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Interview mit Nad Sylvan / Agents Of Mercy (18.12.2012)

Nad Sylvan / Agents Of Mercy

Wie es scheint, hat der Prockrock seine besten Zeiten längst hinter sich. Das ist umso verwunderlicher, als es gerade dort - also jenseits des Mainstream - noch jede Menge großartige Musiker gibt, die die musikalische Genialität aus großen Bechern getrunken haben müssen. Einer davon ist der schwedische Sänger Nad Sylvan. Vor seiner Show mit AGENTS OF MERCY auf dem Progmeeting 66 in Verviers in Belgien hatten wir bei sonnigem Wetter Gelegenheit zu einen netten Plausch vor dem Gebäude. Dabei kam die Idee auf, ihn hinterher mit weiteren Fragen zu löchern. (Interview: Lothar Epe, Foto: Jutta Fassbinder)

Hey Nad, wie geht's dir?

Sehr gut, danke! Ich bereite mich auf Weihnachten vor und bin hier seit einer Woche total eingeschneit. Ich schaufle Schnee wie ein Wahnsinniger, aber das hält mich fit und stark!

Du gehst demnächst mit Steve Hackett auf Tour, um "Revisited II" zu präsentieren. Wie fühlt sich das an - oder was bedeutet es für dich, mit einer solchen Legende zu arbeiten?

Es bedeutet eigentlich alles für mich. Sozusagen den Soundtrack meines Lebens zu singen ist mehr als nur ein Traum, der wahr wird. Wer mich kennt weiss, dass ich ein Genesis-Verrückter bin. Es ist eine große Ehre für mich, und ich weiß, dass sich auch Steve für mich darüber freut. Alles ist also wunderbar. Die Tour startet übrigens Ende März 2013 in Florida. Ich gehe also zu Hause die Songs für die Tour durch, einen nach dem anderen, Note für Note, um alles gut abzuspeichern und sicherzustellen, dass es optimal läuft. Es ist eine Menge Zeug, das ich durcharbeiten muss. Einige sehr hohe Töne sind dabei, sodass ich auch an meiner Technik arbeiten sollte.

Vor zwei, drei Jahren hattest du ein paar Probleme mit deiner Stimme. Wie ich beim Progmeeting 66 feststellen konnte, musst du in der Vergangenheit hart an dir gearbeitet haben, denn die Probleme sind wie weggeblasen: großartige Performance! Steve Hackett hat also gute Gründe gehabt, dich in die Band zu holen. Kannst Du uns etwas darüber erzählen?

AGENTS OF MERCY haben auch 2009 und 2010 im Spirit of 66 gespielt, und ich weiß nicht mehr genau, welcher der beiden Termine es war, aber ich hatte eine Halsinfektion. Das Ganze war ziemlich anstrengend für mich. Es ist wirklich der größte Albtraum für einen Sänger, den man sich vorstellen kann, nicht wirklich gut singen zu können, aber wie dem auch sei: Danke für Dein Kompliment. In den letzten zwei Jahren habe ich mich als Sänger, wie ich meine, sehr gut entwickelt. Es ist also einfach etwas, das hinter mir liegt. Ich fühle mich so leicht auf der Bühne, und das fördert natürlich die komplette Performance.
Nun ja, also Steve Hackett hat mich vor einer Weile gecheckt. Anschließend wurde ich im April dieses Jahres von seinem Tourmanager Brian Coles kontaktiert, der der Meinung war, dass ich der Richtige für diesen Job sei, woraufhin er mich für ein paar Tests nach London in sein Studio eingeflogen hat. Noch am gleichen Tag wurde mir der Job angeboten.

Du bist mit zwei Bands unterwegs und eventuell auch noch mit Soloaktivitäten am Start. Irgendwelche logistischen Probleme?

Zur Zeit bin ich überhaupt nicht auf Tournee. Wir hatten in diesem Jahr lediglich drei Shows mit AGENTS OF MERCY, und im Moment bereite ich mich auf die Shows mit Steve Hackett sowie seiner Band vor. Ausserdem schreibe ich gerade an neuen Songs für die vierte CD von AGENTS OF MERCY. Ein Soloprojekt ist noch nicht geplant, aber wer weiß? Auch das könnte irgendwann passieren.

Im Progressive Rock sind eine ganze Menge Musikstile vereint. Wie würdest Du den Stil von AGENTS OF MERCY beschreiben?

Wenn ich unsere Musik beschreiben sollte, würde ich sagen: Classic Prog mit ein paar modernen Wendungen, auf eine bestimme Art ein bisschen wie The Flower Kings, aber düsterer und schwerer, manchmal sogar ein wenig böse.

In der Szene ist das Verhältnis zwischen den Bands und ihren Fans sehr eng, persönlich und fast familiär. Die Verkaufsstrukturen sind völlig anders als im Mainstream. Glaubst Du, das dies helfen kann, den Progressive Rock am Leben zu halten?

Natürlich, und ich empfinde den größten Respekt und viel Liebe sowohl für die Musik als auch die Fans, insofern in gewisser Weise natürlich auch für mich selbst. Da gibt es auch eine Gruppe von Hörern, die um alles in der Welt keine Show von AGENTS OF MERCY verpassen wollen, und sie sind Freunde geworden. Ich liebe sie sehr - und ich liebe es, ihnen eine gute Show zu bieten.

Einige Leute behaupten, du könntest auch sehr exzentrisch sein. Bis Du das?

Ja bin ich.

Lass uns über die aktuelle CD "The Black Forest" reden, großartiges Zeug übrigens! Wie läuft es mit den Verkaufszahlen? Seid Ihr zufrieden?

Danke  dir. Ich weiß ehrlich gesagt keine Einzelheiten, aber es könnte wohl besser laufen. Es dauert seine Zeit, bis du dir Renommee und eine Repertoire aufgebaut, eben einen Namen gemacht hast. Die bisherigen drei Alben wurden auf Roines Label Foxtrot Records veröffentlicht, und wie du dir vorstellen kannst, ist das Budget wesentlich kleiner als bei einem großen Label. So sind wir in diesen Zeiten auf die Fans und das Internet als Promoter angewiesen. Auf diesem Level und unter Berücksichtigung dieser Tatsachen läuft es also doch ziemlich gut.

Okay, reden wir über deine Kollegen. Walle ist noch ein ziemlich junger Schlagzeuger, zumindest sieht er so aus. Ich war überrascht, als ich gesehen und gehört habe, wie routiniert und groovy er sein Instrument spielt. Es hörte sich an, als bediene er sein Instrument schon seit 40 Jahren oder so.

Wir haben ihn für unser zweites Album "Dramarama" ins Boot geholt, nachdem wir ihn auf Lalle Larsons zweitem Album "Weaveworld" gehört haben. Zu dieser Zeit war er erst 24, aber sehr vielversprechend. Er wird immer besser und beständiger, zumal er zu 100 Prozent zuverlässig ist. Ich verstehe, was Du mit 40 Jahren meinst; seine Art zu spielen ist im besten Sinne sehr klassisch, sein Sound ist klassisch und er sieht auch "klassisch" aus.

Was euren Keyboarder angeht, haben wir einen ähnlichen Fall. Als ich ihn auf dem Progmeeting 66 sah, hat es so ausgesehen, als würde er seit seinem sechsten Lebensjahr 24 Stunden am Tag nichts anderes tun als Keyboard zu spielen - und natürlich hat er immer wieder Ausflüge in den klassischen Bereich gemacht. Bitte erzähl uns ein bisschen was über ihn.

Sein Name ist Lalle Larsson. Er stammt aus einer Künstlerfamilie, wurde am 19. Mai 1974 geboren und hat in Wien eine klassische Ausbildung absolviert. Er lebt, atmet und isst Musik, wie man so sagt. Es gibt praktisch nichts, was er nicht spielen kann. Er ist ein sehr herzlicher Mensch, und wir haben auf den gemeinsamen Touren wie im Hotel schon eine Menge zusammen gelacht. Auch er ist als festes Mitglied in die Band gekommen, nachdem wir letztes Jahr zusammen gereist sind, genau wie Jonas Reingold von Karmakamic.

So wie ich es einschätze, gibt es bei euch vor allem zwei sehr starke kreative Charaktere, möglicherweise sogar drei. Führt das hin und wieder zu Problemen untereinander?

Wir sind alle sehr kreativ. Roine ist ohne Frage die treibende Kraft innerhalb der Band. Er ist auch mit Abstand der Kreativste unter uns. Bisher haben nur er und ich die Songs für die Band geschrieben, aber ich hoffe, dass sich das ändern wird, weil Lalle und Jonas auf ihre Art auch sehr kreative Songwriter sind. Es ist nur so, dass Roine so viel schneller arbeitet als die meisten von uns. Wofür ich locker einen Monat brauche, benötigt er nur zwei Tage ... und ja, es gab in der Tat ein paar kleinere Probleme mit den Aufnahmen meiner Songs für "The Black Forest". Es ging um die Änderung von Arrangements, und das war, als würde man mir mein Herz herausreißen. Ich geriet in Panik! Wegen der ausgesprochenen Professionalität der anderen geht bei ihnen alles ziemlich schnell - zu schnell für mich. Das kann ein unterstreichendes Detail sein, eine Bassline oder vielleicht die Art, wie Akkorde hintereinander liegen - Dinge, an denen ich jedenfalls hart gearbeitet habe. Manchmal muss man sich allerdings anpassen, auch wenn man dabei die eine oder andere Träne verdrückt.

Und wer schreibt bei euch die Songs? Roine und Du oder letztlich alle zusammen?

Roine kommt meistens mit einer großen Menge an Songs an. Ich habe dann vielleicht mal gerade fünf bis sieben. Dann suchen wir die Songs gemeinsam aus und versuchen, die Teile zusammenzufügen. Wir probieren aus, was funktioniert, sowohl textlich als auch musikalisch. Wir schreiben die Songs also nicht zusammen, sondern arrangieren sie manchmal gemeinsam. Generell ist es so, dass der "Notenschreiber" eine sehr klare Vorstellung davon hat, in welche Richtung es mit dem jeweiligen Stück gehen soll, sozusagen in der Hoffnung, dass die anderen Bandmitglieder das genauso sehen.

Hast Du aktuell irgendwelche Pläne für ein Soloprojekt?

Nein, keine Pläne, aber die Idee ist mir nicht fremd. Alles ist nur eine Frage der Motivation und des Timings. Wer Solomaterial von mir hören will, kann das aber auf Spotify tun. Man findet da mein Album "Sylvanite" aus dem Jahr 2003, und es läuft eigentlich ganz gut.

Das war's Nad - Vielen Dank für Deine Zeit!

Sehr gerne!

Andreas Schiffmann (Info)