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Mulay: Lavender (Review)

Artist:

Mulay

Mulay: Lavender
Album:

Lavender

Medium: LP/Download
Stil:

R'n'B, Electronica, Indie-Pop, Jazz, Soul, HipHop

Label: Grönland Records
Spieldauer: 41:44
Erschienen: 22.11.2024
Website: [Link]

Eine vergleichsweise lange künstlerische, persönliche und vermutlich auch spirituelle Entwicklung musste FANNY MULAY WINTER – kurz MULAY – hinter sich bringen, um nun endlich ihr Debüt-Album „Lavender“ realisieren zu können. Bevor MULAY ihre eigene Laufbahn als Musikerin, visuelle Künstlerin, Stylistin, Modedesignerin (und vieles mehr) startete, studierte sie zunächst in den Niederlanden Jazz und Pop, wo sie ihre erste Band YXC gründete und auch erste Erfahrungen mit den kreativen, organisatorischen und technischen Aspekten des Musik-Business sammelte. Über den Produzenten MOGLII, den sie ebenfalls in Holland kennenlernte, kam es dann zu einer Zusammenarbeit, die sie auch als Live-Künstlerin herausforderte und bis nach Japan brachte.

Als MULAY sich dann daran machte, erste eigene Songs als Solo-Künstlerin zu produzieren, geschah das ausgerechnet in der ausbrechenden Pandemie. Obwohl sie sich als Live-Künstlerin bereits 2020 bei der ersten Corona-Edition des Reeperbahn-Festivals präsentierte, dauerte es bis 2021, dass sie ihre erste EP „Antracyte“ produzieren konnte, der 2022 dann die EP „Ivory“ folgte. Mit beiden Projekten versuchte sie sich an allerlei Spielarten von R'n'B, Jazz und Soul, ohne sich stilistisch dezidiert festzulegen. Parallel dazu perfektionierte sie ihre Live-Darbietungen, bei denen sie mit selbst designten, meist sehr freizügigen Kostümen und einer ausgefeilten Dramaturgie und Choreographie ihren prinzipiell feministischen Empowerment-Lyrics auf eigenwillige Weise Nachdruck verlieh.

Dass es dann noch zwei Jahre dauerte, bis sie nun ihr Debüt-Album „Lavender“ realisieren konnte, hat damit zu tun, dass MULAY die gesammelten Erfahrungen nicht lediglich für die LP zusammenfasste, sondern um für sie neue Aspekte ergänzte und mit einem teilweise neuen Team umsetzte. Neben LUCID und NOVAA – mit denen sie zuvor bereits zusammengearbeitet hatte, sorgten etwa die französischen Musiker und Produzenten JULES MINCK und ELI ZYBERMAN für neue Impulse im Bereich der Elektronik. Das Ergebnis ist auf der musikalischen Seite dann eine bemerkenswert detailreiche, vielschichtige Collage, bei der die einzelnen Songs weniger bestimmte Sub-Sparten bedienen, sondern im Patchwork-Verfahren aus verschiedensten Crossover-Elementen zusammengesetzt wurden – wobei alle Möglichkeiten einer zeitgemäßen Studioproduktion gewinnbringend eingesetzt wurden.

Wenn MULAY feststellt, dass „Lavender“ nicht das Debüt-Album sei, welches sie geplant hätte – dann aber habe machen müssen – hängt das damit zusammen, dass sich im Laufe der Zeit einige Parameter geändert haben, die nicht nur musikalische Änderungen, sondern auch eine Änderung der lyrischen Perspektive notwendig machten. Denn ging es MULAY zuvor stets darum, ihre emotionalen und psychologischen Beobachtungen von Beziehungsgeflechten zu analysieren, so ist das neue Album eine Art Nachbereitung dieser Beobachtungen, mit der bitteren Erkenntnis, dass die zuvor betrachteten Beziehungen sich als toxisch erwiesen hatten. „Lavender“ stellt einen Selbstfindungsprozess im Angesicht widriger Umstände dar und zeigt auf, welche Möglichkeiten es gibt, an Niederlagen, Enttäuschungen und Verletzungen seelischer Natur zu wachsen.


Dabei hält sich MULAY nicht lange mit Selbstmitleid und Traumtänzereien auf (wie noch der larmoyante Opener „Lavender Dreams“ vermuten hätte lassen können), sondern findet über eine Reihe zunehmend kämpferischer Tracks, wie „White Room“ oder „Tears Into Diamonds“, beziehungsweise düsterer Downbeat-Balladen, wie „Ghosting You“ oder „Growing Pains“, schließlich zum Schlüsselstück des Albums – dem musikalischen Selbstporträt „Half Human Half Dragon“, mit dem sie sich als geradezu mythologische und kämpferische Überlebenskünstlerin stilisiert. Kein Wunder, dass gerade dieser Track dann zum musikalisch ambitioniertesten und stilistisch experimentellsten des ganzen Albums geworden ist.


Zum Perspektivwechsel gehört auch eine neue stylistische Ausrichtung. Schien es bislang immer nur um das Spiel mit Rollenklischees und die spielerische Provokation gegangen zu sein, so präsentiert sich MULAY aktuell betont edgy, mit blauen (bzw. lavendelfarbenen) Haaren, im Vergleich zu früher eher zurückhaltenden Kostümen und in den begleitenden Videos eher bodenständig und tough als glamourös. Wie bei all ihren Projekten zeichnet sich MULAY dabei neben der musikalischen Zielrichtung auch für die visuelle Repräsentation alleine verantwortlich.


Musikalisch schlägt sich der neue Ansatz insofern nieder, als dass es hier nicht um eine schwülstig/laszive Auslegung von R'n'B-Klischees nach US-amerikanischem Vorbild gehen kann. Stattdessen schleichen sich zunehmend düstere Untertöne und Harmonien ein, die Songs wie „Out Of Minutes“, „Growing Pains“, „Drip Drop“ oder „Blessed“ mit einer Prise realitätsbezogener Dystopie bereichern, die das dem Genre ansonsten innewohnende süßliche Element schnell vergessen machen. Eine gefällige Pop-Scheibe konnte so natürlich nicht entstehen. Stattdessen nimmt MULAY den Zuhörer mit auf eine zuweilen schmerzliche, auf jeden Fall brutal ehrliche und - dank der innovativen musikalischen Umsetzung - dann auch spannende Selbstfindungsreise mit kämpferischer Note.

FAZIT: Bislang setzte MULAY - insbesondere auch bei ihren Live-Shows – eher auf eine stilisierte, organische Implementation ihrer Musik. Die Hinzunahme überwiegend elektronischer Elemente, besonders im rhythmischen Bereich, und produktionstechnischer Hilfsmittel in Kombination mit Trip-, Club- und Hip-Hop Bestandteilen, einer Prise Psychedelia und einer klassischen Band-Instrumentierung erwiesen sich dabei als der Gamechanger, der „Lavender“ mit seinen genresprengenden musikalischen Ambitionen zu weitaus mehr macht, als einem konventionellen R'n'B-Rip-Off. Wenn MULAY selbst also FKA TWIGS oder SEVDALIZA als musikalische Referenzpunkte nennt, dann ist das sicher gerechtfertigt.

Ullrich Maurer (Info) (Review 150x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
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Tracklist:
  • Lavender Dreams
  • White Room
  • Ghosting You
  • Toxic
  • Out Of Minutes
  • Growing Pains
  • Kill The Lonely
  • Drip Drop – Interlude
  • Tears Into Diamonds
  • Half Human Half Dragon
  • Blessed
  • End Game

Besetzung:

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