Partner
Services
Statistiken
Wir
BAP: Rockpalast – 22.11.1999 Musical Dome (Review)
Artist: | BAP |
|
Album: | Rockpalast – 22.11.1999 Musical Dome |
|
Medium: | DVD | |
Stil: | Anspruchsvoller Deutsch-Rock mit kölschenen Texten |
|
Label: | EMI Music | |
Spieldauer: | 208:00 | |
Erschienen: | 01.05.2009 | |
Website: | [Link] |
Braucht diese Welt wirklich eine DVD-Edition mit allen Rockpalastkonzerten von BAP? Spätestens wenn man sich die darauf enthaltene Trailershow anschaut, die 25 Jahre BAP-(Rockpalast-)Historie zusammenfasst, steht die Antwort, sicher nicht nur für jeden Fan der Kölner Jungs, die in ihrer zweiten Phase dann zu einem Ost-West-Projekt um WOLFGANG NIEDECKEN mit kölschen Texten wurden, fest: „Ja, man braucht sie!“
Allerdings muss man schon ziemlich tief in die Tasche greifen (etwa 140 Euro), um sich alle sieben Konzert-DVDs in den Schrank stellen zu können. Oder man sondiert anhand der Trailer seine Auswahl. Als da wären in der BAP-mit-„Major“-Besetzung: Markthalle 1981, Loreley 1982, Grugahalle 1986, Koblenz 1996 & in der BAP-ohne-„Major“-Besetzung: Musical Dome 1999, „Tote Brücke“ 2001 und Kölnarena 2006.
Am 22.11.1999 prägen tiefe Einschnitte das BAP-Konzert im Kölner Musical Dome.
Zum einen existierte BAP in der ursprünglichen Form nicht mehr, weil mit dem Ausstieg von KLAUS „Major“ HEUSER auch fast alle anderen musikalischen Begleiter das Handtuch warfen und nur WOLFGANG NIEDECKEN und JÜRGEN ZÖLLER übrig blieben, die neue Musiker um sich scharrten, um einerseits das BAP-Erbe fortzusetzen und andererseits die BAP-Zukunft unter neuen Bedingungen zu schreiben. Die erste Hinterlassenschaft war dabei die CD „Tonfilm“, die von den „Neuen“ mit ihrer „Övverall“-Tour promotet wird. Am 22. November 1999 kommt es dann zu einer Kölner BAP-Premiere – zum ersten Mal treten sie im Musical Dome auf. Die Gründe für diese fast zwanzigjährige Verspätung erscheinen dabei gar nicht so abwegig.
Womit wir beim „Zum anderen“ wären: der Musical Dome nämlich erscheint für eine Band wie BAP und den Rockpalast als eine sehr untypische Konzertbühne. Das Publikum muss wohl geordnet auf angenehm gepolsterten Stühlen sitzen und sogar eine Pause in Kauf nehmen. Und das alles nur, damit sie ihren Helden, die ebenfalls oftmals sitzend, allerdings auf Barhockern, ein wenig verkrampft lauschen können – das bleibt jedoch nicht lange so und schon nach kurzer Zeit sind die bequemen Sitzpolster leer und man jubelt stehend den unbequemen Musikern zu. Fan und Musiker bilden eben eine Einheit, die weit weg von jeglicher Form der Bequemlichkeit ist, getreu dem Grundsatz „Arsch huh, Zäng ussenander“ – also nicht nur als Anti-Nazi-, sondern auch als (Über-)Lebensbotschaft!
Ob diese Atmosphäre nun ein Vor- oder Nachteil ist, kann jeder Betrachter für sich entscheiden. Aber dabei nicht vergessen: auch wir sitzen, wahrscheinlich in einem bequemen Sessel, vorm Fernseher und beobachten das nunmehr fast zehn Jahre zurückliegende Geschehen – daher sehe ich eher einen Vorteil darin, denn nur selten erscheint die Verbindung zwischen Band und Publikum so „intim“ wie in diesem Konzertmitschnitt. Auch NIEDECKEN ist wohl infolgedessen besonders redselig und wir erfahren jede Menge Hintergrundinformationen von ihm zur Entstehung einzelner Titel, zur Band oder zu allgemeinen Auffassungen der Musiker. Sogar ihre Kindheit wird nicht ausgespart und wenn bei „Hungry Heart“ die „neuen“ Musiker ein zweites Mal vorgestellt werden, darf man sogar auf der Leinwand hinter der Bühne Kinderbilder von ihnen bewundern.
Da hätte man sich die Beigabe auf der zweiten DVD, das zwölfminütige Interview des Rockspalast-Gurus PETER RÜCHEL mit WOLFGANG NIEDECKEN aus dem Jahre 1999, ruhig sparen können, da es statt guter Informationen über BAP mehr zu einer Selbstdarstellung auf intellektuell hohem Niveau eines Peter Rüchel verkommt, weil er unbedingt sein geballtes Musikwissen und seine Vorstellungen zu „Tonfilm“ zum Besten geben will, aber Niedecken kaum zu spannenden Aussagen verleitet. Zum Glück erfährt man wenigstens noch etwas über den Ausstieg von „Major“ HEUSEL, der sich immer mehr dem Pop als dem „kölschen Rockliedgut“ hingezogen fühlte und so die Umbesetzung von BAP als unausweichlich erscheinen ließ. Was „Major“ dazu sagen würde, wäre wohl auch recht interessant gewesen. Also hüllen wir besser den Mantel des Schweigens über diese kleine Zugabe – im Grunde ist es ja nur das Konzert, das zählt. Und dafür findet NIEDECKEN kurz vor dem Konzertende die richtigen Worte. Bei der Ankündigung von „Et letzte Leed“ ruft er: „Wir befinden uns hier bei einem Unplugged-Konzert!“ und versingt sich gleich mal bei den ersten Worten des Liedes – stimmt es erneut an und dann passt alles perfekt. Das ist unglaublich sympathisch und eben auch unglaublich persönlich!
Ungewöhnlich ist wohl auch, dass die ersten Töne des Konzerts bei „Vum donnernde Lääve“ mit dem Schifferklavier beginnen und NIEDECKEN ein wenig ironisch einwirft: „Gestern, in Essen, haben ’se geschunkelt bei dem Lied.“ Doch zum Schunkeln ist das, was dann kommt, wirklich nicht. Es ist Musik mit Texten, denen man folgen sollte, mit Ansagen, die einen gefangen nehmen, und Klängen, die von rockig bis ruhig, von akustisch bis elektrisch, von melodiös bis soul-funkig alles zu bieten haben.
Spätestens nach „’ne schöne Jroos“ hat mich die DVD dann endgültig gefangen genommen und meine unsagbare Neugier auf das weitere Konzert geweckt. NIEDECKENs Ansage ist so eine Art Outing – obwohl es eher eine Absage, da sie erst nach dem Titel erfolgt, ist. Er spricht nämlich über die Entstehungshintergründe von dem „Schönen Gruß“, der seinen Ursprung in einem Text von WOLF BIERMANN hat, den dieser bei seinem Konzert in der Kölner Sporthalle 1976, noch bevor er wusste, dass er anschließend ausgebürgert wird, gesungen hatte. Und da ist es, diese Bindeglied zwischen dieser „alten“ Band und meiner frühöstlichen Liebe zu ihr.
BAP stehen zu dem, was sie sagen und singen, auch wenn ich das am 14. Januar 1984 als eingemauerter DDR-Jugendlicher nicht so richtig wahrhaben wollte. Damals sollten sie bei „Rock für den Frieden“ in der DDR auftreten, schrieben extra ihren Anti-Kriegs- (oder besser Pro-Ost-West-Friedensbewegungs-)Titel „Deshalv spill’ mer he“ dafür. Das passte jedoch den kleinkarierten DDR-Kultur-Fuzzis nicht, die ließen den Titel für die DDR-Konzerte nicht zu – mit dem Ergebnis, dass BAP die bereits ausverkauften Konzerte nicht antrat. Als Ersatz fuhr man uns tatsächlich wie zum Hohn die systemkonformste DDR-Band für dieses Konzert auf – die PUHDYS (Originalzitat des dort Keyboard spielenden und als Stasi-IM agierenden PETER MEYER dazu: „Entschieden wurde, dass die einzige Band, die das schaffen könnten, wir sind, und so kam es auch.“ – Mein Kommentar dazu: „Kotz! Kotz! Kotz!“). „Denk ich an die DDR in der Nacht, dann bin ich noch immer um den Schlaf (und mein Geld) gebracht“ – sowas in der (Heine-)Art dachte ich zumindest in dem Moment, als ich meine so schwer erkämpfte Eintrittskarte zerriss!
BAP wenigstens wehrten sich gegen die eklatante, perverse Zensur und kosteten mich einige schlaflose Nächte. Nämlich die Nacht und den Tag, die ich für die Eintrittskarten anstand und die schlaflosen Nächte, in denen ich darüber nachgrübelte, auf wen ich nun echt sauer sein sollte: auf BAP, die uns Fans wegen einem Titel irgendwie hängen ließen, oder auf diese DDR-Monarchen, deren Kleingeist erst zu dieser Auseinandersetzung geführt hatte. BAP habe ich das nie übel genommen, auch wenn mich das dann 130 hart verdiente Ostmark kostete. Denn wenigstens die LP „Zwesche Salzjebäck un Bier“ (1984), auf der dieser Titel verewigt wurde, musste ich natürlich haben. Und BAP zum Glück blieben sich treu – ein nicht hoch genug anzuerkennender Charakterzug, auch in der heutigen, DDR-freien Zeit!
Selbst wenn diese Ausführungen nicht unmittelbar zur Konzertkritik gehören, denke ich, dass sie doch viel über die Band um WOLFGANG NIEDECKEN aussagen sowie über ihre Musik und die Texte, die eben das so Einfache enthalten, was oftmals so schwer zu verwirklichen ist: Ehrlichkeit!
Doch die „Traumatisierung“ eines solchen Ereignisses scheint bis in die Gegenwart nachzuwirken. Vor „Leechterkette Locke“ geht Niedecken nämlich genau auf diese DDR-Erfahrung ein und stellt zwei Sachsen ganz besonders vor: MICHAEL NASS (ehemals STERN MEISSEN und PETER HILLER) und JENS STREIFLING (jetzt HÖHNER) sind diese zwei sächsischen Ex-DDR-Musiker, die nun als BAP-Mitglieder auf der Bühne stehen und neben drei Deserteuren (KOPA, KRUMMINGA & ZÖLLER), die von WOLF MAAHN zu BAP desertiert sind, sowie einer Karibik-Fee (SHERYL HACKETT), die schwarzen und weißen Tasten, Gitarren und das komplette Gebläse (Saxofon, Mundharmonika usw.) bedienen. Da ist man schon irgendwie stolz auf dieses Ost-West-Welt-Projekt. Vielleicht haben ja NASS & STREIFLING eine ähnlich schicksalhafte BAP-Konzerterfahrung in der DDR wie ich gemacht, nur dass sie keine Kritik dazu schreiben, sondern einfach ins „Feindeslager“ übergewechselt sind. Hochachtung, meine Herren, sagt zumindest euer sächsischer Kritiker!
Die einzig wirklich traurige Geschichte, die sich hinter dem Konzert verbirgt, steht wohl mit SHERYL HACKETT im Zusammenhang. Von 1999 bis 2003 war sie festes Mitglied der Band und bereicherte durch ihre unglaubliche Stimme, man höre nur „Nemm mich met“, „Vill passiert sickher“ oder „Hungry Heart“, sowie ihre professionellen Percussion- und Gitarreneinlagen das BAPsche Musikuniversum. Sie wirkt lebendig und fast euphorisch bei dem Konzert – doch der Eindruck täuscht. Im Jahre 2005 verstarb sie.
Schon allein wegen dieser Erinnerung (eine weitere wäre noch das Rockpalast-Konzert „Tote Brücke“ 2001) möchte ich jedem den „Rockpalast – Musical Dome Köln vom 22.11.1999“ ans Herz legen.
FAZIT: Chronologisch betrachtet ist dies das fünfte von insgesamt sieben Rockpalast-Konzerten, die im Rahmen der BAP-DVD-Edition in Dolby Digital 5.1 und Stereo 2.0 veröffentlicht wurden. Zugleich ist es aber auch das erste Rockpalast-Konzert ohne den „Major“ und mit gänzlich neuen Musikern. Da verblüfft es schon, wie authentisch BAP auch ohne die alte Garde klingen können und besonders, wie viel neuer Wind dem sicherlich faszinierten Zuhörer da um die Ohren bläst!
PS (für diejenigen, die von dem kleinen Ausflug in die DDR-BAP-Geschichte nicht genug bekommen können):
Als BAP ihr Konzert in der DDR absagten, trat vorher irgendeine Matschbirne vom FDJ-Zentralrat (Freie =HaHaHa= Deutsche Jugend – schon der Begriff war ein Paradoxon in der DDR) auf die Bühne und sprach die folgenden, erhalten gebliebenen Worte:
„Ich will euch was sagen, was die Meinung aller Rockgruppen unseres Landes ist, die hier bei ‚Rock für den Frieden’ dabei sind.
Eigentlich sollte heute BAP spielen. Wir alle sind mächtig enttäuscht, dass sich diese Gruppe sozusagen über Nacht vor den Karren der Kalten Krieger hat spannen lassen und einen Text vorbereitet hat, der unser Anliegen von ‚Rock für den Frieden’, der unseren Friedenskampf in den Dreck zieht.
Aber auf sowas stehen wir nicht, da ist BAP diskussionslos abgehauen.
Wir aber stehen alle zu diesem Symbol, der weißen Taube auf blauem Grund. Und deshalb spielen wir hier für euch.“
Darauf die Aussage eines Fans:
„Da kann man mal wieder sehen, BAP sind ehrliche Leute, nur die Ostmusiker trauen sich das eben nicht. Bloß, Niedecken und seine Band verschwanden noch am selben Abend, und wir mussten weiter mit dieser ganzen Scheiße zurechtkommen.“
Ein Stück Geschichte eben, geschrieben von BAP und wiederbelebt durch eine 25 Jahre später erschienene DVD!
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- DVD 1:
- Rockpalast Vorspann
- Vum donnernde Lääve
- ’Ne schöne Jrooss
- Niemohls verstonn
- Diss Naach ess alles drinn
- Rock’N’Roll-Star
- Müsli Män
- Für ’ne Moment
- Rita, mir zwei
- Wat, usser Rock’N’Roll?
- Allerletzte Chance
- Nemm mich met
- Verdamp lang her
- Jede Draum jedräump
- Jupp
- Arsch huh, Zäng ussenander
- Mayday!
- Leechterkette Locke
- Novembermorje
- Ahn ’ner Leitplank
- Miss Samantha’s Exclusiv-Discount-Jeschenkboutik
- Ruut-Wiess-Blau querjestriefte Frau
- Ewije Affhängerei
- Maat et joot
- -
- DVD 2:
- Vill passiert sickher
- Hungry Heart
- Hück ess sing Band en der Stadt
- Et letzte Leed
- Helfe kann dir keiner
- Interview Peter Rüchel mit Wolfgang Niedecken
- Insgesamt 6 Rockpalast-Trailer mit Auftritten von BAP
- Bass - Werner Kopal
- Gesang - Wolfgang Niedecken, Sheryl Hackett, Helmut Krumminga, Michael Nass, Jens Streifling
- Gitarre - Wolfgang Niedecken, Jens Streifling, Helmut Krumminga, Sheryl Hackett
- Keys - Michael Nass
- Schlagzeug - Jürgen Zöller
- Sonstige - Hackett (Percussion), Jens Streifling (Gebläse & Mandoline)
- Rockpalast / Markthalle, Hamburg / 28.11.1981 (2009)
- Rockpalast – 22.11.1999 Musical Dome (2009)
- Rockpalast – Euskirchen 15.06.2001 Tote Brücke (2009)
- Rockpalast – Kölnarena 14./15.01.2006 (DVD) (2009)
-
keine Interviews
Kommentare | |
Jochen [Musikreviews.de]
gepostet am: 10.05.2009 |
Der seltene(?) Fall in denen eine klasse Rezension die besprochene Musik bei weitem überragt. Ich gehöre zu jenen Leuten, denen maximal eine BAP-DVD reichen würde (rein geschichtlich). Der hausbackene Altherren-Rock mit seinem Phantasie-Kölsch nervte schon vor rund 30 Jahren. Spätestens bei der fünften Demo und permanenter Beschallung - schon im Transfer-Bus- mit "Verdammp lang her" wurden Mordgelüste wach;-) In einer Zeit, in der in Deutschland so viel musikalisch Spannendes, zwischen Schwachsinn und Genie, passierte, lebten BAP eine antiquierte Vorstellung von Musik und Musikerleben aus, die viel guten Willen zeigte, aber wenig Verständnis. Oder um mit Colonel Kurtz zu sprechen: "The Horror...".
Historisch ist das - wie Kossi schön aufzeigt - von Interesse, musikalisch hingegen schwer verträglich |
Don Hennes
gepostet am: 28.05.2009 User-Wertung: 2 Punkte |
Ganz fiese Mucke. Musikalisch ganz schwach; Pur ist ähnliches Gegurke. Der Rezensent macht das sympathisch, weil er mit dem Kram aufgewachsen ist und die nett finden will. Aber außer Suff, Kölsch, Karneval und Gebagger ist da nix. |