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Poliça: Madness (Review)
Artist: | Poliça |
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Album: | Madness |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Indie-Pop |
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Label: | Memphis-Industries | |
Spieldauer: | 31:53 | |
Erschienen: | 03.06.2022 | |
Website: | [Link] |
Schon immer ging es bei dem Elektro-Art-Pop-Ensemble POLIÇA eher um Konzepte, philosophische Konstrukte und genresprengende klangliche Experimente als um Pop-Musik. Die Krönung dieser Entwicklung war sicherlich das Album „Music For The Long Emergency“, welches das Quintett 2018 paritätisch mit dem Berliner Avant-Garde-Streicherensemble STARGAZE einspielte. Insofern dürfte das letzte POLIÇA-Album „When We Stay Alive“, das aus 10 relativ melodischen Tracks bestand, von denen viele eine Spielzeit von unter 4 Minuten hatten und damit nach POLIÇA-Maßstäben durchaus noch als Pop-Songs durchgingen, eher eine Anomalität im Oeuvre der Band aus Minneapolis.
Das neue Album „Madness“ ist eine erneute Rückkehr zum Abstrakten. Es gibt nun 5 lautmalerische, elegisch/düstere Tracks, die von einer Klammer aus zwei rhythmisch herausfordernden Songs eingeklammert werden – dem als Single veröffentlichten Club-trächtigen Opener „Alive“ und das mit sanften Reggae- und Dub-Grooves getragene „Sweet Memz“ als letztem Song.
Der Umstand, dass sich die Band mit Ben Ivascu und Drew Christoperson nach wie vor zwei Drummer leistet, macht sich – zumindest auf dieser Studio-Produktion - nicht besonders bemerkbar. Was hingegen eigentlich im Mittelteil von „Madness“ und im Hintergrund der Arrangements passiert, bleibt geheimnisvoll, denn RYAN OLSON, der kreative Mastermind der Band, nutzt ein neues produktionstechnisches Hilfsmittel: das „anthropomorphische Produktionswerkzeug“ namens „AlloVers(c)“. Was genau das ist, verrät er natürlich nicht – es muss aber eine Art AI-Tool sein, mit dem ursprünglich gelenkte, aber unvorhersehbare kreative Prozesse klanglicher Natur sowohl auf elektronischer wie auch getweakt organischer Basis generiert werden können. Das ist insofern recht charmant, als dass es ein wunderbar passendes musikalisches Gegenstück zu den doch ziemlich codierten, verquasten Lyrics der Frontfrau CHANNY LEANAGH darstellt - die dann produktionstechnisch und gesanglich mit viel Hall und Delay noch zusätzlich klanglich vernebelt werden.
Warum der vielleicht radikalste Track, die erste Single „Rotten“, überhaupt nicht den Weg auf den Longplayer gefunden hat, bleibt allerdings ebenso undeutlich wie der inhaltliche Gehalt.
In der Bio werden diverse Kollaborationen mit VELVET NEGRONI's JERMEY NUTZMAN, BOYS NOIZE, CJ CAMAMERIE und AARON BAUM sowie der beteiligten Produzenten ALEX RIDHA und ALEX NUTTER aufgelistet. Worin diese bestehen und wer was macht, ist nicht herauszuhören – was im Umkehrschluss bedeutet, dass „Madness“ ein insgesamt sehr kollaboratives Projekt gewesen sein muss.
Das hört sich jetzt alles verwirrend an – soll es aber gar nicht sein, denn POLIÇA gehören zu den Bands, die stets an die Grenzen des Machbaren gehen und vor keiner radikalen Idee zurückschrecken. Das ist auch dann maßgeblich und bewundernswert, wenn – wie in diesem Fall – keine eingängige Hitsammlung dabei herauskommt, sondern anspruchsvolle, komplexe und leicht provokative Klangkunst.
FAZIT: Worüber CHANNY LEANAGH sich Gedanken macht, lässt sich nicht einmal dann eruieren, wenn die Lyrics überhaupt einmal verständlich aus dem Klangnebel auftauchen – oder wie im Falle der vorab veröffentlichten Single-Titel des neuen Albums bereits den Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben. Irgendwie geht es in „Madness“ von POLIÇA um Feminismus, Sex, Selbstfindung, Gewalt, Verderbnis und Wahnsinn. Als Texterin fasst C. LEANAGH ihre Lyrics, die sie unter dem Eindruck eines schweren Unfalls wohl in autotherapeutischer Absicht schrieb, mit den Worten zusammen: „I am here for you all and I am never truly myself here“. Gerade diese Ambivalenz macht besonders auch den Reiz des Projektes aus, denn so ist „Madness“ eine Art musikalisches Labyrinth geworden, in dem sich der Hörer auf der Suche nach Hinweisen gerne verlieren kann.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Alive
- Violence
- Away
- Madness
- Blood
- Fountain
- Sweet Memz
- Bass - Chris Bierden
- Gesang - Channy Leanagh
- Gitarre - Amy Milan
- Keys - Ryan Olson
- Schlagzeug - Drew Christopherson, Ben Ivanescu
- Madness (2022) - 11/15 Punkten
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