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Ayefore: Smoking Gum Evidence (Review)

Artist:

Ayefore

Ayefore: Smoking Gum Evidence
Album:

Smoking Gum Evidence

Medium: CD
Stil:

New Art-Rock

Label: Eigenvertrieb
Spieldauer: 67:21
Erschienen: 15.01.2008
Website: [Link]

Bevor ihr die folgende Kritik im „Musikreviews.de“ lest, möchte ich euch warnen. Sie ist ziemlich lang geworden, weil dieses Album recht einzigartig ist und bei mir zumindest viele (auch persönliche) Gedanken ausgelöst hat, die mitunter weit über das Beschreiben der musikalischen Ausrichtung von AYEFORE hinausgehen. Wer sich darauf einlassen möchte, der kann jetzt mit dem Lesen der Kritik beginnen – wer aber nur ein kurzes Statement zu „Smoking Gum Evidence“ erwartet, der sollte an dieser Stelle aufhören und woanders nach einer Kurzkritik zu diesem Album suchen.

„Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum.”

Muss man wirklich einer der anerkanntesten und zugleich umstrittensten Philosophen sein, um solch einen genialen Satz zu formulieren, auch wenn der gleiche Herr für Besuche beim weiblichen, also so genannten schwachen, Geschlecht empfiehlt, „die Peitsche“ nicht zu vergessen? Ach ja, dieser Friedrich Wilhelm Nietzsche hat doch wahrhaft Recht, zumindest mit seiner ersten Behauptung – denn man müsste wohl auf den Affen (nicht Hund) gekommen sein, wenn eine musikalische Entdeckung aus Deutschland namens AYEFORE mit ihrem Album „Smoking Gum Evidence“ irrtümlicherweise nicht bald auch das Leben aller aufgeschlossenen Musikliebhaber (aber eben nicht Frauenverhauer) bestimmen würde. Die müssten dann nämlich den gleichen düster-traurigen Affenblick aufsetzen, wie der mit seinen rot-weißen Ringelsocken bekleidete Vorfahre der Menschheit, den man in der modernen Wissenschaft noch so gerne bei Tierversuchen quält, und der uns vom wundervollen Cover dieses Albums anstiert. Ein riesiges Lob an MARIO TIRANNO, der für die Gestaltung dieser CD Großartiges vollbracht hat und schon im Vorfeld Neugier auf den Silberling, der sich in solcher Hülle befindet, weckt.

Aber nicht nur das Cover ist in gewisser Weise wunder- und geheimnisvoll. Gleiches gilt auch für den Namen dieser Band aus Frankfurt am Main: AYEFORE?! Würde man das „Y“ gegen ein „P“ austauschen, ergäbe sich gewissermaßen im Bezug zum Cover ein Sinn: „Vorderer Affe – als Wortspiel“ – und da sogar noch der Hinweis „vorn“ neben dem Affenkopf zu lesen ist, durchaus realistisch. Aber „AYE“? Das hieße doch nur „Freilich vorn“ – so ein Quatsch!? Diese Frage ließ mir irgendwie keine Ruhe, denn die Musik, die sich hinter diesem Bandnamen verbirgt, so viel sei schon mal verraten, ist genauso faszinierend wie das Cover. Nur wollte ich nicht bei den Jungs anrufen mit dieser ewig gleichen Frage, über die schon PINK FLOYD tausende von Malen abkotzte: „Woher kommt denn euer Band-Name … bla, bla, bla?“ Also, selbst ist der Kritiker, denn wenn die Musik und die Texte so gut wie auf „Smoking Gum Evidence“ (Wieder so ein „gemeines“ Wortspiel!) sind, dann sollte man keinerlei Mühe scheuen, hinter die Geheimnisse dieser anspruchsvollen Band eigenständig zu kommen!

Wozu hat man denn das weltweite Netz … und vielleicht hätte ich es noch nicht einmal benötigt, wenn ich besser im Biologieunterricht aufgepasst hätte. Aber meine Biologielehrerin war immer so ein Arsch (Oder heißt das jetzt „Ärschin“?), der/die uns Schüler angstvoll pauken ließ, aber selten mal freudvoll unterrichtete – und aus Protest zu solchen Gurkennasen („Gurkennasinnen“?) bin ich dann sogar selber Lehrer geworden und habe nie vergessen, dass mir diese® Vogel („Vögelin?“) dann als so eine Art Drohung zukünftig genau solche Schüler, wie ich einer war, wünschte. Die Dame hatte wirklich absolut nichts begriffen. Hey Jungs von AYEFORE, ich bin euch noch was schuldig, denn dass diese Gedanken bei mir endlich mal wieder aufgefrischt wurden, ist ausschließlich euer Verdienst! Als Dankeschön hoffe ich jedenfalls, die Lösung, die sich hinter eurem Namen verbirgt, gefunden zu haben: AYE-AYE – O.K.!? Ein Halbaffe also, auch Fingertier genannt, der als einziger seiner Art zu den Lemuren gehört. Außerdem sind sie das am stärksten bedrohte Säugetier Madagaskars, das zur Gattung der Primaten gehört. Also ganz ähnlich bedroht wie die Musik, die AYEFORE abliefern und die sich zwischen Post-Rock, Prog und New Art-Rock bewegt, eben genau die Musik, die sich der Radiokultur verweigert und trotzdem am Ende hoffentlich niemals aussterben wird. Allerdings muss ich eins noch loswerden – unser Cover-Primat ist eindeutig ein Stummelaffe, aber kein Aye-Aye.

Nachdem dies nun geklärt ist, sollte wohl auch das Geheimnis um AYEFOREs Musik gelüftet werden. Völlig unspektakulär beginnt „Spread Life“ als ein harter Rocksong, bei dem man anfangs denkt, EDDIE VEDDER von PEARL JAM hätte den Gesang übernommen, während KURT COBAIN von NIRVANA die Musik schrieb. Auch der Text knallt einem gehörig um die Ohren und fordert, sein Leben zu leben, sich nicht von Lügnern abspeisen zu lassen und wie ein Narr nach der Pfeife Anderer zu tanzen. Selbstbestimmung statt Unterwerfung – diese Problematik prägt überhaupt das gesamte textliche Konzept, für welches DANIEL BÖRSCH und HOWARD SCARR die Verantwortung tragen. Und die beiden haben wirklich was zu sagen!

„Words Fail“ rockt hart weiter, aber der Gesang geht diesmal in eine andere Richtung. Dazu übernimmt der Bass plötzlich eine durchaus sehr eigenständige, dominante Rolle – man fühlt sich mit einem Schlag an TOOL erinnert, denn auch diese TOOLsche Düsternis zieht in die Musik der Deutschen ein, die sich regelrecht weigert, typisch deutsch klingen zu wollen. Selbst dem Wunsch, den heutzutage progressive Musikfans immer wieder äußern, nämlich mindestens einen Longtrack auf eine CD zu packen, wird nicht entsprochen – eine mutige und richtige Entscheidung. „My Diamond“ beginnt dann psychedelisch, rockt kurz auf, um wieder in diese seltsame, etwas weltmusikalisch klingende Atmosphäre zu verfallen und textlich eine Parallele zwischen DIamond und DIe (Lohnt es sich wirklich für Diamanten zu sterben?) herzustellen. Spätestens jetzt begreift der Hörer, wie viele Gemeinsamkeiten sich hinter dem Cover und der Musik verstecken – faszinierend und rätselhaft eben.

Mit „Floaters“ beginnt das Albums einen musikalischen Wandel zu vollziehen, denn nun experimentieren AYEFORE bewusst mit völlig vertrackten Rhythmen, ständigen stilistischen Wechseln, aggressivem, fast schreiendem Gesang, der dann plötzlich hintergründig verhallt, Laut- und Leise-Rastern sowie Jazz- und Pop-Strukturen, sodass der Hörer mal mit der einen musikalischen AYEFORE-Hand übers Haar gestreichelt wird, während die andere bereits zum Schlag in die Magengrube ausholt. Was soll man da sagen? Deutschland soll ruhig weiter den Superstar suchen, eine Kombination aus ANEKDOTEN, DREDGE + MARS VOLTA „Made in Germany“ haben wir endlich in Frankfurt am Main gefunden.

Nur leider, leider gibt es doch einen „Longtrack“ auf diesem Album, der keinen Titel hat, aber durchaus „10 Minutes Silence“ hätte heißen können – für mich ein totales Ärgernis, aber trotzdem immer wieder von Musikern, aus welchem Grunde auch immer, als probates Mittel zur verlogenen Verlängerung der CD-Laufzeit verwendet. Was bitteschön soll ich denn anstellen mit den 10 Minuten verschenkter Zeit, in der ich eigentlich Musik hören wollte? Auf’s Klo gehen? Mir Gedanken darüber machen, warum mich „Sow Bay“ so unglaublich stark an PORCUPINE TREE erinnerte oder mir noch einmal die gelungenen Texte durchlesen? Oder mich einfach nur darüber ärgern, dass meine frohen Erwartungen auf den einzigen, mit (erhofften) Klängen gefüllten Longtrack enttäuscht werden und sich dieser als totale Mogelpackung erweist?

Manchmal sollten Musiker an eine CD ähnlich herangehen wie ein Schriftsteller an sein Buch. Niemals würde der Autor auf die Idee kommen, 15 Seiten eines 200seitigen Buches unbedruckt zu lassen, nur um auf 200 Seiten zu kommen. Denn beim ersten Durchblättern würde der Leser erkennen, dass etwas fehlt und 15 weiße Seiten das Buch zwar dicker machen, aber völlige Verschwendung sind. Schade, dass AYEFORE dies auf ihrer wirklich gelungenen CD, zumindest was den akustisch hörbaren sowie textlich und gestalterischen Teil betrifft, nicht genauso sehen.

Dafür wird der Hörer aber tatsächlich mit einem Hidden Track entschädigt, der, wenn man sich das Booklet genau durchliest, als „Turkish Song“ erwähnt wird und von ZUELFUE LIVANELI verfasst wurde. Nach besagten 10 Minuten Stille eröffnet solistisch ein Bass diesen Song und verpasst dem überraschten Hörer eine fette (Bass-)Gänsehaut. Nach einer knappen Minute erklingt der Gesang, beeindruckend auf Türkisch gesungen und nach fast 2 Minuten erfährt man endlich auch, warum als zusätzliche Musikerin ELENA MIKA an der Flöte erwähnt wurde. Ein friedlich stimmender Abschluss für die vorangegangenen 10 gähnend leeren Minuten und zugleich kleine Entschädigung.

So, und ich werde mir jetzt, trotz meiner letzten kritischen Worte, die sich ja eigentlich nur auf den stillen, aber keinesfalls musikalischen Teil von „Smoking Gum Evidence“ beziehen, gleich noch dieses geile T-Shirt mit dem Affen-Bild auf der Homepage der Jungs bestellen … ich habe mich nämlich verliebt: in den Affen und in die CD!

FAZIT: Zu „Smoking Gum Evidence“ gibt’s zusätzlich einen Aufkleber (Neudeutsch: Sticker), auf dem zu lesen ist: „We Are All Teapot Atheists: AYEFORE“. Außerdem sieht man darauf einen Trabant Kombi (Ja, ja – die Rennpappe aus der DDR!). Verrückt, oder? Genauso verrückt zumindest wie die Musik, die an MARS VOLTA, DREDGE oder all das, was man so schön als New Art-Rock bezeichnet, erinnert. Nur diesmal kommt sie aus Deutschland. Also, „macht euch nicht zum Affen“ und begeht ja nicht im Nietzschen Sinne den Irrtum, diese Scheibe unbeachtet zu lassen!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 10125x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 11 von 15 Punkten [?]
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Tracklist:
  • Spread Life
  • Words Fail
  • My Diamond
  • Floaters
  • Fox Devils Wild
  • Go Yellow
  • Dry Too Long
  • Sow Bay
  • Smoking Gum Evidence
  • Sorrow Deluxe
  • Rewind
  • „10 Minuten totale Stille“ (So’n Scheiß! T.K.)
  • Hidden Track „Turkish Song“

Besetzung:

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