Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Blitzen Trapper: 100's Of 1000's, Millions Of Billions (Review)

Artist:

Blitzen Trapper

Blitzen Trapper: 100's Of 1000's, Millions Of Billions
Album:

100's Of 1000's, Millions Of Billions

Medium: CD/LP/Download
Stil:

Indie-Pop/Rock-Singer/Songwriter-Folk-Sixties/Seventies, Buddhismus

Label: Yep Roc Records
Spieldauer: 39:08
Erschienen: 17.05.2024
Website: [Link]

„Dieses ganze Projekt ist aus einer Kiste mit alten Vierspurbändern aus den 90er-Jahren entstanden, die ich kürzlich gefunden habe. Die Bänder waren voll mit Songs, die ich geschrieben und aufgenommen hatte, als ich 19 oder 20 Jahre alt war. Der Klang und der Geist dieser Aufnahmen haben mich dazu gebracht, wieder Musik zu schreiben und so zu arbeiten, wie ich es zu Beginn getan habe.“ (Eric Earley)

Nachdem Eric Earley, der Kopf hinter BLITZEN TRAPPER, schon auf seinem vorherigen Album „Holy Smokes Future Jokes“ deutlich mit übersinnlichen wie weltlichen Themen aus durchaus transzendentaler Sicht auseinandersetzte und dabei musikalisch wie thematisch zu überzeugen wusste, geht er nunmehr – nachdem er über 20 Jahr alte Bänder mit frühen Aufnahmen von sich wiederentdeckt hatte – noch einen Schritt weiter, indem er seine alten Songideen mit seinen neuen, deutlich vom Buddhismus geprägten Ansichten vereint und mit „100's Of 1000's, Millions Of Billions“ ein beachtliches wie streitbares Album raushaut, das Vertreter monotheistischer Religionen (Islam, Christentum, Judentum usw.) sicher nicht zu Begeisterungsstürmen hinreißen wird.


Darum eine kurze Erklärung: Monotheistisch Religionen = eine Art Diktatur des ein- und aufgezwängten, auf ausschließlich einen Gott fixierten Glaubens. Völlig anders der Buddhismus, der nicht den Anspruch auf einen einzigen – und zwar den seinen – Gott erhebt, sondern auch alle anderen Götter Andersgläubiger neben sich zulässt. Außerdem redet sich diese Religion nicht damit raus, im Sinne 'ihres' Gottes zu handeln, sondern durch ihr eigenes Handeln zu zeigen, dass sie Gott in sich trägt und ihn damit in die Welt hinaustragen kann.

Darum betont Earley im Vorfeld seines aktuellen Albums schon vorsorglich: „'Holy Smokes' machte mich mit dem tibetischen Totenbuch bekannt, das für mich eine Art Tor zur Welt des Buddhismus darstellte. Danach habe ich angefangen, tiefer zu graben und die Sutren zu lesen, was mich wirklich in die Praxis hineingezogen hat. Besonders fasziniert war ich von den buddhistischen Lehren über das Selbst und die Freiheit, die entsteht, wenn man lernt, die künstlichen Konstruktionen, die es umgeben, loszulassen. Der Buddhismus vermittelt uns, dass das Leiden aus dem Festhalten an Illusionen, an starren Ideologien und an der Idee eines individuellen Selbst entsteht. Das Tor, um sich von all dem zu befreien, ist die Meditation, und ich habe festgestellt, dass viele dieser neuen Songs ganz natürlich aus dem Bewusstseinszustand entstanden sind, in den ich mich während dieser Meditationssitzungen versetzte."


Somit ist klar, dass „100's Of 1000's, Millions Of Billions“ (der Titel stammt von einem Satz, der immer wieder in den Mahayana-Sutras auftaucht) ein Album geworden ist, das von den ruhigen, bewegenden und mitunter meditativ anmutenden Momenten lebt – aber auch ganz viele Erinnerungen an die Musik aufwirft, die wir bis ins Jahr 1980 von einem der wohl außergewöhnlichsten und bekanntesten Männer der Musik-Geschichte erleben durften, der - Achtung! Achtung! - von einem Fan und religiösen Fanatiker erschossen wurde. Denn immer wieder kommt einem bei BLITZEN TRAPPER sofort JOHN LENNON, der sich ja ebenfalls intensiv mit dem Buddhismus beschäftigte, in den Sinn – und das ist definitiv Absicht. Denn egal, ob wir dem Gesang oder den Texten lauschen – in BLITZEN TRAPPER lebt ein Lennon in gewisser (buddhistischer) Weise fort.
Hinzu kommen noch die schönsten Gesangsharmonien, wie man sie ähnlich aus dem Hause CROSBY, STILLS & NASH (ohne die markante Stimme von NEIL YOUNG) kennt, und schon hinterlässt „100's Of 1000's, Millions Of Billions“ eine unwiderstehliche Wirkung auf einen, der noch immer seine schönsten Platten der Singer/Songwriter wie Folk- und Brit-Pop-Szene der 60er-/70er-Jahre auflegt und genau die Musik-Aura genießt, die BLITZEN TRAPPER hier wiederaufleben lassen.

So prägt ein Song wie „Planetarium“ genau dieses Bild rund um den Ex-Beatle und vereint es mit Eric Earley, der betont: "Im Herzen ist es eigentlich ein Liebeslied, aber es verfolgt meine Reise durch die Therapie und darüber hinaus. Ich habe mich mit der Vergänglichkeit und Leere angefreundet, mit dem endlosen Fluss, der uns umgibt..."


Vieles an der Musik und den Songs erscheint surreal, mitunter etwas abgehoben, aber immer eben absolut authentisch, weswegen es wirklich von Vorteil ist, sich vor dem Hören des Albums ein wenig mit dessen Hintergründen auseinanderzusetzen, wobei leider trotz der bedruckten LP-Innenhülle die Texte in der vom Sound her sehr gut klingenden LP fehlen. Jedenfalls erscheinen diese Songs mit ihrer fesselnden (zutiefst menschlichen) Sicht auf Wiedergeburt und Transzendenz sowie die Kreisförmigkeit der Existenz, die sich ihren Weg durch den Raum jenseits von Traum und Realität, jenseits von Göttern und Sterblichen, einen Weg durch Leben und Tod bahnt, wie die Lösung eines Musikers auf der Suche nach dem Weg aus seinem eigenen Dilemma. Sehr aufrichtig wurzeln alle Titel in reichhaltigen Charakterstudien und tiefem Nachdenken. Vieles trägt hypnotischen Charakter, aber auch Psychedelisches („Bear's Head/At The Cove“) und echt Hit-Verdächtiges zeichnen diese komplexen wie komplizierten, fast immer ziemlich ruhigen, Stücke aus. Wortwörtlich lebt in ihnen eben nicht nur der buddhistische, sondern auch der lennonsche Geist!

Schon der flotte Album-Opener „Ain't Got Time to Fight“ hat das Zeug zu besagtem Hit, der verspielt-psychedelisch beginnt und dann in klarer Singer/Songwriter-Manier sein Eigenleben entwickelt, das in einem wundervollen Refrain all das entfaltet, was ein echter Hit braucht. Wollen wir hoffen, dass genau dieses Potenzial auch von anderen als ein paar (begeisterten) Kritikern entdeckt wird: „Oh my love, now I ain't got time to fight you...“


Auf BLITZEN TRAPPERs Album wird nicht gekämpft, zumindest nicht mit böser Absicht, sondern es wird nostalgisch an eine Zeit erinnert, in der sich die Flower-Power-Generation mit Blumen und Sex gegen Waffen und Krieg zu wehren versuchte, man sie aber nicht hören und verstehen wollte.
Ähnlich könnte es auch BLITZEN TRAPPER mit diesem Album ergehen, das trotzdem (oder gerade darum) ganz großartig ist, auch wenn es beim Hören mehr Freigeistigkeit wie Toleranz erfordert, als man es heutzutage in all dem Schubladendenken und Führungsgehorsam oder Religionshörigkeit noch zustande zu bringen in der Lage ist.
Oder man läuft ähnlich wie der tragisch-traurige Held in „Cosmic Backseat Education“ durch die Gegend, der bei all dem Scheiß, den man ihm in seiner Kindheit erzählte, immer nach (s)einer Rettung in der Musik suchte. Ja, ein Song eben, der wohl definitiv die autobiografischen Züge eines Eric Earley in sich trägt.


FAZIT: „Was mir am meisten auffiel, war, wie zwanglos und spontan das alles war. Ich arbeitete ohne Gedanken an die Musikindustrie, ohne die Erwartung, etwas zu veröffentlichen oder auf Tournee zu gehen, also nahm ich einfach alles auf, was mir in den Sinn kam, und ging weiter. Es hatte etwas Rohes, wie aus einer Zeitkapsel, und es erinnerte mich daran, warum ich mich überhaupt in das Musikmachen verliebt hatte.“ Und nun bleibt dem Hörer von BLITZEN TRAPPERs „100's Of 1000's, Millions Of Billions“ im Grunde nur noch übrig, sich ebenfalls in dieses Album zu verlieben, das sich unerbittlich von allen Erwartungen der Industrie entfernt, um ein völlig eigenständiges und von allen Zwängen befreites Indie-Pop/Rock-Singer/Songwriter-Folk-Sixties/Seventies-Leben zu entfalten und dabei sogar Buddha seinen Bauch zu streicheln versucht, während ein JOHN LENNON garantiert von seiner Wolke dazu Beifall klatscht. Ein echter Geheimtipp, der es verdient hätte, nicht nur Geheimtipp zu bleiben!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 854x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 13 von 15 Punkten [?]
13 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Seite A (18:32):
  • Ain't Got Time To Fight (3:30)
  • Dead God Of The Green Arising (2:31)
  • Cosmic Backseat Education (3:19)
  • Hesher In The Rain (3:24)
  • Cheap Fantastical Takedown (3:37)
  • So Divine (2:11)
  • Seite B (20:36):
  • Planetarium (3:54)
  • Hello Hallelujah (2:44)
  • Long Game (3:20)
  • View From Jackson Hill (2:22)
  • Upon The Chain (2:49)
  • Bear's Head/At The Cove (5:27)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Was kommt aus dem Wasserhahn?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!