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Albinobrothers: Goliath Awakes (Review)
Artist: | Albinobrothers |
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Album: | Goliath Awakes |
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Medium: | CD/Download/LP+DL-Code | |
Stil: | Blues, Psyche, Indie, Folk, Country, Kraut |
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Label: | Krakenduft Records | |
Spieldauer: | 44:23 | |
Erschienen: | 17.05.2024 | |
Website: | [Link] |
Oh jeh! Bei dem Namen 'Goliath' gibt’s heutzutage schon ein ernsthaftes Problem, denn es steht die Frage im Raum, soll man hier nun die Bibel zurate ziehen, und nochmal über den von seinem schwächlichen Bruder David erschlagenen hünenhaften Krieger der Philister nachlesen oder sich der vierstaffeligen amerikanischen Anwaltsserie zuwenden, in der besagter Goliath nicht nur eine Leidenschaft für Süchte, sondern auch einen absolut hohen Gerechtigkeitssinn und außerordentlich guten wie eigenartigen Geschmack für Musik entwickelt. Der würde bestimmt auch bei den ALBINOBROTHERS mehr als neugierig werden...
Der eine Goliath hin, der andere Goliath her – im Grunde aber werden beide durch die ALBINOBROTHERS und ihr „Goliath Awakes“ wiedererweckt. Und zwar indem die traurigen Lehren der biblische Goliath-Geschichte, wenn man diese und ihre Folgen weiterspinnen würde, mit bestem musikalischen Gespür verarbeitet und vorgetragen wird: „I tattoed murders and moviestars – the skin was the same...“
Im Geiste eines SYD BARRETT und einer extrem schrägen Vorstellung von Texten, die einen nicht nur packen (Hört man genauer hin oder liest sie gleich im Inneren des fein gestalteten LP-Gatefoldcovers mit!), sondern auch beängstigen, verunsichern oder gar das Gruseln lehren. Denn wie anders sollte man mit den ersten deutsch geflüsterten Zeilen (alle weiteren Worte beschränken sich auf das Englische) in dem das Album eröffnenden Titelsong umgehen: „Mein Vater schnitt mir an meinem 6. Geburtstag die Zunge heraus: Sein Geschenk; ein Geschenk der Stille.“
„Goliath Awakes“ lassen – ganz im Sinne der außergewöhnlichen ALBINOBROTHERS, hinter denen sich vorrangig die finsteren Gedanken und das musikalische Können von TOBIAS WERNER (gemeinsam mit Schlagzeuger RONNY WUNDERWALD) verbergen – den schlimmsten Traumata, die man sich vorstellen kann, freien Lauf – und zwar in einer Perfektion von Wahnsinn und Genie bis hin zu (verstecktem) Schönklang und Kakophonie!
Das klingt irgendwie episch.
Die Musik auf „Goliath Awakes“ ist es auch!
Genauso wie das Label 'Krakenduft Music', auf dem das Album erscheint und die sich in ihrem Begleittext dazu hinreißen lassen, bei dieser Musik von der Tatsache su sprechen, dass es nicht um das Publikum geht, sondern „um Haltung und Reinigung, Selbsterkenntnis und Selbstverhexung“.
Es ist einfach herrlich und höchster Ehren sowie Anerkennung wert, dass die ALBINOBROTHERS genau dort weitermachen, wo sie mit „Listen! 29 Prayers 2010 – 2019“ aufhörten und somit zugleich ihre Eigenbeschreibung bestätigen, in der sie feststellten, dass dieses Duo einem alten Whiskey und zugleich einer frisch geschliffene Klinge sowie einem erfahrenen Rausch gleicht. Bei den Beiden muss man definitiv nicht nur um die Ecke denken, sondern auch um die Ecke hören.
Oder, um es kurz zu machen, sie sind einem SYD BARRETT verdammt ähnlich, nachdem er zugedröhnt einfach von seiner Stammband PINK FLOYD stehen- wie hängengelassen wurde, alsbald in ein tiefes Loch fiel, um daraufhin in seinem dauerbekifften Zustand ein paar Solo-Alben aufzunehmen, die heute in ihrer komplett schrägen Art absoluten Kult-Charakter haben, während sich ein ROGER WATERS schrecklich lahmarschig und schaurig durch das ehemalige Kult-Album „Dark Side Of The Moon“ als Redux-Variante schwadroniert und am Ende nur noch der Eindruck übrigbleibt, dass das mit Abstand Beste an dessen Doppel-LP das LP-Cover mit dem Hundegesicht ist.
Übrigens drängt sich der Vergleich mit ROGER WATERS mehrfach fast zwingend auf, denn es gibt so einige Momente auf dem „Goliath Awakes“-Album, in denen der Gesang sowie die schrägen Töne von Tobias Werner einem Mr. Waters gehörig nahe kommen – und oftmals zudem der Eindruck geweckt wird, dass die vokalen Beiträge mit voller Absicht ziemlich schräg klingen.
Allerbestes Beispiel hierfür ist definitiv der zweite Song „Pandora“, bei denen die ALBINOBROTHERS tatsächlich eine finstere Waters-Box öffnen und die dann auch noch mit einem mächtig süchtig machenden Saxophon wieder schließen und unweigerlich an „Goodbye Cruel World“ von „The Wall“ erinnern.
Nur dass diese mitunter wie besoffen klingende Klangstruktur bewusst herbeigeführt wird, merkt man sofort, wenn demgegenüber herrlich melodiöse Töne den einzelnen Songs entsteigen, so als wäre ein Barrett wieder clean und besänne sich seiner frühen Vokal-Grandiositäten, wenn er 'Arnold Layne' auf Unterwäschediebstahl schickte oder die Vogelscheuche 'Scarecrow' alle Krähen dieser Welt verjagen ließ.
Und ja, genau diese „Scarecrow“-Momente des Jahres 1967 kommen einem auch bei „Goliath Awakes“ immer wieder in den Sinn.
Sie sind gar so eine Art Grundlage für all das, was einem bevorsteht, wenn man sich ernsthaft auf den übergroßen Bruder, der von dem vermeintlich kleineren getötet wurde, nur weil man diesen unterschätzte, einlässt.
„Goliath Awakes“ ist die unweigerliche Vogelscheuche, die alle Krähen und anderes fliegendes Getier verscheucht, die den Namen 'Schönklang' oder 'Normalität' oder 'Harmonie' tragen. Die bleiben gefälligst in der Box der Pandora, die da inmitten eines Feldes steht und bewacht von einer Vogelscheuche, die unverkennbar SYD BARRETT aufgestellt hat, ihr Unwesen treibt.
„Goliath Awakes“ ist ein psychedelischer, oftmals sehr Akustik-Gitarren-ausgerichteter Trip durch die Untiefen der menschlichen Seele, die mit all ihrer Unberechenbarkeit und Schrägheit ebenso unberechenbar und schräg vertont wurde.
Natürlich gibt’s hierbei auch ein hämmerndes Schlagzeug-Solo, wie in „Double Tumbler“ genauso wie Delta-Blues-Klänge, die einen an Robert Johnson, welcher der Geschichte nach einen Pakt mit dem Teufel schloss, um noch besser Gitarre spielen zu können, als er es bereits draufhatte, erinnern.
Alles, alles ist bei den ALBINOBROTHERS erlaubt – nur nicht das Normale und Angepasste, das Gerade und Sterile, das Schöne und Harmonische.
Oder um es mit den gelungenen Worten des Promo-Schreibens von 'Krakenduft Records' (Der absolute Geheimtipp unter den deutschen Platten-Labeln überhaupt, wenn man sich gerne auch psychedelischen Traumwelten öffnet!) auszudrücken: „Mit 'Goliath Awakes' legen die ALBINOBROTHERS eine Platte vor, die bis zur Hüfte im sumpfigen Blues, in uralten Liedern und visionären Klängen steckt. Zeilen tropfen manchmal so unverhofft inmitten wunderschöner Instrumentals, als würden sie aus einem Tagtraum aufgeschreckt. Oder wie Erkenntnis, die sich aus einem lysogenen Rausch schält, kurz die Oberfläche durchbricht und wieder verzweigt und überlagert wird, als hätte es den Weg, den diese Songs nehmen, gebraucht, um zu den jeweiligen Gedanken zu gelangen. Minimalistisch. Echt. Roh.“
Die ALBINOBROTHERS schaffen den musikalischen Soundtrack für die düstere Katharsis einer Zeit, die von Kriegen und Pandemien genauso geprägt ist wie von dem ewigen Wegschauen und so tun, als gäbe es nur ein Schwarz-Weiß, während in den von uns selbst geschaffenen Parallelwelten die wildesten Farben verrückt spielen und wie zu Zeiten der floydianischen Psychedelik ineinanderfließen und verschwommen ihr unberechenbares Unwesen treiben.
Ein musikalischer Trip mit unberechenbaren Nebenwirkungen!
FAZIT: Alle Freaks und surreal veranlagten Musikleidenschaftler vortreten: Hier gibt’s das perfekte Musikfutter für euch, das man keinesfalls mit aufblähendem Studentenfutter verwechseln sollte, denn die wären garantiert zu intellektuell, um den psychedelischen Folk- und Blues-Surrealismus genießen zu können, zu dem ein SYD BARRETT auf seiner Wolke oder in der von PINK FLOYD für ihn gezimmerten Gruft garantiert begeistert Beifall klatscht. Oh ja, nach diesem schräg-bedrohlichen Stück musikalischen Wahnsinns, der noch dazu den guten Goliath und dessen tragische Geschichte (Denn wer wird schon von seinem kleineren und viel schwächeren Bruder erschlagen?) ins Spiel bringt. „Goliath Awakes“ von den ALBINOBROTHERS ist genau das, was man als Musikkenner und besonders Freund schwer psychedelischer, mitunter unbegreiflicher Musikgeheimnisse zwischen Folk, Blues und Schrägheit unbedingt in seinem Plattenschrank stehen haben sollte. Denn genau dann, wenn mal wieder irgendwer klug-weise-allwissend über den guten Syd spricht, darf man als Noch-mehr-Wissender genau dieses Album aus seinem Plattenschrank ziehen, über Brüdermord und Vogelscheuchen, herausgeschnittene Zungen und tätowierte Mörder wie Filmstars sprechen und diese auf 200 Stück limitierte LP auflegen. Das verschafft einem nicht nur Anerkennung, sondern macht viele bestimmt auch neidisch darauf, selbst wenn sie keine Großstadt-Mädchen sind, die am Ende des Albums – wie besungen – mit Orang-Utans durch die Großstadt schleichen, in der Hoffnung, unentdeckt zu bleiben. Die ALBINOBROTHERS jedenfalls sind eine große Entdeckung – für Freaks und Kauze, eben genau für solche Leute wie du und ich, die längst erkannt haben, dass, wenn man immer mit der Herde läuft oder auf diese hört, nur Ärsche vor sich sieht und Dünnschiss aus den Boxen tröpfelt...
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Seite A (22:09):
- Goliath Awakes (4:14)
- Pandora (3:48)
- Withered In Dignity (3:16)
- The Massacre (3:54)
- Conclusions (6:57)
- Seite B (22:14):
- Out Of The Protest (5:02)
- Double Tumbler (5:04)
- Refused To Work (4:08)
- Frozen (4:19)
- Big City Girl (3:41)
- Bass - Tobias Werner, Tilman Schmidt
- Gesang - Tobias Werner, Rosa Weigelt
- Gitarre - Tobias Werner
- Keys - Tobias Werner
- Schlagzeug - Ronny Wunderwald
- Goliath Awakes (2024) - 12/15 Punkten
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