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Audrey Horne - Youngblood - Massen-Review
Bislang galten AUDREY HORNE noch als Geheimtipp. Die Band, die zunächst eher als rockiges Nebenprojekt von Mitgliedern extrem-metallischer Bands wie ENSLAVED, GORGOROTH und OV HELL betrachtet wurde, hat sich mit drei Alben in die Herzen von Kritikern und geschmackssicheren Fans gespielt und auch live auf ganzer Linie überzeugt. Nun hat sich das österreichische Label Napalm Records die Dienste der norwegischen Band gesichert und veröffentlicht Album Nummer vier, das auf den Titel "Youngblood" getauft wurde und dem mit hohen Erwartungen entgegen gesehen wurde. Und es scheint, als hätten AUDREY HORNE damit ihr Meisterwerk abgeliefert, denn das Album ist in den beiden wichtigsten Metal-Gazetten des Landes zum Album des Monats gewählt worden. Ist "Youngblood" tatsächlich ein Überflieger geworden? Darüber ist die Redaktion von Musikreviews.de jedenfalls geteilter Meinung.
Review von: Andreas Schiffmann (Profil)
Ruft hier beim Intro jemand "The Hellion" und während des Hauptriffs von "Redemption Blues" dann "Killers"? Zu dumm, dass die ob ihrer ersten drei Alben verdienten Presse-Darlings den Titel ihres Albums falsch deuten und aufgrund des allseits grassierenden Retro-Virus ein Stück ihrer Eigenständigkeit eingebüßt haben.
Zu den penetranten Classic-Metal-Bezügen und dem damit einhergehenden Geschwindigkeitsanstieg gesellt sich die Skandinavien-typische Rotzrock-Attitüde, mit der AUDREY HORNE heuer deutlicher denn je für sich einnehmen. Im Sinne der Nachhaltigkeit sind es aber eben nicht die straighten, offensichtlichen Reißer ("This Ends Here", "Pretty Little Sunshine", "Straight Into Your Grave"), sondern Wehmutsbekundungen wie der leicht LIZZY-ige Titelsong und das ähnlich gelagerte "The King Is Dead", die zeigen, dass die Band in Sachen Arrangements und Spielkultur Esprit für fünf Alben von Hupen wie CAULDRON und Co. hat – und mit solchen Emporkömmlingen müssen sich die Musiker mittlerweile leider zum Teil vergleichen lassen, beispielsweise auch wegen "Show And Tell", das ohne den Band-eigenen Mehrwert – Sänger Toschie und die Keyboards – ein etwas zahnloser Sanftmetaller wäre. Wie geschmackvoll das Tasteninstrument eingesetzt werden kann, demonstrieren übrigens auch "There Goes A Lady" und "The Open Sea", jeweils Mash-ups eines AC/DC-Grooves mit dem Schmelz von KANSAS oder den späten Ozzy-Alben von BLACK SABBATH.
Stilistische Fragen hin oder her: Am Ende entscheidet die Güte der Songs über die Berechtigung des allseitigen Bauchpinselns, das AUDREY HORNE gerade erfahren, und diese ist praktisch durchgehend hoch beziehungsweise ergibt sich einerseits aus den stets treffsicheren Refrains mit Harmoniegesang, andererseits aus der Musikalität der Protagonisten. "Cards With The Devil" etwa ist exzellenter Kompakt-Prog, den diesem Genre allzu stark verhaftete Eminenzen nicht auf die Reihe bekommen würden. "Youngblood" ist insgesamt latent heiter, lässt damit den Tiefgang speziell des 2010er Albums der Gruppe missen – und wird gerade deshalb 2013 zu den Konsens-Scheiben zählen, die das einstweilige Quartett für jene, die eine solche Entwicklung kommen sahen, alsbald zu in Ungnade gefallenen Engeln macht … man kann nicht alles haben als Szenewächter.
FAZIT: "Youngblood" besitzt im Grunde genommen keinerlei Schwächen (somit aber auch keine interessanten Brechungen), erzielt bei diesem Rezensenten aber dennoch keine höhere Wertung, weil es irgendwie halb berechnet und halb wie die alten AUDREY HORNE klingt. Der Grunge-Schlag wird vermisst – wer hätte je gedacht, einmal so etwas zu zugeben zu müssen?
10 von 15 Punkten
Review von: Andreas Schulz (Profil)
"Youngblood" ist Album des Monats im Rock Hard und Album des Monats im Metal Hammer – das war ja abzusehen. AUDREY HORNE sind das nächste große Ding, der nächste vermeintliche Hype und angesichts der Rückbesinnung auf klassische Rock-Tugenden wird der Retro-Hasser laut krakeelen und die verloren gegangene Alternative-Schlagseite betrauern. Das kann man natürlich machen, aber man kann genauso gut die Scheuklappen abnehmen und sich fragen, was die norwegische Band bisher wirklich ausgezeichnet hat – der Sound oder die Fähigkeit, geile Songs zu schreiben?
Die Frage ist natürlich rhetorisch, wobei man etwaigen Nörglern zugutehalten muss, dass die stilistischen Abweichungen reine Geschmackssache sind. Lässt man sich vom Classic Rock, der mitsamt entsprechender Orgelsounds Einzug in die Musik gehalten hat, jedoch nicht weiter abschrecken, so ist "Youngblood" ein famoses Album, das gleichermaßen von den songschreiberischen Fähigkeiten wie auch von der superedlen Gitarrenarbeit von Vorzeigeposer Ice Dale und Thomas Tofthagen lebt. Und natürlich von Sänger Toschie, der mit seiner charismatischen Stimme feinste Gesangslinien aufs Band gesungen hat, die jedoch zu keiner Sekunde aufdringlich sind.
Bei aller Eingängigkeit braucht es ein paar Durchläufe, bis die Songs sich festgesetzt haben, auch wenn man schon beim allerersten Hören merkt, dass AUDREY HORNE hier ein ziemlich großes Kunststück gelungen ist. Und sieht man vom unauffälligeren "Show And Tell" in der Albummitte mal ab, gibt es fast nur Hits zu bestaunen. Das eröffnende Tripel würdigen die Kollegen in ihren Reviews in ausreichendem Maße, "There Goes A Lady" kommt mit der "Phantom der Oper"-Referenz in den Gitarren spooky daher, das etwas düsterer gehaltene "Cards With The Devil" pumpt mit sattem Groove. Wer zum leicht souligen "The Open Sea" nicht sofort auf die Tanzfläche stürmen will, sollte einen Termin beim HNO-Doc in Betracht ziehen und auch das Abschlussdoppel glänzt mit fein austariertem Gleichgewicht aus Melodie und Anspruch.
FAZIT: Abgesehen vom schäbigen Coverartwork ist "Youngblood" ein bildschönes Rockalbum, das völlig zu Recht die Spitzenposition der Soundchecks erklommen hat. Ja, es wird polarisieren, aber objektiv kann man hier kein einziges schlechtes Wort verlieren und subjektiv hat es Suchtpotenzial, denn ich will diese Songs immer und immer wieder hören.
12 von 15 Punkten
Review von: Chris P. (Profil)
Was hat diese fünf Norweger eigentlich geritten, von einer angenehm progressiven, modernen Alternative-Rock-Band mit Metalkante zu einer profanen 80er-Standards wiederkäuenden Kapelle zu mutieren? Worin bestand der Reiz, sich den eigenständigen Sounds abzuwenden und stattdessen IRON MAIDEN, BOSTON, THIN LIZZY und alles dazwischen zu rezitieren? Und das dann auch noch mit einer kompositorischen und stilistischen Limitiertheit, die schlichtweg erschreckend ist?
Sicher, technisch ist alles astrein, die Skandinavier wissen, wo der Hase lang läuft, doch abgesehen von Toschies unverkennbaren Vocals entpuppt sich "Youngblood" als ein aufgesetzt tönendes Sammelsurium an Austauschbarkeiten, das bestenfalls den Nostalgiker erigieren oder die Nostalgikerin korpereigenes Vagisan ausschütten lässt. Mehr gibt es zu diesem kreativen Totalzusammenbruch inklusive Überbordwerfens sämtlicher Alleinstellungsmerkmale nicht zu sagen. Nun fehlen noch nur ein paar Ponyfrisuren im Eighties-Style und in der hiesigen Metalpresse werden AUDREY HORNE endgültig als Retter des Heavy Metal abgefeiert.
7 von 15 Punkten
Review von: Lothar Hausfeld (Profil)
Mit Verschwörungstheorien ist man heutzutage immer schnell bei der Hand. Wenn eine Band beispielsweise ihren Stil – und sei es auch nur dezent – ändert, dann ist der Ruf nach "Ausverkauf" und "Kommerz" nicht weit. Dabei übersieht man, zumindest in diesen Zeiten drastisch rückläufiger Verkaufszahlen, gerne einmal, dass eine Kurskorrektur im hardrock- oder metalrelevanten Segment nur in den allerseltensten Fällen zur Folge hat, dass die Protagonisten fortan im Geld baden können wie Dagobert Duck.
Und so ist die Aufregung auch im Falle von AUDREY HORNE, die sich um die deutliche Hinwendung der Band zum Classic Rock mit Metalschlagseite so langsam aufbauscht, im Kern vollkommen sinnlos. Zugegeben, die auf den Vorgängeralben vorhandenen Alternative-Einschläge sind nahezu komplett verschwunden. Aber ist das alleine ein Qualitätsmerkmal? Natürlich ist es das nicht, und letztlich zählt, losgelöst von der Schublade, in der man die Band steckt, einzig und allein die Frage: Ist die Musik gut oder nicht?
Und im Fall von "Youngblood", dem vierten Album der Norweger, ist die Frage recht einfach zu beantworten: Die Musik ist gut. Alleine das Auftakttrio mit "Redemption Blues", "Straight Into Your Grave" und "Youngblood" legt die Messlatte verdammt hoch. Eine lockere, fast heitere Stimmung, luftige Arrangements, ein latenter Ozzy-Einschlag und vor allem die fantastischen Melodien sorgen dafür, dass die Erwartungshaltung beim Hörer in nahezu schwindelerregende Höhen steigt.
Es ist fast schon logisch, dass man dieses Niveau anschließend nicht mehr ganz halten kann. Wenn die Band auf staubtrockene Classic-Rock-Riffs und ultrakompakte Songs setzt, blitzt das Ausnahmekönnen der Skandinavier nicht mehr ganz so gleißend auf. Vor allen die Gitarrenmelodien lassen ab Track Nummer vier nach, daran können auch die offensichtlichen Ohrwürmer wie "There Goes A Lady" oder "Pretty Little Sunshine" nichts ändern. Einzig bei "This Ends Here" schaffen es AUDREY HORNE ein weiteres Mal, die unterschwellige Trivialität ihrer Classic-Rock-Interpretation nachhaltig zu durchbrechen, wenn die unvergleichlichen Gitarrenharmonien dem Hörer Schauer über den Rücken laufen lassen.
FAZIT: Nein, auch mit "Youngblood" werden AUDREY HORNE aller Voraussicht nach nicht in die finanzielle Champions League aufsteigen. Musikalisch aber, und das ist die Hauptsache, haben sie sich ein weiteres Mal für die Gruppenphase qualifiziert – der von vielen erhoffte Sprung in die nächste Runde ist allerdings vorerst noch nicht gelungen. Aber vielleicht klappt das beim nächsten Album – ob mit neuer oder alter Spielweise ist auch dann nur von nachrangiger Bedeutung.
11 von 15 Punkten
Review von: Lutz Koroleski (Oger) (Profil)
Das vierte AUDREY HORNE-Album klingt auf den ersten Hör schon deutlich anders als seine beiden Vorgänger. Bereits auf dem selbstbetitelten 2010er Werk ging es mehr in Richtung Classic Rock, wobei modernere Einflüsse wie ALICE IN CHAINS oder FAITH NO MORE noch deutlich herauszuhören waren. Davon hat man sich nun vollständig verabschiedet. Heute kommen einem stellenweise eher Bands wie UFO, THIN LIZZY, MOLLY HATCHET oder DEEP PURPLE in den Sinn, wenn es darum geht, eine Orientierungshilfe für die Beschreibung der aktuellen Ausrichtung der Norweger zu finden. Demnach bilden nun aufs Wesentliche reduzierte, knochentrockene Riffs, ausufernde Gitarren-Soli sowie Orgel-Klänge der 70er die musikalische Basis der 10 neuen Songs. Auf druckvolle Gitarrenwände, groovige Rhythmen sowie das übliche Stopfen von Soundlöchern wird verzichtet, stattdessen dominiert z. B. ein sehr basischer Gitarrensound und auch insgesamt klingt "Youngblood" ziemlich…retro, dabei allerdings kein bisschen kraftlos oder angestaubt.
Jetzt kann man der Band sicher vorwerfen, auf den gerade rollenden Zug aufspringen zu wollen und dass es eine weitere Classic-Rock Band, die sich an der ach so glorreichen Vergangenheit orientiert, nicht braucht. Doch schaffen es AUDREY HORNE die genannten Einflüsse mit ihrer ganz eigenen Art des Songwritings so zu kombinieren, dass dabei mehr entsteht als nur die nächste rückwärts gewandte beinah-Cover-Band. Insbesondere die ersten drei Songs ("Redemption Blues", Straight Into Your Grave" und "Youngblood") begeistern durch ihre schlicht großartigen AUDREY HORNE-typische Ohrwurm-Melodien, die trotz des veränderten Gesamtsounds das gleiche "Ahh"-Gefühl auslösen wie auf den beiden vorherigen Alben, auch wenn es vielleicht den einen oder anderen Durchlauf mehr benötigt, bis die gewohnte Wirkung auftritt. Insbesondere Sänger Tochie glänzt erneut mit superben Gesangslinien und ist nach wie vor das wichtigste Alleinstellungsmerkmal der Band. Im Anschluss an den famosen Auftakt wird das Songwriting-Niveau dann zwar etwas niedriger, aber auch in den weniger spektakulären Songs in der Album-Mitte (z.B. "There Goes A Lady, ") finden sich immer wieder auch ganz famose Variationen, die den Spannungsbogen weiter aufrecht halten, während zum Ende hin die Hitdichte wieder zunimmt und "Youngblood" mit "This Ends here" mindestens noch einen weiteren Überflieger bereithält.
FAZIT: AUDREY HORNE orientieren sich nun vollständig in Richtung Hardrock und Metal der 70er und frühen 80er, schaffen es aber, dabei nicht zur musikalischen Zitatesammlung zu verkommen, sondern vielmehr mit einem hohen Eigenanteil und vor allem erneut großartigem Songwriting Neues zu schaffen. "Youngblood" ist ein deutliches musikalisches Ausrufezeichen im noch jungen Jahr, auch wenn die Anzahl der Überhits auf dem letzten Album doch noch einen Tick größer war.
12 von 15 Punkten
Durchschnittspunktzahl: 10,4 von 15 Punkten