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Tauben: bis ans ende der schäbigkeit (Review)
Artist: | Tauben |
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Album: | bis ans ende der schäbigkeit |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Indie Rock, Wave, Post Punk |
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Label: | Major Label/Hanseplatte | |
Spieldauer: | 38:53 | |
Erschienen: | 22.11.2024 | |
Website: | [Link] |
Herrje! Hier kommt eine Band aus Hamburg, die einerseits die 'Hamburger Schule' bestens bedient und dann wiederum völlig auf den Kopf stellt, sodass bei den STERNEn oder TOCOTRONIC oder KETTCAR die Fetzen fliegen und höchstens noch OSTZONENSUPPENWÜRFELMACHENKREBS sicherlich wild klatschend durch die musikalischen Unterrichtszimmer zu den TAUBEN wild hüpfen und sich fragen, was uns die Texte der TAUBEN und diese Wave-Punk-Eruptionen zu Sprech- und seltsamen Satzgesang sagen sollen.
Schon der Albumtitel ist (nicht nur von der Schreibweise her – alles klein, getreu einem Brecht und andererseits der so offensichtliche Hinweis auf eine effektive Rechtschreibreform...) die offensichtliche Provokation: „bis ans ende der schäbigkeit“! Denn man muss taub sein, um nicht bei den TAUBEN sofort herauszuhören, dass ihre mitunter zynischen, makabren, witzigen und manchmal gar geschmacklosen Texte aller Schäbigkeit Anfang sind – und zwar ohne Ende. Hier geht’s um 'Kopf auf der Straße' und 'Kotze im Maschinenraum' sowie 'Kacke von den Wänden' und 'Brandblasen im Nacken', aber auch Lippen, die 'oft nach Fleischsalat' schmecken oder 'Blut tropft von seinen Händen', bis dann sogar 'die kleine Saufprinzessin' eines Tages 'nackt auf dem Dach' steht, während alle nur lachen.
Was daraus folgt?
TAUBEN haben zwar keine Antwort, stoßen uns dafür aber direkt mit unserer fein wohlstandsparfümierten Nase auf den alltäglichen Gestank, den wir, statt ihn zu beseitigen, nur übertünchen.
Vielleicht hat ja jemand schon bemerkt, dass in dem Wort TAUBEN auch das Wort 'Tabu' steckt?
Die TAUBEN aber kennen und akzeptieren kein Tabu – und genau das macht die Stärke ihrer Musik und Aussagen aus, die sie eben von den oft als so intellektuell verstandenen 'Klassikern' der 'Hamburger Schule' klar abgrenzt, denn die Jungs haben ein Motto, das sie eben in ihrem Albumtitel und dem letzten gleichnamigen Song überdeutlich formulieren: „wir graben tiefer / bis ans ende der schäbigkeit / zum Herz aus Gold und Müll“.
Alles klar?
Wenn nicht, dann sollte man sich eben doch noch einmal das als LP-Einleger beigefügte lilafarbene Textblatt zur Hand nehmen und wieder und wieder und wieder die Texte mitlesen. Es lohnt sich, zumindest für all diejenigen, die heute noch die Gabe des 'Um-die-Ecke-Denkens' oder auch 'Zwischen-den-Zeilen-Lesens' beherrschen. So entdeckt man hinter den abgefahrenen Texten sowie der ähnlich abgefahrenen Sprech-Sing-Kreisch-Stimme von John Petermann, die sich jederlei Singsangs unerbittlich erwehrt und gerne auch mal brutal-schräg klingt, die grandiose musikalische Schönheit hinter dieser dargebotenen Hässlichkeit sowie den Punker, der mit dem Waver inmitten einer Disco um die Wette Pogo tanzt und dazu solche Zeilen wie: „und wir baun die eingestürzten Türme / als Ruinen wieder auf / alle Lampen an / gestorben sind wir gestern“ raushaut.
Oha! Das hat ja sogar ein wenig was von der DDR-Nationalhymne und Dresden gleichermaßen, wo schon die Brücken einstürzen, um daraufhin festzustellen, dass man diese gar nicht wieder aufbauen kann. Na ja, vielleicht erheben sich ja ein paar TAUBEN auf die zerstörten Brückengeländer mitten in der Elbe und scheißen all den Experten auf den Kopf, die ihre massenhaften Dünschiss-Ratschläge laut in jede Kamera posaunen und den weiteren Beweis dafür erbringen, dass dieses 'Made in Germany' heutzutage größtenteils leere Phrasen statt richtungsweisende Taten sind, denn wenn es so weiter geht, bleibt eben doch nur ein Weg: „wir müssen alles neu verfugen / extra harter Bauschaum / in prall gefüllten Tuben / wir müssen alles neu verfugen / mit dem letzten Rest Gemütlichkeit“.
Oder um es gleich mal mit zwei Zeilen des Album-Openers „Kaffee“, der noch dazu einen unüberhörbaren TRIO-Seitenhieb präsentiert, auszudrücken: „ich bin der Nichtwähler / in eurem Wahllokal“ oder noch etwas provokanter: „ich trink meinen Kaffee ohne Milch / ihr Fucker“ und dann als absolutes Highlight: „ich hasse alle Menschen / aber auch die andern“!
Oh ja, manchmal beschleicht einen bei den TAUBEN das Gefühl, die Jungs wollen dermaßen provozieren (fast unerträglich für jede Veggi-Seele ist dann gar „frühjahrsputz im schweinestall“), damit man ihnen einen vorderen Platz als 'Schwarzes Schaf' der Hamburger Schullandschaft einräumt, die wie ihr „Burkhardt“ „Soldat der Noten“ sind, dessen „Plattenkoffer voller Leichen / Klangfaschismus uniform“ und dessen „Intellekt das Gespenst mit schwarzen Haaren“ ist, das sich „hinter einer Brille versteckt“.
Hier sind die TAUBEN!
Und sie scheißen gezielt auf alle biederen Köpfe einer biederen Musikkultur, die ihnen mit ihren allgemeinen Belanglosigkeiten, die manchmal sogar in der 'Hamburger Schule' einziehen, gekonnt jede Menge Krumen vor ihre frechen Schnäbel werfen, damit sie genüsslich darauf herumhacken können!
FAZIT: Sie dürfen mit ihrem Debüt-Album „bis ans ende der schäbigkeit“ auf keinen Fall auf taube Ohren treffen – die TAUBEN (Ist nicht schon der Begriff so herrlich doppeldeutig?)! Hier kommen die schwarzschafigen Schmuddelkinder der Hamburger Schule, die ihren rotzig-schäbigen Ranzen auf den viel zu glattgehobelten und fein polierten Tisch knallen, sodass sich der gerade ein paar Körnchen darauf fressende, freche, aber immer angepasste Musik-Spatz erschrocken erhebt, damit auch endlich mal die TAUBEN landen und ihr freches Unwesen treiben können. Wer die deutsche Sprache mit all ihren Unverschämtheiten liebt, bei denen unsere politische Sprachpolizei immer wieder mit ihrer Moralkeule meldet, und noch dazu Musik, der es völlig egal ist, ob sie mal im Punk und dann im Indie Rock oder Wave wildert, der ist bei TAUBEN genau richtig, auch wenn er vielleicht auf ein paar taube Ohren bei denen stößt, die sich sich in unserem Land als politisches wie künstlerisches Establishment aufspielen, selbst wenn sie in ihrem Leben selber noch nie was wirklich Bedeutendes auf die Reihe bekommen haben!
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Seite A (19:58):
- kaffee
- bike
- asphaltrose
- alltagsflieger
- tauben
- party der gefühle
- Seite B (18:55):
- burkhardt
- eingestürzte türme
- frühjahrsputz im schweinestall
- kiosk
- bis ans ende der schäbigkeit
- Bass - Olaf Borchert
- Gesang - John Petermann
- Gitarre - Mathias Ellmer
- Keys - Steffen Bösenberg
- Schlagzeug - Moritz Coym-Seifert
- Sonstige - Moritz Coym-Seifert, Steffen Bösenberg (Elektrosounds)
- bis ans ende der schäbigkeit (2024) - 11/15 Punkten
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