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Interview mit RAPTVRE (19.04.2019)

RAPTVRE

Zugegeben, das Logo mit umgedrehtem Kreuz, die Schreibweise des Bandnamens und die Songtitel könnten den Verdacht begünstigen, dass es sich bei RAPTVREs erstem Lebenszeichen um Krach von der Stange handelt - doch weit gefehlt: "Feast Upon Their Flesh" ist eine drei Songs umfassende Machtdemonstration eines Musiker-Duos und seiner Weggefährten geworden, die offenbar sehr klare Vorstellungen haben, in welche Abgründe und Sphären die metallische Reise führen soll. Ohne den Begriff "Avantgarde" über Gebühr strapazieren zu wollen, sollte Zeit und Raum bleiben, die kompositorische und performative Klasse der Kölner zu würdigen, die selbstbewusst in zahlreichen Metal-Genres wildern und beim Songaufbau effektiv vorgehen wie nur wenige Demo-Bands. Warum das so kam und wie es weitergehen soll, fragte ich Kirill Gromada und Stefan Braunschmidt, die beiden Gründer und treibenden Kräfte, die RAPTVRE mit Yannick Bremerich am Schlagzeug und Sänger Thorn an den Start bringen.

Hallo Kirill, hallo Stefan, schön, dass Ihr Zeit für ein Interview findet, denn vor allem Du, Kirill, bist ja in letzter Zeit mit Deinen Bands ständig auf Achse und hast allerhand um die Ohren. Nun also auch noch RAPTVRE. Um es gleich klarzustellen: Dabei handelt sich nicht um ein "Side Project" für Euch, oder?

Danke erstmal für dein Interesse an RAPTVRE. Für uns spielt die Bezeichnung "side project" oder "Band" keine Rolle, weil sie weder etwas an der Musik, noch an unserer Arbeitsweise ändert. Natürlich haben Ayahuasca, Pripjat und Shitshifter eine gewisse Priorität, aber wir nehmen RAPTVRE genauso ernst, weil halbherzig gemachte Musik für uns keine Option ist.

Eurem leidenschaftlichen Engagement in Euren anderen Bands ist es sicher geschuldet, dass Ihr bereits mit Eurem ersten Demo von Fanzines wahrgenommen werdet, und mehr noch: "Feast Upon Their Flesh" wird ja von einigen Schreiber-KollegInnen abgefeiert, als wäre es nahezu perfekt. Ich vermute, dass Ihr das als Musiker selbstkritischer einschätzt, und dass Ihr auf das zweifelsohne starke Demo noch eine oder zwei Schüppen draufpacken wollt...?

RAPTVRE hatte anders als eine über Jahre gewachsene Band keine musikalische Findungsphase – uns war schon vor dem ersten aufgenommenen Ton genau klar, was wir machen und wie wir klingen wollten. Von daher sind unsere Kompositionen von Song zu Song nicht wirklich gewachsen – wir hatten von Anfang an qualitativ schon ein sehr einheitliches Level. Diese Vision und dieses "Level" repräsentieren die drei Songs der Demo wie jeder andere Song auf der bereits vollständig geschriebenen Platte. Von daher geben sie einen sehr realistischen Einblick in das, was noch kommen wird. Wo wir noch ein, zwei Schüppen drauflegen wollen, ist eher der Teil der Produktion und der Aufwand, den wir in selbige stecken.

Neben der hörbaren Leidenschaft und Musikalität lässt mich vor allem der alles andere als gewöhnliche Songaufbau aufhorchen: Euch ist es gelungen, die Songs einerseits vergleichsweise vertrackt zu gestalten, und andererseits zeichnen sie sich trotz aller Brüche und Disharmonien durch eine gewisse Eingängigkeit aus. Nach einer Viertelstunde fühlte ich mich als Hörer jedenfalls gut durchgeschüttelt und könnte nicht ohne Weiteres beantworten, wo ich RAPTVRE nun genau stilistisch einordnen würde, weil neben der unverhohlenen Aggression auch Episches und Atmosphärisches zum Tragen kommt. Seid Ihr bereits mit dieser Zielsetzung an den Start gegangen?

Deine Frage bringt es eigentlich gut auf den Punkt: Keines der Stilmittel, die wir benutzen, dient dem Selbstzweck. Egal wie kompliziert, atonal, unzugänglich oder auch episch ein Part wirkt, erfüllt er damit immer eine Funktion für den Song und die Atmosphäre, die den Song trägt. Uns ist es wichtig, dass die Stücke am Ende eine gewisse Stimmigkeit haben und den Hörer mit auf eine nachvollziehbare Reise nehmen – das ist ein Merkmal unserer Kompositionen, die man auch bei Ayahuasca oder Shitshifter wiedererkennt.

Mit "Devouring Mist" kann ich meinen klaren Favoriten unter den drei Demo-Songs ausmachen. Wie sieht es in der Hinsicht bei Euch aus?

Um die Frage beantworten zu können, mussten wir selbst erst ein wenig diskutieren: Wir könnten uns bei den Songs, auch im Hinblick auf die restlichen, für das Album geschriebenen Songs, unmöglich für einen Favoriten entscheiden. Wir beurteilen die Musik immer im Album-Kontext – dabei sind die Grenzen der jeweiligen Stücke nicht das ausschlaggebende Kriterium, wichtiger ist der musikalische Fluss und die Stimmigkeit der "Reise", auf die sich der Hörer begibt.

Noch ziemlich offen scheint mir, in welche "erzählerische" Richtung sich RAPTVRE bewegt. Gibt es so etwas wie ein thematischen roten Faden, den Ihr mit der Band verfolgt, oder eine Geschichte, die Ihr z.B. auf Eurem kommenden Album erzählen wollt?

RAPTVRE basiert auf einem lyrischen Konzept, dass alle Songs miteinander verbindet: es gibt Querverweise, Zitate und Wortbilder, die nicht nur eine Stimmung, sondern auch eine inhaltliche Entwicklung aufbauen, die sich wie ein roter Faden durch das ganze kommende Album ziehen wird und auch schon auf dem Demo zu erkennen ist. "Feast Upon Their Flesh" ist eine Art Vorankündigung dessen, was den Hörer in den anderen Songs erwartet. In einer prophetischen Struktur werden Motive wie Erneuerung, Ursprünglichkeit, Natürlichkeit und das Aufeinandertreffen verschiedener Dualitäten vorgestellt, die in den anderen Songs tiefgreifender dargestellt werden. "Torn To Shreds" beschäftigt sich mit dem Konfliktfeld von Religion und Reflexion und zeichnet einen inneren Konflikt sowie das Zerbrechen an selbigem. Bei "Devouring Mist" steht hingegen der Gegensatz "organisch vs. synthetisch" im Vordergrund sowie das Leben in digitalen Strukturen und Filterblasen.

Das klingt vielversprechend. Wann können wir mit dem Album rechnen, das beim geschätzten The Crawling Chaos Label erscheinen soll?

Das Album ist fertig geschrieben und muss noch aufgenommen werden. Wenn alles glatt läuft, könnte es gegen Ende des Jahres fertig sein.

Eurem ersten Auftritt in der Halle am Rhein durfte ich ja vor einigen Wochen beiwohnen, und im Großen und Ganzen schien mir das ein gelungener Bühnen-Einstand für RAPTVRE, auch wenn sich mir beim ersten Hören nicht gleich jedes Detail erschlossen hat. Welche Pläne schmiedet Ihr für weitere Konzerte und was spricht dagegen, dass Ihr mal mit Danos in Kölle zockt (um eine andere Underground-Band zu nennen, von der ich sehr angetan bin)?

Im Prinzip spricht nichts dagegen: Wir versuchen die kleinen Zeiträume, die sich zwischen unseren anderen Bands und Verpflichtungen ergeben, so effizient wie möglich zu nutzen und da gehören natürlich auch Gigs dazu. Natürlich werden wir vorerst keine epischen Touren spielen können, wir versuchen aber, so viel mitzunehmen, wie es eben geht.

Okay, ich bin gespannt, wie es mit RAPTVRE weitergeht - Glück auf!

Danke für deine Zeit!

Live-Photos: Heike Leppkes / Heike Leppkes Konzertfotografie (Dankeschön!)

Thor Joakimsson (Info)
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