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Earthstar: Collected Works (Review)

Artist:

Earthstar

Earthstar: Collected Works
Album:

Collected Works

Medium: 5-CD-Box
Stil:

Experimenteller elektronischer Ambient-Krautrock

Label: MIG music
Spieldauer: 242:57
Erschienen: 15.12.2023
Website: [Link]

Bei MIG music folgt eine überraschende 5-CD-Box der nächsten. Waren es gerade noch die progressiven Zeitgenossen der 70er-Jahre SATIN WHALE, von denen alle Studio-Alben in besagter Box vereint wurden, so geht die extrem spannende Musik-Box-Reise nunmehr mitten zum Erdenstern hin weiter, indem unter dem Titel „Collected Works“ der nächste 5er-Pack im fetten Jewelcase samt ebenso fettem 16-seitigen Booklet veröffentlicht wird...

...Diesmal also die ebenfalls leider längst vergessenen EARTHSTAR, eine große Entdeckung zugleich, die garantiert alle (elektronisch) krautrockigen Leidenschaftler solcher Bands wie ASH RA TEMPEL oder TANGERINE DREAM und POPOL VUH absolut glücklich machen, aber, wenn man Hintergründiges zu ihnen und diesen fünf Alben (Mehr existieren von EARTHSTAR nicht!) erfährt, auch verwundern oder gar verblüffen wird.

Eigentlich dürfte aus korinthenkackeriger Sicht – die leider noch immer viel zu vielen 'Prog-Experten' innewohnt – man als glühender, aber kleinlich veranlagter Krautrock-Fan EARTHSTAR gar nicht das Prädikat 'Krautrock' verpassen, denn der Kopf hinter diesem hochinteressanten Musik-Projekt kam – so wie auch seine musikalischen Mitstreiter – aus Utica in New York. Dass sie trotzdem von allen Schubladisierern in die Krautrock-Schublade gesteckt wurden, lag in erster Linie daran, dass sich die bereits am ersten Album „Salterbarty Tales“ (1978) beteiligten amerikanischen Künstler allesamt als leidenschaftliche Krautrocker auswiesen und man nach diesem Album und dem Kontakt zu KLAUS SCHULZE (Craig Wuest bewunderte Schulze und stand lange Zeit im Briefkontakt mit ihm) sich auf Deutschland-Trip begab, um dort gleich drei weitere Alben beim Hamburger Sky-Label aufzunehmen.

Damit ist es nur zu passend, dass MIG music – die ja in ihrem Kürzel für 'Made In Germany' stehen – sich im Jahr 2023 des kompletten EARTHSTAR-Katalogs angenommen haben und diesen vollständig auf „Collected Works“ in der 5-CD-Jewelcase-Box plus fettem Booklet veröffentlichten.

Anfangs erwartet uns darum im Rahmen der Box tatsächlich Kosmische Musik der SCHULZEschen Heldenverehrung, obwohl Herr Schulze als kosmischer Musik-Kapitän natürlich auch zu den so viel gelobten 'Kosmischen Pionieren' gehörte, selbst wenn der Meister selber diese Form der musikalischen Charakterisierung nicht sonderlich mochte.

Aus diesem Grunde präsentierten EARTHSTAR auf ihrem ersten 'deutschen' Album beim Sky-Label unter dem Titel „French Skyline“ (1979) astreinen experimentellen, elektronischen Ambient-Krautrock, der unverkennbar auf die Vorbilder der 'Berliner Schule' verwies.

Bei dem folgenden „Atomkraft? Nein Danke!“ (1981) sieht und klingt die Musik schon anders und geht deutlich in Richtung ENO/MOEBIUS/ROEDELIUS bzw CLUSTER und HARMONIA.
Leider zieht sich das Album stellenweise zäh wabernd wie Kaugummi durch die Synthie-Flächen oder Piano-Geklimper dahin und klingt (Achtung: Ironie!) nach der derzeitigen lahmarschigen Politik unserer Anti-Atomkraft-Partei mit kriegerischem Hang in Deutschland. Seltsam, dass man tatsächlich nach 50 Jahren auf solch einen Vergleich kommt. Vielleicht gefällt's ja Mr. Laberbeutel Habeck, während er sich mit einer Fähre auf die landwirtschaftliche Flucht begibt…

Wuest jedenfalls meinte damals zu seinem Album: „Das Konzept beschäftigt sich mit der Wechselwirkung zwischen den Menschen mit der Natur und Technik“, womit er tatsächlich ein hehres Ziel verfolgt, auch wenn die Musik genau diese Wechselwirkung insgesamt zu einseitig zum Ausdruck bringt und damit an die 'trägeren, zähen' Werke von ENO erinnert und zu oft impressionistische Ambient-Langeweile verbreitet.

Das vierte und offiziell zugleich letzte EARTHSTAR-Album „Humans Only“ (1982) ist das im Verhältnis zu den drei vorangegangenen Alben mit Abstand ungewöhnlichste. Erstmals ist ein Schlagzeuger mit dabei und mit Dan Hapanowicz aka Daniel Happ ein neuer Gitarrist. Unter diesem Aspekt wird „Humans Only“ der insgesamt rockigste Charakter verliehen, was nach dem Langweiler „Atomkraft? Nein Danke!“ der EARTHSTAR-Musik nur zu gut zu Gesicht steht. Noch dazu unterscheiden sich die LP-A-Seite und B-Seite massiv voneinander, denn „Humans Only“ erscheint beispielsweise bei „Indian Dances“ samt Penn-Flöte wie ein eingängiges Stück von MIKE OLDFIELD, wobei ähnliches auch für die vier weiteren Titel der A-Seite zutrifft.
Noch verblüffender ist dann das, was auf der B-Seite vor sich geht, denn hier werden wir einerseits durch die beiden Titel, in denen sich jeweils der Begriff 'Funk' einschleicht, völlig auf den Holzweg geführt und andererseits sprachlos unseren Ohren kaum glauben, wenn wir hier so etwas wie den „Starless“-Moment bei KING CRIMSON erleben.
Summa summarum: Noch nie waren EARTHSTAR einem MIKE OLDFIELD und KING CRIMSON so nahe wie auf „Humans Only“.
Jazz-Elemente und weibliche vokale Lautmalerei – und urplötzlich pure KING CRIMSON lassen einen tatsächlich daran zweifeln, dass wir hier einem EARTHSTAR-Album lauschen, das plötzlich nicht die Bohne mehr nach 'Berliner Schule', sondern nach knallhartem Progressive Rock der mal leisen und mal lauten Art klingt.

Na und dann gibt es zum Abschluss der Box noch die 'Große Unbekannte': CD 5 unter dem Titel „Sleeper The Nightlifer“.

„Razor's Edge“ und „Golden Rendezvous“ klimpern hier wieder am Piano anfangs vor sich hin, wobei sich der Album-Opener doch tatsächlich vorsichtig Richtung Pop-Song bewegt und sogar mit männlichem Gesang aufwartet. Zudem sind mehrere Songs in neuen Versionen enthalten, die sich bereits auf „Humans Only“ befanden, sodass beispielsweise das beeindruckende „Indian Dances“ nunmehr sogar die 10-Minuten-Marke knackt und echt zu begeistern versteht, wohl auch, weil hier wieder die Berliner-Schul-Freunde voll auf ihre Kosten kommen.

„Chiarascuro“ holt dagegen erneut die Flöte raus und das Xylophon begleitet sie dabei, nachdem zuvor mehrere wahrhaft poppige Songs bei EARTHSTAR sogar mit männlichem wie weiblichem (nicht sonderlich beeindruckendem) Gesang Einlass erhielten und um Radio-Airplay zu betteln schienen, und man die knapp 50 Album-Minuten lang nie so richtig weiß, wo denn Mr. Wuest mit dieser 'wuesten' musikalischen Mischung eigentlich hinwill.

Mit Froschgequake und Vogelgezwitscher werden wir dann aus dem letzten Album und der gesamten Box verabschiedet, was natürlich auch in übertragener Weise bestens passt, wenn einerseits der Bandname schon so intensive Naturverbundenheit offeriert und ein Album mit „Atomkraft? Nein Danke!“ zudem der Atomkraft-Lobby der damaligen Zeit den grünen Stinkefinger zeigt.
EARTHSTAR hatte man im Grunde längst vergessen, vielleicht auch weil da ein Amerikaner – ungelogen mit der Unterstützung von KLAUS SCHULZE – den guten Deutschen tatsächlich musikalisch vorzumachen versuchte, wie Krautrock und die 'Berliner Schule' zu klingen haben. Ja – und das machte er gar nicht schlecht, wie man größtenteils sicher begeistert auf der kompletten EARTHSTAR-Albumsammlung sowie der zuvor noch nie veröffentlichten Musik der letzten CD von „Collected Works“ hören kann.

FAZIT: Wenn man bei Jauch auf dessen Millionärsstuhl sitzt, könnte man mit dieser Frage wahrscheinlich die Million vergeigen: 'Wie hieß die Band, die den deutschen mit einem Amerikaner an vorderster Front ihren Krautrock streitig machen wollte? A: Earthquake / B: Starcluster / C: EARTHSTAR / D: Earthflight'. Die richtige Antwort lautet: EARTHSTAR – und wir dürfen uns glücklich schätzen, dass wir Musikleidenschaftler zumindest im Geiste sowieso zu den Millionären zählen, die jetzt dank MIG music das große Glück und die Möglichkeit haben, das Gesamtwerk von EARTHSTAR mit dieser „Collected Works“-5-CD-Box im Jewelcase samt fettem Booklet zu erhalten. Berliner Schule trifft auf Krautrock und die amerikanische Innovation ihres Masterminds Craig Wuest. Alles (also vier LPs plus ein bis dato komplett unveröffentlicht gebliebenes Album) liebevoll restauriert und gemastert sowie – mit Ausnahme von „French Skyline“ – erstmals auf CD veröffentlicht. Ein goldenes Musik-Pfundstück der besonders ungewöhnlichen Art im Ami-Style samt KLAUS SCHULZE-Ge(h)hilfe, das den Krautrock-Fan zum Millionär macht...

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1768x gelesen, veröffentlicht am )

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  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
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  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
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Tracklist:
  • CD 1 = Salterbarty Tales = (58:19):
  • Splendored Skies And Angels 05:52
  • Serindego (including Rapid Of HU) 09:16
  • Salterbarty Ouverture 03:06
  • Wee Voices Touch 01:40
  • Broken Chain Of Euphoria 08:28
  • Canyon Nebula 22:17
  • Night Tones 05:14
  • Sunsets 01:19
  • Shades 01:07
  • CD 2 = French Skyline = (44:10):
  • Sirens 04:12
  • The Amazon 10:12
  • Flourishing Illusion 04:58
  • Splendored Skies And Angels 06:15
  • Morning Song (For Iris And Richard) 03:28
  • Sources Changed (Incl, The Movement) 04:49
  • Demensional Music 05:25
  • Wind And Sky Symphonie 04:51
  • CD 3 = Atomkraft? Nein Danke! = (47:33):
  • Golden Rendevous 07:29
  • Sonntagsspaziergang 05:12
  • Garden’s End 03:06
  • Wind Mills 05:35
  • Cafe Sequence 02:10
  • Cafe Exit 05:47
  • White Cloud 04:22
  • Solar Mirrors 03:41
  • Jet Sets 03:22
  • Forest Floor – Part I: Atomkraft? Nein, Danke! / Part II: Aras 06:49
  • CD 4 = Humans Only = (45:23):
  • Rainbow Dome 05:56
  • Don’t You Ever Wonder 04:49
  • Indian Dances 08:09
  • One Flew Over The Ridge 05:31
  • TV Funk 07:40
  • Tip Toe Funk – a) Umbrey Flowing Lights / b) Arrival Pieces 13:18
  • CD 5 = Sleeper The Nightlifer = (47:32):
  • Razor’s Edge 05:48
  • Billows Edit 04:16
  • Silent Ones 04:14
  • Water Dance 03:54
  • Indian Dances 10:59
  • Golden Rendevous 07:25
  • Chiarascuro 03:41
  • Embroidery 03:06
  • Sleeper Garden Path 04:09

Besetzung:

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