Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Little Atlas: Hollow (Review)

Artist:

Little Atlas

Little Atlas: Hollow
Album:

Hollow

Medium: CD
Stil:

Progressive Rock

Label: 10T Records / Just For Kicks
Spieldauer: 57:38
Erschienen: 2007
Website: [Link]

Amerika ist im klassisch-progressiven Rock-Bereich immer für eine Entdeckung gut!

Mal heißt sie DISCIPLINE oder SALEM HILL, mal ECHOLYN oder SPOCK´S BEARD – und immer verblüfft deren Musik durch eine immense Eigenständigkeit, ausgezeichnetes musikalisches Können mit 70er-Jahre-Prog-Schlagseite, außergewöhnlich anspruchsvolle Textarbeit und eine faszinierende Atmosphäre, die sich niemals über den ersten Hördurchgang erschließt, einen nach mehrmaligem Hören aber irgendwann total erwischt. Ab sofort ist in diesem Kreise LITTLE ATLAS ganz herzlich willkommen!

Egal welche der vier genannten Bands man nun nimmt, schon bei dem Versuch einer vergleichbaren Zuordnung wird es schwierig. Kommen da nun Erinnerungen an YES oder GENESIS, GENTLE GIANT oder VAN DER GRAAF GENERATOR oder doch MIKE OLDFIELD und SOFT MACHINE auf? Und während man noch grübelnd verschiedene Prog-Schubladen aufzieht und sie genauso schnell wieder zuschiebt, schleichen sich über diverse Hintertürchen auch noch mit klangvollem Gepolter PINK FLOYD und EMERSON, LAKE & PALMER an. Besonders „positiv verheerend“ ist dabei auch noch, dass diese Musik nicht bereits vorhandene, klassische Vorbilder kopiert, sondern nur beim Hörer ein ähnliches Gefühl auslöst, das man beim Hören seiner längst vergreisten Vorbilder vor langer, langer Zeit einmal empfand.

So wie beispielsweise vor Urzeiten PINK FLOYD auf ihrem Jahrhundertwerk „Dark Side Of The Moon“ bewiesen, was für eine unglaubliche Bereicherung ein Saxophon für die progressive Rockmusik darstellen kann, so zeigen uns LITTLE ATLAS, wie faszinierend dieses Instrument im Prog-Rock der Zukunft klingt. Aus dem aggressiv eingesetzten „Money“-Blasereien werden nun zarte, ein wenig hingehauchte „Silence“-Spielereien – und egal, für welche der beiden Varianten man mehr übrig hat, beide funktionieren innerhalb ihrer Titel ausgezeichnet.

Doch das ist garantiert nicht das Einzige, was an „Hollow“, einem Album, das von seinem Hörer mehr Aufmerksamkeit als so manch anderes musikalisches Kunstwerk verlangt, funktioniert. „Hollow“ ist ein dreigliedriges Werk, das jedem einzelnen Glied, also der Musik, dem Text und dem Booklet, eine ähnlich hohe Bedeutung beimisst.

Für die Gestaltung des Booklets wurden von verschiedenen Künstlern bemalte Köpfe, die allein durch ihre Kompositionen von Farbe und Motiv die unterschiedlichsten Stimmungen zum Ausdruck bringen, verwendet. Wortwörtlich bewundernswert ist diesbezüglich auch die Internetseite, auf die LITTLE ATLAS im Booklet verweist (und woher die Kunst-Köpfe stammen): www.headsupkentucky.org. Auch sollte man sich die Zeit nehmen, den „Doppel-Kopf“ auf der Frontseite genauer zu betrachten: Hält man die linke Seite bis zum zweiten Auge zu, dann erscheint ein zufrieden nachdenkliches Gesicht, hält man nun die rechte Seite wiederum bis zum zweiten Auge zu, erscheint ein finster dreinblickendes, kritisch-skeptisches Gesicht. Genau diese Stimmungen werden auch im Text und der Musik von „Hollow“ umgesetzt!

Die Texte der 10 Titel sind pro Song eine Charakterstudie, die immer aus der Ich-Perspktive (also grammatisch betrachtet aus der 1. Person Singular) erzählt wird. Jeder Charakter unterscheidet sich natürlich vom anderen – doch ein Zug ist allen gleich: sie haben ein Problem, die einen ein offensichtliches, die anderen ein verstecktes. Das liest sich und klingt dann etwa so:

1. Der Titel „Hollow“, der zugleich dem Album seinen Namen gibt, verrät schon genug. Es geht um einen innerlich ausgehöhlten, abgebrannten Typen, der an nichts mehr zu glauben vermag und sich ein wenig (textlich) verschleiert Gedanken über Selbstmord macht. Musikalisch erinnert die recht dynamische Musik mit sehr unterschiedlich gestalteten Gesangspassagen und akustischen Gitarreeinschüben an DISCIPLINE.

2. In „Silence“, dem mit 10 Minuten längsten Titel des Albums, taucht ein sich der Welt verschließender, in sich Gekehrter auf, dem angeblich Gott erschienen ist und der sich (im völligen Gegensatz zu NEAL MORSE) durch diese Erfahrung aus seinem bis dahin praktiziertem Autismus befreien will. Hier taucht dann auch gleich zu Anfang der Musik das Saxophon auf, das diese ruhig-zurückhaltende Stimmung untermalt und dann durch sich steigerndes Piano-Spiel und harte Gitarren sowie fette Bässe aus seiner „Stille“ entrissen wird, um dann am Ende dort wieder anzukommen – gerade dieser boleroartige Aufbau macht diesen Song zu etwas Besonderem.

3. GENTLE GIANT-artig beginnt „Paranoiac“, die Geschichte einer Persönlichkeit, die an paranoidem Verfolgungswahn leidet – düsterer, verfremdeter Sprechgesang duelliert sich hier mit hohem, hektischen, aber melodiösem Gesang und recht wilde, an EMERSON, LAKE & PALMER erinnernde Keyboard-Ausflüge.

4. Eine akustische Gitarre mit zartem „Pigs On The Wing“-Gefühl von PINK FLOYDs „Animals“ leitet die erste echte Ballade „Contumacious“ ein, in der es um einen Typen geht, der einem in seiner penetrant aufdringlichen Art ständig auf die Nerven fällt.

5. Auch in „Preying“ spielt im Mittelteil das Saxophon eine wichtige Rolle, denn es charakterisiert einen selbstverliebten, alles auf die leichte Schulter nehmenden Heini, der durch sein Verhalten recht einsam ist, es aber gar nicht so recht merkt. Hier gibt es sogar einen Funk-Einschlag zu erkennen, aber keine Angst, auch das wird jedes progressive Gemüt überleben.

6.Krankhafte Ordnungsliebe plagt Charakter Nummer 6 – und übertriebene Ordnung hin oder her, dieser Titel mit ein wenig SPOCK´S BEARD-Feeling hat bis auf einen kurzen, gelungenen Instrumentalteil nicht Besonderes zu bieten.

7. Dafür schleicht sich der siebte Charakter mit ruhigen Klängen ganz heimlich an. Man hat beim Hören den Eindruck, als nähere sich ein unsichtbarer Typ von Baum zu Baum seinem Beobachtungsobjekt – und kommt ihm näher und näher, um zum richtigen Zeitpunkt zuzuschlagen. Dieser Unsichtbare, der aber alles sieht oder sehen will, ist eine Art Voyeur und Spanner, der glaubt, durch sein geheimes Beobachten Schlimmes verhüten zu können. Woran erinnert das einen nur? Gibt es da nicht so einen Rollstuhl fahrenden Politiker, der uns seine Schäuble-Trojaner ins weltweite Netz setzen will? Lieber deutscher Innenminister, dieser Titel ist nur für (oder doch über ;-) dich! Dazu passt garantiert jeder progressive Klang!

8. Auch „Stage“ hat was mit Politikern zu tun – oder zumindest etwas mit all den knallbunten Vögeln, die ihre dreckige Fresse ständig in Kameras halten müssen, um einfach nur in der Öffentlichkeit zu stehen. Dementsprechend kommt die Musik flott daher und scheut auch leicht jazzige Töne nicht, die dann von einer gehörigen Portion Bombast und der Zeile: „Kannst du mich stehen sehen, auf der Bühne meines extraordinären Lebens?“, weggeblasen werden.

9. Was Faust mit: „Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust“, ausdrückte oder Stevenson in „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“ niederschrieb, trägt bei LITTLE ATLAS den Titel „Symbiosis“ und ist die Musik der zwei Gesichter, einem ruhigen, akustisch instrumentierten und einem harten, laut und breit instrumentierten. Gegensätzlichkeit ist hier die oberste Devise.

10. Der zehnte und letzte Charakter fasst in gewisser Weise alle anderen zusammen, denn es ist der unerreichbare Wunsch, immer „wie die Sonne zu scheinen“ und nachts der „hellste Stern“ zu sein, was aber ständig an der Begrenztheit und Hinlänglichkeit der eigenen Existenz scheitert. Für diese Feststellung werden ruhigere, balladeskte Töne angeschlagen und mit Vogelgezwitscher klingt „Hollow“ aus.

Übrigens wird auf dem Begleitschreiben von Just For Kicks noch gesondert vermerkt, dass die Band mit Joe Palmaccio für den endgültigen „Hollow“-Mix einen Grammy Award-Gewinner gefunden haben, der schon solche Größen wie EMERSON, LAKE & PALMER oder JEFF BUCKLEY mixte. Leider scheint er sich für die wohl doch weniger bekannten Proggies nicht so große Mühe gegeben zu haben, denn die Aufnahmen klingen alle ein wenig dumpf. Ein echter Wermutstropfen für diese Herzblut-CD.

FAZIT: „Hollow“ ist ein Album, wie der Leser dieser Zeilen sicher bemerkt hat, das wirklich größere Aufmerksamkeit verdient. LITTLE ATLAS ist mit dieser CD ein in sich schlüssiges, progressives Werk gelungen, dass sich wohl besonders in den frühen 70er Jahren sehr wohl gefühlt hätte.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 4068x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Hollow
  • Silence
  • Paranoiac
  • Contumacious
  • Preying
  • Orderly
  • Hiding
  • Stage
  • Symbiosis
  • Special

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Wieviele Monate hat das Jahr?

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!