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Katatonia - Dead End Kings - Massen-Review
Es ist schon ein Kunststück, wenn eine Band es schafft, einen völlig eigenen, unverkennbaren Stil zu kreiieren. KATATONIA sind eine dieser Bands; sie haben sich über die Jahren hinweg stetig weiter entwickelt hat und doch erkennt man ihre Musik sofort, wenn man sie hört. Das ist mit dem neuen, mittlerweile neunten Album "Dead End Kings" nicht anders, inzwischen sind die Schweden jedoch an einem Punkt angekommen, ab dem nicht mehr jeder Fan der Band bereit sein wird, den Weg weiter mit zu gehen. Das zeigt sich auch daran, dass die punktuelle Spannbreite bei unseren Reviews recht groß ausgefallen ist und man darf erwarten, dass das Album auch bei den Fans und in den Richterskalen der Magazine gegensätzliche Meinungen hervorrufen wird.
Review von: Andreas Schiffmann (Profil)
"Too much fucking emo, it's false", wollten KATATONIA schon in "Passing Bird" wissen und fanden einen Ausweg in packend kalten Klanggebilden wie "Viva Emptiness", ehe sie zwischen Gletscher und Gothic-Disco zu stagnieren drohten. Da ihre jüngsten Veröffentlichungen über Gebühr gefeiert wurden, stand nicht zu erwarten, dass die Schweden etwas an ihrer Stoßrichtung ändern, und so vermitteln ihre neuen Stücke eher den Eindruck von Perfektionierung als Neuerung.
Die allgegenwärtigen Streicher und Synths klingen nachgerade abgeschmackt, speziell in "The Racing Heart", bei dem die alte Songwriting-Formel in aller Konsequenz angewandt wird, ferner während des Mädchenherzen höherschlagen lassenden "Ambitions" und bei "First Prayer" inklusive der für Nyström üblichen Dissonanzen am Ende.
Der Gitarrist zupft mitunter wie Mikael Åkerfeldt – die Einschätzung "OPETH für Arme" ist im Zusammenhang mit der Band keine neue – und lässt seinen Sänger passend dazu schmachten ("Leech", kokettiert auch mit Trip Hop). Renske tönt längst sattelfest, wird aber im Leben kein ausdrucksvoller Stimmakrobat mehr, und bricht man die aktuellen Kompositionen auf ihren zumeist minimalistischen Kern herunter, so zeigt sich wie zuletzt, dass der Zierrat den eigentlichen Mehrwert der Musik der Skandinavier ausmacht. Das Finale "Dead Letters" etwa ist deswegen fast Prog Metal (Keyboard Solo, nuancierte Rhythmusarbeit), "The One You Are Looking For Is Not Here" oder "Undo You" Finsterpop (vielschichtiger Gesang, Damenbegleitung, Klavierkaskaden), und "Buildings" – eines der austauschbaren Konstrukte, die auf jeder neueren Scheibe der Gruppe vorhanden sind – durch seine Tieflader-Riffs beinahe eine zum ganzen Song mutierte Breakdown-Passage der zigsten Core-Truppe.
Das Prinzip, ruhigen Strophen einen erhebenden Refrain hintanzustellen, ist bei KATATONIA auch 2012 Gesetz, doch da sie meisterlich arrangieren und produzieren (ohne Hilfe von außerhalb), lässt man es ihnen zumindest als Fan durchgehen. "Dead End Kings" ist unter diesen Gesichtspunkten der bisherige Höhepunkt ihres jüngsten Schaffens, aber an manchen Stellen einfach mehr Sounddesign als Songwriting – ebenfalls keine neue Erkenntnis.
FAZIT: KATATONIA sind in der Tat "Dead End Kings": Es gibt keinen Grund, die eigene Nische zu verlassen, und wo die einen von Sackgasse sprechen, sagen andere, die Band habe ihre Umgebung der Gemütlichkeit halber ein wenig verschönert – Schnörkel an kantigen Songmöbeln gewissermaßen, die keiner ihrer Konkurrenten so drechseln kann. Die Band hat ihre Berechtigung als Urheber dieses Sounds, vollbringt aber schon lange keine Neuerungen mehr.
9 von 15 Punkten
Review von: Andreas Schulz (Profil)
Ich habe mich unerwartet schwer getan mit der Beurteilung von "Dead End Kings". Und auch wenn unter diesem Review mit 13 von 15 eine verdammt hohe Punktzahl steht, so bin ich immer noch mit mir selbst am Hadern, ob das nicht doch zu hoch gegriffen ist. "Dead End Kings" ist etwas schwächer als der Vorgänger "Night Is The New Day" und mit "The Great Cold Distance" will ich es gar nicht erst vergleichen. Dieses Album hat für mich einen so hohen Stellenwert, dass es über allem steht, was KATATONIA je gemacht haben und in Zukunft machen werden. So betrachtet wären vielleicht zwölf Punkte angemessener. Aber: "Dead End Kings" ist ein Album von KATATONIA, einer Band, die einen einzigartigen Sound macht und deren Musik immer noch und auch auf dem neuen Album meilenweit über dem steht, was andere Bands sich zu veröffentlichen wagen. Und so gesehen sind 13 Punkte dann doch wieder gerechtfertigt. Es kommt halt auf die Perspektive an.
"Dead End Kings" geht den eingeschlagenen Weg konsequent weiter und klingt dabei von der ersten bis zur letzten Sekunde vertraut. Trotzdem ist es sperriger, als seine Vorgängeralben, es dauert unerwartet lange, bis man die Songs verinnerlicht hat. Zwar fallen Experimente wie das sehr schöne Duett mit The Gathering-Sängerin Silje Wergeland in "The One You Are Looking For Is Not Here" oder die leicht jazzig-swingenden Elemente in "Leech" sofort auf, die Songs an sich müssen aber erarbeitet werden und man muss ihnen die Zeit geben, sich zu öffnen und zu reifen. Und so stellt man im Laufe der Zeit fest, dass "Dead End Kings" die Extreme recht stark auslotet, so steht das härtere "Buildings" im Kontrast zu ruhigeren Songs wie dem erwähnten "Leech" oder "Undo You". Vieles auf "Dead End Kings" klingt aber auch genau so, wie man es von KATATONIA erwartet und die graue Melancholie dominiert ihre Musik nach wie vor.
Dass man sich anfangs etwas schwerer mit dem Album tut, liegt auch daran, dass die Songs oft sehr introvertiert wirken, Gesangslinien, die sich sofort festsetzen, sind eher Ausnahme als Regel, hier sind vor allem der Opener "The Parting" sowie das mit einem grandiosen Refrain ausgestattete "The Racing Heart" zu nennen. Dass die Songs oft mit Streichern und Elektronika unterlegt sind, wird nicht jedem gefallen, besonders Fans der ersten Stunde werden damit wohl ihre Probleme haben. KATATONIA bewegen sich mit ihrem neuen Album immer weiter in Richtung düster-progressiver Rockmusik, was für mich wiederum völlig in Ordnung ist, weil ich das Gefühl, das die Band mit ihrer Musik transportiert, noch immer mit offenem Herzen empfangen kann.
FAZIT: Zwölf Punkte sind objektiv wohl gerechtfertigter, aber wen interessiert schon Objektivität, wenn Musik die Seele berührt? Eben.
13 von 15 Punkten
Review von: Jochen König (Profil)
Sind KATATONIA die neuen OPETH? Ganz so weit geht die Band um Sänger Jonas Renske den Weg in den paisleybunten, progressiven Psych-Rock doch nicht. Auch wenn wachsweiche Keyboardbetten und Orchesterarrangements aufgefahren werden, dazwischen dominieren dunkel bretternde Gitarrenwände, völlig traut man dem eigenen Empfinden und der Sehnsucht nach einem Richtungswechsel nicht. Eigentlich schade, denn gerade die Stücke, die sich am weitesten vom ursprünglichen Sound entfernen, wie die von Klavier und anderen Tasteninstrumenten dominierte Ballade "Heart" sind die Höhepunkte des Albums. Belegt gleich das folgende "Buildings", das mit dominanten Gitarren beginnt, bevor das Schmusekissen wieder ausgepackt wird und Breaks mit hingetupften Synthies für Verschnaufpausen sorgen. Zum Ende ertönen im Hintergrund gar Klangkaskaden, die Tony Banks ohne Zögern Mitte der Siebziger hätte spielen können. Zwar leise, aber überraschend und ziemlich neben der Spur.
Doch dann "Leech": Eine ganz eigene Sicht auf den Blues KATAONIA is singing. Melodramatisch, partytauglich; großartiges Lied, doch meilenweit entfernt vom düster beschwörenden Geist der frühen Jahre. Ebenso das anschließende "Ambitions", das zu Beginn wie eine poppigere Version der Musik von STORM CORROSION wirkt, bevor die dunkel gestimmten Gitarren auftreten. Da die beiden Alben etwa zur gleichen Zeit entstanden sind, scheint ein besonderer kreativer Geist in der Luft gelegen zu haben, der Wilson, Åkerfeldt und Renske & CO. beflügelte.
"Dead End Kings” ist das wahrscheinlich zugänglichste Werk der schwedischen Band. Zumindest für Einsteiger. Denn es spielt mit dem Hörer, beißt aber nicht. Heimelige, eingängige Melodien, ein gerüttelt Maß an Härte, doch alles bleibt auf gemessene Art beschaulich. Wie ein Blick auf sepiagefärbte Bilder ruinöser Landschaften. Knallbunte Betrachtungen bleiben immer noch außen vor. Ein schönes Album, das aber keine existentielle Ergriffenheit mehr auslöst. Aber das ist auf Dauer wohl auch zu viel verlangt.
Abstriche bei der Bewertung müssen beim Klang gemacht werden. Der kann nämlich nicht beurteilt werden, da als Promo nur ziemlich mumpfig-verwaschen klingende mp3-Dateien vorlagen. Kann sein, dass ein möglicherweise druckvolleres, schärferes Klangbild noch für Nachdrücklichkeit sorgt.
FAZIT: KATATONIA erfinden sich nicht neu, sie rücken nur immer weiter von den eigenen Anfängen ab. Das ist legitim, in den besten Momenten spannend, aber mitunter zerfahren und manchmal mit gefährlichem Hang zu verschnörkelter Unverbindlichkeit. Und das waren KATATONIA eigentlich nie: Unverbindlich. Nennen wir es ein Übergangsalbum, das noch nicht festlegt wohin die Reise geht. Ins Licht oder die selbstgewählte Dunkelheit. Oder auf’s Titelbild der BRAVO. Nee, das nun doch nicht.
9 von 15 Punkten
Review von: Oliver Schreyer (Profil)
Sehnsüchtig erwartet wurde er: der neunte Longplayer von den schwedischen Düsterseelen. Das Ergebnis ist sehr düster – besonders für Fans der Band, welche vor allem die Gitarren-orientierte Black-Doom-beeinflusste Band mochten und bereits mit den letzten Alben mehr und mehr beobachten mussten, wie sich die Band in melancholische, gefühlsduselige Rockschnulzen verrannte.
"Dead End Kings" macht deutlich, dass die Band bis auf die Tatsache, dass man anhand der sehr prägnanten Vocals von Jonas Renkse stets erkennt, wer hier aufspielt, so gut wie nichts mehr mit der Band zu tun hat, die Alben wie "Tonight’s Decision", "Brave Murder Day" oder "Discouraged Ones" herausgebracht hat. Weniger Gitarren, weniger Metal – dafür mehr schnulziges, dösiges in Pianoklängen ertränktes Rockgeplänkel, das jeden Fan der frühen Stunde in Verwirrung zurücklassen dürfte.
KATATONIA sind scheinbar an einem Punkt angekommen, an dem sie sich nicht mehr authentisch selbst kopieren können – das machen inzwischen andere Bands besser – und so versuchen sich die Schweden auf neuen Pfaden: Das Ergebnis ist ernüchternd, denn bis auf einige harte Gitarrenparts auf "The Parting" und "Dead Letters" ertrinken die Songs in eindimensionaler Melancholie. Selbst wenn man "Dead End Kings" musikalisch keineswegs als absoluten Durchhänger bezeichnen kann, ist es doch für Bandverhältnisse eine unglaublich eindimensionale, einschläfernde Platte.
FAZIT: Mit Metal haben KATATONIA nicht mehr viel zu tun und liefern hier den Tiefpunkt ihrer Karriere ab. Vielleicht noch interessant für Fans der Band, welche vor allem seit "The Great Cold Distance" oder auch letztem Album "Night Is The New Day" zu dieser Art von Musik gefunden haben. Alle anderen können das Kapitel KATATONIA, wie es scheint, endgültig abhaken und sollten mit dem Backkatalog der Band im Player die alten Tage zu Grabe tragen.
8 von 15 Punkten
Review von: Sascha Ganser (Profil)
Dead End Kings, oder: Aus dem atmosphärischen Königtum in die kreative Sackgasse?
Mit ihrer besonderen Form von Melancholie haben KATATONIA sich längst ein Monopol geschaffen. Eine diffuse Körperlosigkeit umweht ihre traurigen Hymnen, die spätestens für "Night Is The New Day" zur urbanen Kunst erklärt wurden; wie Mauerhall fegten die Stücke durch eine Szenerie aus alten Gebäuden und durch den Nebel aufsteigender Kanalisationsdämpfe hindurch. Was derartige Bilder aussagen, fangen KATATONIA in ihren zunehmend ausgefeilten Werken ein.
Das Ende der Fahnenstange ist aber erreicht. Das letzte Album war für sich genommen gewissermaßen "perfekt", fast schon zu sehr: Manchem erschien das Klinische darin als Widerspruch bei einer Band, die sich schließlich in den düsteren Ecken der Welt ihre Muse fängt und entsprechend Dreck schlucken soll. Doch auch ohne in direkten Kontakt mit dem Schmutz nächtlichen Stadtlebens zu geraten, wirkte "Night Is The New Day" mit seiner distanzierten, observierenden Engelsperspektive intensiv auf die Gefühlswelt ein. Wie könnte man diesen Effekt noch weiter abrunden? Ein weiteres Album, das sich so schmeichelnd darum bemüht, die Traurigkeit beim Hörer zum Vorschein zu bringen, müsste schließlich irgendwann abstumpfen und redundant werden. Es würde sich dadurch eher von den Emotionen distanzieren, anstatt noch tiefer in sie einzudringen.
Und in der Tat: Wenn Jonas Renkse seine inzwischen durchschaubaren Gesangslinien anbringt oder die wieder gleich strukturierten Metal-Riffs Düsternis zu beschwören versuchen, tritt für Vertraute des Backkatalogs ein Gewöhnungseffekt ein, der so nicht beabsichtigt sein kann. Es dauert nur Sekunden, da schmachtet Renkse "In the weak light…" und es erblühen blumige Muster auf dem inneren Auge, die allerhand Déjà-Vus zum Vorschein bringen: Das kennt man doch schon? Und so formen sich bereits nach wenigen Augenblicken erneut die bestimmenden Anlagen eines ergreifenden, gleichwohl vorhersehbaren KATATONIA-Werks, das mit den letzten beiden Alben die gleichen Wesenszüge teilt. Es verbittert, es macht wütend, es verströmt Trauer, sogar eine gewisse Süße, die von der immer zuletzt sterbenden Hoffnung stammen könnte. Aber all das gelingt ihr nicht zum ersten Mal, es geschieht einfach… schon wieder.
Inwiefern sich KATATONIA der Gefahr der Selbstwiederholung bewusst sind, kann nur spekuliert werden. Fakt ist, sie opfern die geschlossene Stadtatmosphäre des Vorgängers und lassen sich trotz der zuverlässig durchscheinenden DNA auf Experimente ein. "Dead End Kings" ist ein von orchestralen Streichern dominiertes Album; so sehr, dass eine Melodielinie, die sich durch das Schlussviertel von "The Parting" zieht, anfangs wie eine Geige anmutet, sich dann aber doch als Gitarre entpuppt. Großzügig wird auch Platz gemacht für sanfte Momente, in denen einem perlenden Piano Platz geschaffen wird. In der ersten Minute von "The Racing Heart" beispielsweise rafft sich all das zu einem langen Innehalten zusammen, bevor wie aus dem Nichts ein Refrain ins Arrangement gezimmert wird, der in seiner emotionalen Sogkraft so typisch für die Schweden ist und auf ähnlich schlichte Art derzeit wohl nur noch von ANATHEMA und SWALLOW THE SUN geschaffen werden kann.
Gewissermaßen tragen die elf Stücke damit einen Zweikampf aus: Der experimentelle, verkopfte Teil, der am Ende nicht einmal vor unzweifelhaften TOOL-Reminiszenzen zurückschreckt ("Dead Letters"), steht irgendwo im Widerspruch zu der Anlage der Band, Stimmungen mit einfachsten Mitteln zu erzeugen. Immerzu scheint sich das Songwriting gegen die Stagnation zu stemmen, ohne sie aber ganz aushebeln zu können. Nicht, dass die neuen Elemente nicht gekonnt arrangiert wären; im Gegenteil bringen sie wunderbar funktionierende Neuerungen ein. Angesichts der dominanten Anlage übernehmen sie jedoch niemals das Regiment, sondern lassen sich von Renkses Harmonien führen, die hier ob ihrer Gleichförmigkeit zur Masche zu verkommen drohen.
FAZIT: "Dead End Kings" wirkt weniger geschlossen als sein Vorgänger, hatte aber auch gar nicht die Option, so geschlossen zu sein, ohne gleichzeitig zum Duplikat zu werden. Mühelos hätten KATATONIA ein weiteres "Night Is The New Day" aufnehmen können, davon geben haufenweise ergreifender Melodien Aufschluss, die sich hier verbergen. Dass man dieser Sackgasse entkommen wollte, davon zeugt nebst Titel der Versuch, gewisse Strukturen neu anzusetzen und zu variieren. Doch die Trademarks sind zu stark, als dass man sie einfach so unter den Teppich kehren könnte. Ein wiederum wunderschönes, aber mit sich selbst haderndes Album.
10 von 15 Punkten