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Geir Sundstøl: Brødløs (Review)
Artist: | Geir Sundstøl |
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Album: | Brødløs |
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Medium: | CD/Download | |
Stil: | Ambient / Country / Slide Guitar / Electronica |
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Label: | Hubro / Broken Silence | |
Spieldauer: | 37:14 | |
Erschienen: | 19.10.2018 | |
Website: | [Link] |
Wenn ein Tonträger im typischen Hubro-Design ins Haus flattert, darf man meistens mit der musikalischen Entsprechung eines Überraschungseis rechnen. Inhalt ungewiss, auch wenn man die Möglichkeiten dessen, was geboten wird, in einem gewissen Umfang einschränken kann. Jazz-Dekonstruktionen, Ambient, Noise sowie schlicht Freude am Klangexperiment sind die gemeinsamen Nenner aller Veröffentlichungen des skandinavischen Labels, und diesbezüglich könnte GEIR SUNDSTØL nicht besser dort aufgehoben sein.
Der Norweger, der dieser Tage seinen 50. Geburtstag feiert, versteht sich derzeit auf Musik, die wie für Klanginstallationen anlässlich einer stylischen Vernissage oder das sprichwörtlich große Kino geschaffen erscheint. Einerseitz setzt Geir auf vertraute Mitstreiter wie Nils Petter Molværs Stammschlagzeuger Erland Dahlen oder den Organisten David Wallumrød von den Prog-Helden Needlepoint, andererseits spannt er eine Tabla-Spielerin ein, auf die er beim Hören von Bugge Wesseltofts "New Conception" stieß. Der stilistisch ohnehin schlüpfrige Künstler hatte also ein Bedürfnis nach Veränderung, wie er selbst betont, ohne sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen.
Der Titel der Scheibe trügt unterdessen, denn genauso wenig, wie der Protagonist brotlose Kunst betreibt - schließlich war er in den vergangenen 30 Jahren an sage und schreibe knapp 300 Plattenproduktionen beteiligt, reiste mit Pop- wie Jazz-Größen um die Welt und wurde dank seines Schulterschlusses mit dem Singer-Songwriter Jimmie Dale Gilmore zu einem Feuilleton-Gesprächsthema, von dem sich die Coen-Brüder für ihren Film "Fargo" inspirieren ließen -, hat das "Brødløs" jene naheliegende Bedeutung im Deutschen. Es ist der Name des Stadtteils von Halden, aus dem Sundstøl stammt, und apropos Filme …
Weder das pastorale “Furulund” (2015) noch “Langen Ro” (2016), die beiden einzigen Soloalben des Multi-Instrumentalisten bisher, verfügten über einen so ausgeprägten Soundtrack-Charakter wie dieses. Bereits 'Snev' weist eine gewisse Spaghetti-Western-Dramatik, deren für Kenner ersichtliche Signale (darunter eine hervorstechende Mundharmonika, die auch im Folgenden maßgeblich bleiben soll) gewiss nicht unterschwellig gesetzt werden. 'Leben' versprüht dann mit Trompete nordische Kühle, wobei das rhythmische Fundament allenthalben vage bleibt oder wie daraufhin in 'Læms' gänzlich wegbricht.
Unterdessen lässt der passionierte Sammler aller erdenklicher Klangerzeuger das Slide-Röhrchen singen, entlockt einer Dobro blecherne Klänge oder zupft seine vielen anderen Saiteninstrumente so, dass man sie zunächst nicht als solche erkennt. Der Wiedererkennungswert der teils recht kurzen Stücke ist aber weit höher als bei herkömmlichen Alben im Ambient-Bereich, dem man dieses hier ebenfalls grob zuordnen könnte - höre dazu die erste Hälfte des ansonsten perkussiven 'Kraag' ider 'Kulten', die beide übrigens auch irgendwie "asiatisch" anmuten. Waterlook wäre abschließend ein Kandidat für einen alternativen Score zu "Paris, Texas" gewesen.
Ach ja, 'Warszaw/Alabama' ist eine motivische Verschränkung ebenjener Titel (das entrückte 'Warszawa' vom Album "Low") von David Bowie und Brian Eno sowie John Coltrane (der politische Sprengstoff auf "Live At Birdland"), womit Sundstøl sein Selbstverständnis als Musiker auf den Punkt bringen mag: Pop-Verständnis und Jazz-Freigeist widersprechen sich bei ihm nicht, sondern sind Talente bzw. Geisteshaltungen, ohne die er nicht so klänge, wie es der Fall ist.
FAZIT: Bei "Brødløs" handelt es sich um ein in seiner lässigen Art dennoch spanneneds Stück Klangkunst zwischen bloßer Muzak-Berieselung und Programmmusik, das leise Traurigkeit ausstrahlt und vergilbte Bilder in Sepia-Tönen am geistigen Horizont vorbeilaufen lässt. Staubiger Country, orchestrale Dichte und rhythmische Ökonomie mögen als Schlagwörter zur ungefähren Beschreibung genügen, die Wirklichkeit erfährt man nur, indem man dieses atmosphärische Meisterstück selbst hört.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr