Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Konstantin Wecker: Ohne Warum (Review)

Artist:

Konstantin Wecker

Konstantin Wecker: Ohne Warum
Album:

Ohne Warum

Medium: LP+CD/CD
Stil:

Deutscher Liedermacher mit Texten die ihresgleichen suchen

Label: Sturm & Klang / Alive
Spieldauer: 74:21
Erschienen: 19.06.2015
Website: [Link]

Unser KONSTANTIN, ehemaliger deutscher Liedermacher-Gott mit leichtem Hang zu ganz Wien, weil dort laut GEORG DANZER, dem viel zu früh verstorbenem österreichischen Liedermacher-Gott, alle von Kokain träumen, überrascht uns mit einem neuen Studio-Album, das nicht etwa „Ohne Wenn und Aber“, dafür aber „Ohne Warum“ heißt. Trotzdem gibt‘s da dieses „Warum?“ - nämlich: Warum faselt der Kritiker dieser Zeilen hier von einem „ehemaligen deutschen Liedermacher-Gott“, wo dieser WECKER doch noch immer sehr lebendig und kreativ ist?
Ja, wie soll ich‘s sagen, aber wenn sich ein Freigeist und ehemals extrem kritischer Liedermacher mit einer Partei ins rote Bettchen legt, die ehemals den DDR-Überwachungs- und Unterdrückungsmechanismus maßgeblich vorantrieb, damit er in deren Sinne einen Bundespräsidenten wählen darf, dann hat er zumindest aus Sicht dieses Kritikers seine Reputation als öffentlicher Liedermacher-Gott mit freigeistigem Lyrik-Heiligenschein verspielt. Doch trotzdem zählen in diesem Falle ja die Musik und die Texte, nicht nur die Person dahinter, auch wenn deren Glaubwürdigkeit schon seit Jahren gehörig bröckelt. Wohl auch deshalb gibt‘s auf „Ohne Warum“ den Song „Dass alles vergänglich ist“, der irgendwie auch ein wenig nach einer Entschuldigung Weckers klingt, da er manchmal einfach den Verlockungen des Lebens erlag und dabei wohl so einige Botschaften, die er in seinen Liedern und Büchern verbreitete, nicht selber zu verwirklichen vermochte. Dafür aber ist er eins immer mit Leib und Seele gewesen und geblieben, ohne Wenn und Aber und auch ohne jegliches Warum: ein „radikaler“ Pazifist, der für Frieden kämpft und dabei Krieg ablehnt und dem Gerechtigkeit mehr wert ist als Gehorsam im Interesse eines angeblich demokratischen Staates, den er durchaus zurecht (!!!) auf seinem neusten Album mit solchen Vokabeln wie „Mörderstaat“ oder „geschichtsvergessen“ tituliert, die dann in einer Zeile wie: „Deutschland schickt sich wieder an, im Namen des Friedens zu morden!“ (Die Mordnacht von Kundus) gipfelt. Nicht Weckers Worte sind in diesem Falle das Schlimme, nein, es ist die Tatsache, dass er wirklich Recht hat und sich als Künstler das Recht nimmt, dies auch so offen und unerbittlich auszusprechen!
Warum nur hört unser Volk nicht vielmehr auf seine Künstler, sondern stattdessen auf seine Politiker, die in diesem Land mit Lobbyismus und Herzlosigkeit selbst Kriege als Mittel eigener Machtdurchsetzung betrachten und einfach ein anderes Wort dafür erfinden: „Friedensmission“!? Noch lächerlicher ist aber die Tatsache, dass solche Schein-Moralisten auch noch aus Parteien kommen, die in ihren Namen ein „Christlich“ tragen oder ehemals Grün waren, bis sie den Pazifismus-Begriff aus ihrem Parteiprogramm strichen, um friedensmissionierenden Kriegen zuzustimmen. Man könnte in diesem Falle ausspucken vor Ekel - doch keiner sieht‘s. Aber KONSTANTIN WECKER spuckt auch aus, mal singend, mal im Sprechgesang oder auch ausschließlich sprechend und von einem Piano begleitet.
Und wir alle sollten es hören!

Ohne Warum“ ist ein recht wütendes Album geworden und eins der besten Wecker-Alben überhaupt, so eine Art „Wecker-Erleuchtung“. Auch musikalisch spielt Wecker die ganze Bandbreite seiner Musik-Affinität aus: ob rockend in „Revolution“, leicht jazzig in „Und dann“, balladesk trauernd in „An meine Kinder“ bzw. „Fast ein Held“ und „Auf der Suche nach dem Wunderbaren“, mit Kinderchor bei „Die Gedanken sind frei“ oder weltmusikalisch im Duett mit Sängerin bei „Ich habe einen Traum“ und „Revolution“ sowie natürlich sprechend, appellierend auf „Krieg“, einer weckerschen Fortsetzung des gleichnamigen GEORG HEYM-Gedichts, und bei „Willy 2015“, der endlich wieder auf ein Wecker-Album zurückgekehrt ist. Denn gerade Willy brauchen wir, weil: „Ich habe Angst, dass wir 100 Jahre nach dem 1. Weltkrieg wieder kurz vor einem neuen großen Krieg stehen! [...] Die Medien manipulieren wie lange nicht mehr.“ Und natürlich kommt dabei auch Dresden und die Pegida und unser herzloser Umgang mit den Flüchtlingen ins Gespräch!
Gut so, KONSTANTIN WECKER!
Du überraschst endlich auch die wieder, die sich einstmals von dir abwandten, wie beispielsweise so einen wie mich, der sich erst vor dieser Kritik scheute und nun froh darüber ist, diese Aufgabe doch übernommen zu haben. Selbst wenn es das eine oder andere „Warum“ zu Weckers Album gibt, ist Ohne Warum schlichtweg eine seiner textlich-musikalischen Meisterleistungen geworden. Kein biederes Alterswerk, sondern der Aufruf zur „Revolution“ eines gestandenen Musikers, der in seinem Leben so viel Erfahrungen gesammelt hat, dass er uns mit und auf dieser CD mitteilt: „Es ist so weit, die Zeit ist reif für revolutionäre Veränderungen und ‚Schulen des Ungehorsams‘!“ So wird der singende Wecker zu einem faszinierenden Lehrer, der nicht durch Belehrung, sondern Überzeugung seine Schüler aller Altersklassen zum Denken animiert. In einer Zeit, in der das Denken ausgewandert ist und durch widerspruchslosen Gehorsam ersetzt wurde, den eine Kanzlerin ganz offen hinter dem Wort „Alternativlos“ zur unterwerfenden Schau trägt.

Kein Wunder, dass es dem Kritiker, ein Lehrer und ehemaliger sehr engagierter, nun nur noch desillusionierter (Ex-)Politiker, in diesem Falle genauso geht wie dem Musiker, weil die Zeit der deutschen noch denkenden Wut-Bürger längst angebrochen und höchst überfällig ist bzw. sein sollte.

Doch während ein vor emotionslosem Pragmatismus in sich selbst versunkenem, knietief in der Scheiße watendem Staat man die Einen in die rechte, die Anderen in die linke Ecke abzuschieben versucht, machen ein paar davon Lieder, die was zu sagen haben und sich nicht dem längst überstrapazierten, einen „atemlos“ machenden neoliberalen Klischee: „Wo man singt, da lass dich nieder, böse Menschen haben keine Lieder!“ unterwirft, was wohl spätestens seit den „Schulhof“-CDs der NPD widerlegt ist.

Nein, auch oder gerade mit der Hilfe eines KONSTANTIN WECKERs gilt: „Wo man singt, da lass dich nieder, und hör genau hin - auf die wütenden Lieder!“

Das jedenfalls könnte sehr hilfreich sein, um sich auch der immer stärker von Einseitigkeit in ihrer Berichterstattung geprägten Presse zu widersetzen. Nach wie vor ist unser Hirn und Herz, nicht unser wirtschafts-, börsen- sowie profitgeiler, militanter Herdentrieb und unser eigenes Ego gefragt, wenn wir in Zeiten wie diesen erhobenen Hauptes und mit nicht gebeugtem Rückgrat durch die Gegend laufen wollen, in denen wieder die „Kleinen Hände“ und die „geraden, klaren Menschen“, die bereits BETTINA WEGNER noch zu Zeiten einer DDR-Diktatur besang, so wichtig werden!
Wegners „Hände“ werden bei Wecker zu riesigen „Pranken“, die allen, die ihre Menschlichkeit, wo auch immer und zu welchem Zweck, abgegeben haben, gehörig eine riesige Watschen versetzen!

FAZIT: Aus den neusten Liedern von KONSTANTIN WECKER spricht Wut und Angst und auch etwas Verzweiflung. Eine der besten Mischungen, um aus einem Liedermacher das herauszuholen, was zum größten Glück eines singenden Barden gehört:
Lieder, die was zu sagen haben!
Lieder, die einen bewegen und musikalisch unterhalten!
Lieder, die uns wütend und nachdenklich machen!
Lieder, die uns aufrütteln und zum zivilen Ungehorsam bewegen!
Lieder, die wir heute mehr denn je brauchen!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 7164x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 14 von 15 Punkten [?]
14 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Ich habe einen Traum
  • Ohne Warum (Sunder Warumbe)
  • An meine Kinder
  • Novalis
  • Der Krieg
  • Die Mordnacht von Kundus
  • Fast ein Held
  • Auf der Suche nach dem Wunderbaren
  • Die Gedanken sind frei
  • Eins mit deinem Traum
  • Dass alles so vergänglich ist
  • Und dann
  • Heiliger Tanz
  • Revolution
  • Zugabe:
  • Willy 2015
  • Gefrorenes Licht (für Hans-Peter Dürr)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
Kommentare
Gelatti
gepostet am: 24.06.2015

Schöne Review - passt musikalisch hier natürlich überhaupt nicht hin, aber macht neugierig. Ich hatte Wecker ehrlich gesagt schon viele Jahre nicht mehr auf dem Schirm.
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Wieviele Tage hat eine Woche?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!