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Martin Eden: Sol (Review)
Artist: | Martin Eden |
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Album: | Sol |
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Medium: | CD/Download | |
Stil: | Experimenteller Kraut- und Progressive-Rock, Soundscapes, Chanson |
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Label: | Eigenproduktion | |
Spieldauer: | 42:50 | |
Erschienen: | 13.09.2022 | |
Website: | [Link] |
Vor gar nicht all zu langer Zeit wurde unter der Prog-Gemeinde mit großer Freude die Nachricht aufgenommen, dass sich die deutsche Prog-Band CHANDELIER nach Jahren der Stille – und der Tatsache, dass man ihre vielfältigen Prog-Ideen sowie einen Nachfolger auf ihre anspruchsvollen Alben ernsthaft vermisste – wieder reformiert hatten und sofort bei ihrem ersten Live-Auftritt auf dem Loreley-Festival die Massen begeisterten.
Als ganz besonders eifrig, wenn es um kunstvolle Dinge geht, erweist sich nun CHANDELIERs Sänger MARTIN EDEN, der erst ein herrlich ironisches und voller schwarzhumorigen sowie musikalischen und historischen Breitseiten flankiertes Buch mit dem wunderbaren, vielversprechenden Titel „Commander Pimmel – eine Prog-Trash-Novela“ schrieb und mir ein Lese-Exemplar mit einem Kärtchen auf dem „Lieber Thoralf, viel Spaß mit meinem Pimmel wünscht Martin“ stand, zukommen ließ und nun eine 'pimmellose' Solo-CD von ganz anderem, deutlich ernsteren Kaliber vorlegt, die einen durchaus sprachlos zurücklässt, weil man dem Sänger von CHANDELIER wohl niemals so ein Solo-Album, welches fast ohne Gesang auskommt, aber dafür tief in experimentell-krautige Zeiten voller Soundscapes und Electronics eintaucht, zugetraut hätte.
MARTIN EDEN wandelt ganz offensichtlich auf den Loop-Spuren solcher Größen wie BRIAN ENO und ROBERT FRIPP, als die mit ihrem 'Kollaborationsalbum' „No Pussyfooting“, das auch so unglaublich anders als die Musik ihrer damaligen 'Hausbands' KING CRIMSON und ROXY MUSIC klang, wahrhafte Musik-Geschichte schrieben und den Weg für viele Musiker ebneten, die sich ganz auf ihr Können und den Hang von musikalischen Experimenten, die sich von A wie Ambient bis P wie Prog bewegten, verließen.
Und wer es nicht seit CHANDELIER längst weiß, dass MARTIN EDEN eine charismatische Stimme besitzt, die sich sofort einprägt...
...der darf auf „Sol“ zwar keinen ausgiebigen, dafür aber englisch- und französischsprachigen Gesang genießen, was bei dem Longtrack „Le pays de la paix“ eine weltmusikalische Atmosphäre entwickelt, die einen an den grandiosen Schweizer Pop-Chansonier STEPHAN EICHER denken lässt.
Zudem bringt er auf der Rückseite der Kartonhülle mit durchaus (und da ist er wieder) hintergründigem, aber nicht pimmellastigen Humor, einer ganz offensichtlich moralischen Botschaft noch etwas zu dem immer verrückter werdenden Zeitgeschehen unter, sodass wir einerseits zu seiner Musik lesen dürfen: „Privat pressing – for talented ears only“, und andererseits zur Weltenlage: „I know it's out of time but … GIVE PEACE A CHANCE!“
Was dieser Typ, der niemals jenseits sondern immer diesseits von EDEN ist, zum Zeitpunkt der Aufnahmen wohl noch nicht ahnte, war, dass ein russischer Diktator seine stalinistische Leidenschaft wiederentdeckte und einen Krieg nicht nur innerhalb seines Landes, sondern nunmehr auch gegen die Ukraine führen würde. Dieser KGB-Putin sollte lieber gute Musik hören – wie dieses Album – aber nicht in Rammstein-Manier auf alles feuern, was ihm gerade unter seinen Raketenwerfer kommt.
Da bleiben wir dann doch besser bei den „Rauchende[n] Giraffen surfen auf schmelzenden Eisbären II“, dem Cover-Bild von Ingo Steinhäußer, welches die CD ziert. Und klar doch – MARTIN EDEN geht es nicht nur um den Frieden, sondern auch ums Klima. Auch wenn man das alles nicht der Musik dieser außergewöhnlich experimentellen Krautrock-Scheibe anhört, so spürt man es auf jeden Fall. Selbst wenn man sich bereits während des ersten Hördurchgangs fragt: „Welch 'spinnerte' Idee setzt dieser Herr Eden als nächstes in Musik um?“
Unweigerlich wird man nach „Consensus“, das mit seinen fetten Bässen und den bewusst schrägen Tönen alles andere als nach einem musikalischen Konsens sondern viel mehr nach dem begnadeten NIEMEN und seiem „Katharsis“-Album klingt, immer verunsicherter.
Wie weit treibt es der CHANDELIER-Musiker mit diesem so gar nicht nach CHANDELIER klingenden Album noch?
Aber klar doch: „Le pays de la paix“ beginnt in seiner ganzen 12-minütigen Schönheit wie ein französisches Chanson, dass sich in elektronischen Klangexperimenten verliert, die sich über den stoisch bis zum Ende geführten, auf französisch gesungenen, Song immer wieder legen. So als würde ein ENO den Sänger bei seiner Arbeit stören wollen. Der doppelt stattdessen daraufhin seinen Gesang… Echt gewöhnungsbedürftig, aber mindestens ebenso geil!
Man kann sich MARTIN EDEN und seiner musikalischen Experimentierfreudigkeit, die leider schon nach „De zachtmoedigheid van de tovenaar“, einem elektronischem Stück, das sicher auch allen, die gern mal tangerine-verträumt alte Elektronik-Platten auflegen, gefallen wird, endet, einfach nicht entziehen. „Sol“ ist auf gewisse Weise ein Meisterwerk, das für viele viel zu verstörend ist, als dass man es als solches erkennt. Denn Voraussetzung wäre, dass man sich viel Zeit für dieses Album nimmt, um in all den überraschenden Wendungen und Spielereien diesen kleinen genialen Geist zu erkennen, der ihm innewohnt – und der eben nur von 'talented ears only' entdeckt werden kann.
FAZIT: Wenn der CHANDELIER-Sänger mal ganz verrückt drauf ist, dann nimmt er völlig allein einfach mal so eine Solo-CD auf, die so krautrockig und wirr ist, dass sie zwischen Genie und Wahnsinn – oft mit deutlichem Hang hin zum Wahnsinn – klingt. Doch dieser Wahnsinn geht ganz schnell in eine wahnsinnige Begeisterung beim Hören, schon all der Stimmungs-, Instrumente- und Rhythmus-Wechsel wegen, über. Und ja: Singen tut dieser MARTIN EDEN auf „Sol“ auch noch – und das gleich in mehreren Sprachen. Und um all dieser Verrücktheit noch eins draufzusetzen, 'bestückt' er das Cover mit einem Bild, das den hochinteressanten und zugleich verstörenden sowie alle 'Letzten Generationen' auf den Plan rufenden Titel trägt: „Rauchende Giraffen surfen auf schmelzenden Eisbären II“. GIVE PEACE A CHANCE – und hört unbedingt dieses Album!
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Mary
- Consensus
- Le pays de la paix
- De zachtmoedigheid van de tovenaar
- Bass - Martin Eden
- Gesang - Martin Eden
- Gitarre - Martin Eden
- Keys - Martin Eden
- Schlagzeug - Martin Eden
- Sol (2022) - 13/15 Punkten
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