stil in dieser Art einfach einzigartig ist.

Auf "Zeitlang" setzten einige Gastmusiker starke atmosphärische Akzente. Wird es auf dem zweiten Album ähnliche Gastbeiträge geben?

Ja, das wird es. Mehr kann und werde ich an dieser Stelle aber nicht dazu verraten.

Du hattest mir vor wie auch nach den Aufnahmen zu "Zeitlang" erklärt, welchen Stellenwert dieses Album in Deinem bisherigen Leben als Musiker einnimmt, und mit Deiner Einschätzung der Metal- und Konzertlandschaft hältst Du ja nicht hinterm Berg. Was hat Dich dennoch dazu bewogen, dieses "opus magnum" auf die Bühne zu bringen? Und wie schnell hat sich bei Dir in der Höhle das Gefühl eingestellt, dass es "passt"?

Wie gesagt, ich habe mich von Martin Koller dazu überreden lassen, indem er mich 2022 aufs Prophecy Fest eingeladen hatte und mich mit den Worten begrüßte "Die Höhle wäre doch perfekt für GRÀB, oder?" Ich bat ihn dann um etwas Bedenkzeit, ob ich das wirklich machen möchte und ob ich überhaupt ein Line-Up dafür zustande bringen würde. Erst dann habe ich ihm zugesagt. Ich habe ihm schon gesagt, dass ich das jetzt dieses eine Mal machen werde. Dass dann allerdings auf dem Flyer stand "Only show ever", davon habe ich selbst erst erfahren, als ich den Flyer erstmals zu Gesicht bekam.
Ich stand beim Prophecy Fest zum ersten Mal seit 16 Jahren wieder auf der Bühne. Ich musste da erst wieder reinfinden. Unser Hauptaugenmerk lag einzig und allein darauf, die Songs möglichst fehlerfrei zu spielen und dadurch ein Hörerlebnis zu schaffen. Das war in der Höhle schon schwer genug, weil uns beim Opener "Nachtkrapp" der komplette Sound auf der Bühne um die Ohren flog und ich minutenlang nur Rückkopplungen und Gedröhne hörte. Das macht es nicht einfacher, vor allem dann nicht, wenn keiner in der Band die Songs jemals zuvor live gespielt hat. Aber gerade deshalb habe ich die Live-Band von GRÀB ganz bewusst so zusammengestellt. Ich wusste, ich kann mich auch in schwierigen Situationen auf der Bühne auf jeden einzelnen in der Band verlassen, weil jeder von ihnen genug Bühnenerfahrung hat.

Nach Eurem Konzert in Balve habe ich mich vor allem über lobende Worte von Festival-Besuchern gefreut, die GRÀB – und etwaigen Klatsch und Tratsch über die Band – bis dato nicht näher kannten, von der Wucht der Musik positiv überrascht wurden, und Euren Auftritt als einen der stärksten auf dem Festival bezeichneten. "Zeitlang" ist zudem in diversen Jahresbestenlisten gelandet. Verdienter Lohn für all die Mühe und auch Ansporn für Album Numero Zwo?

Verdient allemal, denn ich bin schon der Überzeugung, dass "Zeitlang" ganz klar für sich steht und aus der schier unendlichen Masse an Black-Metal-Veröffentlichungen der 2000er klar heraussticht. Mein Ansatz ist grundsätzlich immer, dass ich stolz sein muss auf das Endresultat, dass ich das Gefühl habe, dass wir mit dem jeweiligen Album so nah wie möglich an meine Vision, die sich bereits am Anfang des Songwriting-Prozesses in mir manifestiert, herangekommen sind. Reaktionen von außerhalb sind mir nicht wichtig. Ich bin lange genug dabei, um zu wissen, wie es läuft: Die einen hassen uns, die anderen lieben uns und wieder anderen sind wir komplett egal – und all das ist völlig in Ordnung für mich. Gleichzeitig sind das mit Sicherheit keine Faktoren, durch die ich mich in meiner Kunst auch nur ansatzweise beeinflussen lasse, denn ich tue, was ich will.

Thor Joakimsson (Info)
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