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Interview mit KRÄHE (15.07.2018)

KRÄHE

Eines der interessantesten Projekte in Sachen deutschsprachigem Rock rollt seit einiger Zeit aus Jüterbog in Brandenburg auf den Rest der Republik zu. KRÄHE, das neue Projekt um Namensgeber und Mastermind STEFAN KRÄHE, liefert ehrliche und erdige Rockmusik mit Texten, die weit entfernt sind von austauschbarer Massenware, Stellung beziehen und auch vor heißen Eisen nicht zurückschrecken. Die Review findet ihr hier. Ich habe die Gelegenheit, mich mit STEFAN KRÄHE über sein neues Projekt, seine musikalische Vergangenheit als Frontmann der Band SIX und über Gott und die Welt zu unterhalten.

Hallo Stefan, vielen Dank, dass du dir die Zeit für Musikreviews.de nimmst.

Stefan Krähe: Danke, dass ihr euch mit uns befasst habt, ist ja nicht selbstverständlich...

Stefan, ich würde mit dir gern über dein neues Projekt KRÄHE sprechen. Das geht allerdings nicht, ohne ein paar Worte über deine alte Band SIX zu verlieren, die du, nach 25 doch recht erfolgreichen Jahren, zu Grabe getragen hast. Wie kam es zu diesem Entschluss?

Stefan Krähe: Die Sache lässt sich in Kurzform etwa so beschreiben: Wenn man SIX die letzten 25 Jahre über beobachtet hat, hat sich die Band immer weiter entwickelt, war nie dieselbe, wer mal 10 Jahre lang nicht zu SIX gekommen ist, hat die Band nicht mehr wiedererkannt. Bei dieser Entwicklung ist es auch immer so gewesen, dass da gute Musiker bei waren und es schon immer unser Bestreben war, eigene Songs zu machen. Das gipfelte dann zum Schluss darin, dass wir in den letzten sieben Jahren schon drei Alben hatten, die auch wirklich alle Klasse waren aber einfach keine Beachtung gefunden haben. Wir waren als Coverband eben so gut, daher kann man es keinem übel nehmen, dass uns dieses Image auch anhaftet – schließlich haben wir uns über die Jahre hinweg Mühe gegeben, dass das so ist – und jetzt von den Leuten zu verlangen, dass sie das jetzt wirklich mal anders sehen, ist auch nicht so einfach.

Dazu zählen jetzt natürlich auch die Medien oder die Festivals – da spielen halt die Originale, keine Cover-Bands – denn wir haben zwar mittlerweile Konzerte gegeben mit Symphonieorchester, wo wir drei Stunden nur eigene Songs gespielt haben, einfach um das Image loszuwerden, aber die 25 Jahre haben sich so fest gesetzt – jeden, den du in Brandenburg gefragt hast - jeder kannte SIX und jeder wusste: Klar, die machen doch so toll RAMMSTEIN. Damit kriegst du natürlich kein Bein auf die Erde. Am Ende war es ja auch so, dass wir 90 Minuten eigenes Zeug gespielt haben und 90 Minuten noch Cover. Das neue Album war jetzt fertig und es kam das Thema auf: Wie ist das jetzt mit den Covern, lasst ihr die jetzt ganz sein? Irgendwann hätten wir das sein lassen müssen und das unter dem Namen SIX zu machen wäre wahrscheinlich ein Eigentor gewesen, denn die Leute, die sich wirklich für eigene Musik interessieren, hatten uns nie wirklich auf dem Pinn und die Leute, die sich für Cover interessieren, die wären total enttäuscht, weil wir ja nun jetzt überhaupt nichts mehr machen, „was schön ist“. Man müsste KRÄHE eigentlich sehen als Weiterentwicklung von SIX, als SIX 2.0, denn wir hätten diesen Weg sowieso gehen müssen, aber mit diesem Namen war es einfach nicht möglich.

Denn Material war immer genug da, Ideen sind schon wieder da, ich hab schon wieder jede Menge Songs fertig, ich sprühe nur so vor Zeugs und es wäre nicht gegangen, unter diesem Namen weiterzumachen. Wir waren ja auch recht erfolgreich - der Schluss war dann ja auch ein guter – wir waren ausverkauft, etwa drei- bis viertausend Leute in der MBS Arena in Potsdam - nach 25 Jahren gibt es die eine oder andere Band, die dann ihr letztes Konzert im Dorfkrug zu keine-Ahnung-wo vor 25 Leuten gibt.

Wir haben ja auch nicht wegen Erfolglosigkeit aufgehört sondern weil das Konzept jetzt ein anderes ist. Natürlich ist das jetzt hart. Du fängst mit vielen Dingen bei Null an, die Leute müssen dich jetzt neu entdecken, es gibt auch ganz viele Leute, denen wir jetzt nicht mehr gefallen, du kannst aber auch als Band nicht jedem gefallen, das ist auch nicht mein Ansinnen – noch nie gewesen – auch nicht mit SIX, da haben wir auch schon immer unseren Stiefel durchgezogen, hatten damit aber irgendwie Erfolg, vielleicht, weil das anders war.

Jetzt ist es wieder so, dass man sich sein Publikum erkämpfen muss – das ist hart, aber manchmal hat es auch nur mit Glück und Pech zu tun. Wir hatten ja jetzt den WM-Hit „Ehre Wem Ehre Gebührt“ und sind so weit gekommen wie zuvor noch nie – wir waren im ZDF und in allen Radiostationen von RADIO BOB bis ROCKANTENNE BAYERN, alle möglichen Sender haben uns auf dem Pinn gehabt und uns gespielt, nur hat dann Deutschland nicht so gespielt, wie man sich das wünschte und dann war „Ehre Wem Ehre Gebührt“ nicht immer der Titel, den man gerade gebraucht hat. Dann war die Mannschaft ganz schnell raus und dann hat man ihn gar nicht mehr gebraucht.

Dabei war es sogar noch so, dass beim ZDF, in der Sendung „Volle Kanne“ mehrere Songs vorgestellt wurden und ein großer Musikproduzent sich die alle angehört und bewertet hat. Aus seiner Sicht war unser Titel der Favorit, wobei er auch sagte, dass er befürchtet, dass wir trotzdem eine Randerscheinung bleiben und das wird daran liegen, dass er das Musikgeschäft kennt, denn nur gute Musik haben ist erstmal kein Argument, um Radiosender oder Fernsehsender dazu zu bringen, dich zu spielen. Das ist eben so – wenn man seinen Erfolg abhängig macht vom Erfolg Anderer, dann kann so etwas halt passieren. Dass so etwas mit der deutschen Fußballnationalmannschaft passieren kann, hätte natürlich keiner gedacht. Also – wenn wir mal ´nen Fuß drin haben, fliegen die in der Vorrunde raus. Vielleicht gibt’s da irgend ´ne Verbindung, vielleicht muss ich mich bei Deutschland entschuldigen, dass ich einen Song geschrieben habe, aber wenn es wirklich klar wäre, dass ich der Grund dafür war mit meiner Hymne, dann könnte ich die Jungs beim nächsten Mal erpressen (lacht). Nach dem Motto: Wenn ihr gewinnen wollt, dann schreib ich keine Hymne – das muss euch doch was wert sein...(lacht).

Jedenfalls war es mal schön, so einen kurzen Moment hinein gerochen zu haben, wie es sein könnte. War auch schön, mal auf der Fanmeile zu spielen vor ein paar 100.000 Leuten – hätte ruhig noch ein paarmal passieren dürfen – hätte uns sehr geholfen. Uns geht’s erstmal nicht darum, die großen Festivals oder im Olympiastadion zu spielen – ich wünsche mir so 300 Leute auf den Konzerten und das so zweimal die Woche – dann ist mein Leben eigentlich in Ordnung, dann kann ich noch ein neues Album machen und auch mal in Urlaub fahren und alles ist schön. Wir sind ja auch nicht so erfolglos und uns gibt’s ja erst seit einem halben Jahr...

Kommen wir zum neuen Album, das sehr autobiographisch geworden ist. Das birgt natürlich das Risiko, verletzlich zu sein und sich angreifbar zu machen. Wie sind die Reaktionen auf die Texte?

Stefan Krähe: Ja, man kann sagen, es gibt viele Menschen – leider – die Musik hören, die es aber nicht interessiert, wenn man gute Texte macht. Viele Menschen legen gar keinen Wert auf Texte, die hören sich die Musik an und sagen: Oh, schön. Aber Leute, die auch den Texten zuhören, von denen gibt es nur Positives, von anderen Leuten habe ich, ehrlich gesagt, auch gar kein Feedback. Die Leute kommen ja nur zu mir, wenn sie geflasht sind. Selten kommt einer zu mir und sagt: „Ey, ist aber scheiße, Alter.“ Kann ja sein, dass es den gibt, aber die Motivation ist einfach nicht da, irgendwem zu sagen: Du bist scheiße...(lacht) die Motivation ist eigentlich dann da, wenn jemand geflasht ist, dann will der, dass der Verursacher das auch weiß. Und deshalb ist es so, dass bei mir nur Positives ankommt – ob das nun damit zu tun hat, dass es nur positive Reaktionen gibt, wage ich mal zu bezweifeln, ich bekomme aber nur positive Reaktionen mit.

Ich kann ja mal eine Posse erzählen: Ich dachte zum Beispiel, dass INA MÜLLER so ein Thema wäre, wo man eigentlich doch mal hin müsste. Ich hab´dann mal ´ne Mail hingeschickt...da kam dann eine Woche gar nichts zurück, doch dann kam auf einmal eine Riesenmail, wo sich INA MÜLLER entschuldigt hat, dafür, dass sie quasi in ihrer Sendung nichts mehr machen kann, dass jetzt andere bestimmen, wer in die Sendung kommt. DIE TOTEN HOSEN, DIE BROILERS in einer Sendung und andere Bands, die die Promotion eigentlich gar nicht mehr brauchen jedenfalls nicht so wie wir. Sie ist nicht mehr die, die das bestimmt, das war früher mal so. Sie hat sich dafür entschuldigt, hat dann aber alle meine Songs, die ich ihr hingeschickt habe, kommentiert und auch noch Titel, die ich ihr gar nicht geschickt hatte, also von SIX noch.

Die hat sich also richtig mit dem Thema befasst, die hat da gesessen und sich meine Songs angehört. Es ist schön, jetzt zu wissen, dass ich einen Fan habe, der INA MÜLLER heißt, das hilft mir zwar jetzt erstmal nicht weiter, aber irgendwann könnte es mir vielleicht helfen – was es aber eigentlich heißt, ist, dass wenn Menschen wie INA MÜLLER meine Musik gut finden: Davon gibt’s ja mehr. Es gibt ja nicht nur Ina, es gibt ja noch andere Menschen, die das hören und das ist immer schön zu wissen....FURY IN THE SLAUGHTERHOUSE feiern das ab, oder der Schlagzeuger von KARAT hat mir einen Brief geschrieben...vor kurzem hat jemand eine Kritik über das Album geschrieben mich mit NIEDECKEN UND WOLF MAAHN zusammen genannt...also, ich habe so eine Hochachtung vor WOLFGANG NIEDECKEN, der Typ ist einfach unfassbar, ist schon total geil, was der schreibt.

Diese Review war von mir. Als ich die Platte das erste Mal gehört habe, fühlte ich mich genau in diese Zeit zurückversetzt, an WOLF MAAHNs „Irgendwo In Deutschland“ oder NIEDECKENs rockigere Phase mit BAP...

Stefan Krähe: Weißt Du, woran das liegt? Das liegt nicht daran, dass ich jetzt so wortgewandt wäre wie NIEDECKEN – das bin ich nicht – das liegt einfach daran – das hab ich auch schon analysiert – die haben noch Geschichten erzählt. Das ist es, du musst Geschichten erzählen. Heute ist es oft so, ich hab den Fehler auch selbst schon gemacht und dann im Nachhinein, gerade jetzt beim neuen Album, an dem ich arbeite, da ist mir aufgefallen: Hey, du verwendest einfach nur zu viele Plattitüden...so Sachen wie: „Wir waren stark“ oder „Wir waren zusammen“, „Die Zeit war die schönste“...aber wenn du ´nen Song schreibst über einen Kumpel, dann schreib doch so was wie UDO LINDENBERG „Gegen die Strömung“:

Der erzählt einfach ´ne Geschichte. Das machen die heute nicht mehr. Heute sind die Texte, ich würde mal sagen, nach einem Baukastenprinzip zusammen gehauen: Was passt da alles rein, welcher Spruch passt da rein usw...damit klingt der Text dann richtig, aber diese Ästhetik, die die damals in den 80ern hatten, ist weg. Das hab ich jetzt quasi ein bisschen wieder beatmet, weil ich mich damit befasst und gesagt habe: Es ist wirklich schöner, einen Song zu schreiben, wo du dich auf die dritte Strophe freust und dir denkst: Wie geht es weiter? Weil da die Geschichte einfach weitergeht.


Stefan, lass uns mal etwas ins Detail gehen. „Ich Brauche Keinen Gott“ ist ja so etwas wie das Evangelium nach Krähe...

Stefan Krähe: Der Grund dafür war, dass es mir einfach auf den Sack geht, dass Leute die Religion immer für irgendwas benutzen, in aller Regel für Schlechtes.

Du kannst ja den Moslem nicht verteufeln – der Christ hat noch viel mehr Scheiß gebaut in der Geschichte, der war noch viel schlimmer drauf und wenn sie schon Scheiße bauen und dann auch noch eine Religion vorschieben, das finde ich einfach mies. Ich selbst bin Atheist, aber prinzipiell sind Religionen nicht dafür gedacht.

Keinen Bock“ ist mit Sicherheit ein Titel, der dir eine Menge neuer, echter Feinde eingebracht hat...


Stefan Krähe: Ja, viele verstehen den nicht, aber das sind dann auch genau die, die ich anspreche. Das sind genau die, die unpolitisch sind, alles geschehen lassen, sich keinen Kopf machen über irgendwas, denen man erklären muss, dass jetzt eigentlich wieder die Zeit wäre, mit den großen Truppenbewegungen Richtung Russland, da wären in den 80ern Konzerte gegeben worden für den Frieden und gegen Krieg, da würden LINDENBERG, WESTERNHAGEN und BAP Songs schreiben, die für etwas stehen würden – das gibt’s heute nicht mehr, so was wie: „Plant mich bloß nicht bei euch ein“ von BAP, weißt du.

Wenn du den Song – den hab ich mir jetzt nochmal angehört – wenn du den heute machen würdest, dann kämen die direkt wieder mit der rechten Keule kommen und würden sagen: Alter, du bist ´ne rechte Sau! Das ist heute alles so schlimm geworden. Sobald du für irgend jemanden Partei ergreifst, die gegen den Staat ist, bist du ein Rechter. Früher bei LINDENBERG war das so, der hat immer gegen die Bonzen gewettert, die sich die Taschen voll hauen für ihre eleganten Frauen. Wenn du das heute machst, bist du sofort AfD oder rechts oder so einen Quatsch. Ich kann einfach nicht unpolitisch. Ich habe so das Gefühl, das wir in den 90ern noch ein Volk waren und deshalb haben wir es auch geschafft, ´ne komplette Gesellschaftsordnung zu ändern.

Heute sind wir ganz viele Völker: Wir sind AfD, wir sind links und jeder kann den anderen nicht leiden und alle hassen sich – die Gelben die Roten, die Roten die Grünen, die Grünen die Schwarzen, die Schwarzen die Roten und die Roten die Roten und solange wir uns gegenseitig wegen allem auf die Fresse hauen, werden wir nie wieder ein Volk, dabei sind wir alle gegen Krieg, alle gegen Aufrüstung, alle gegen Glyphosat, wir wollen alle keine Altersarmut und trotzdem sehen wir nicht, dass wir ein Ziel haben. So lange das so ist, kriegen wir es auch nicht mehr hin, dass wir unsere Demokratie wieder zurück kriegen. Ich glaube fest, dass wir die nicht mehr haben. Wenn wir Demokratie hätten...Demokratie heißt ja, dass das Volk ´ne Meinung hat, die dann nach oben getragen wird.

Da steht jetzt nirgendwo, wie diese Meinung sein soll, ob die rechts oder links sein soll, das ist ja gar nicht die Frage, da muss man als Demokrat die andere Meinung erstmal akzeptieren, ob die rechts oder links ist, ist erstmal egal. Und das fehlt hier irgendwie. Es gibt hier solche Grabenkämpfe und die sorgen dafür, dass man nicht mehr zusammen auf die Straße geht – gegen Glyphosat, gegen Altersarmut – alle wissen, dass die Rente nicht reichen wird und es passiert nichts. Das ist es im Grunde, was ich meine mit diesem Song.

die Leute, die nur durch ihr Leben wanken, denen es im Prinzip egal ist, was um sie herum geschieht, Hauptsache, das Essen kommt pünktlich auf den Tisch und der Fernseher funktioniert...

Stefan Krähe: ...Hauptsache der Bachelor und Bauer sucht Frau kommt. Brot und Spiele eben.

In dem Song „Offene Wunden“ thematisierst du Kindesmissbrauch. Du selbst bist alleinerziehender Vater eines Sohnes. Was hat dich zu diesem Titel inspiriert?

Stefan Krähe: Als Vater tickst du irgendwie anders. Bei mir war es so, dass ein Typ bei mir um die Ecke, aus dem Nachbardorf, sich aus Berlin zwei Jungs mit nach Hause genommen hat und sie umgebracht hat. Früher hätte ich gesagt: Was für ein Idiot, ein Spinner, aber wenn du Vater bist, dann tickst du doch schon anders, dann geht dir das irgendwie näher. Aus persönlichen Gesprächen weiß ich, dass das Thema Kindesmissbrauch eine große Rolle spielt, dass wir aber nur die Spitze des Eisbergs kennen.

Man redet darüber nicht. Man macht da immer ganz große Geheimnisse draus. Ich wundere mich sowieso, dass über dieses Thema kaum Musik existiert. Das ist ein Riesenthema und darüber muss man singen, das muss man thematisieren und wenn so ein Song die Welt auch nur ein bisschen besser macht, ist es auch schon ok. Wenn nicht, war es wenigstens einen Versuch wert aber dadurch, dass man es nicht thematisiert, wird es auch nicht besser.

In dem Song „Fühl Dich Frei“ thematisierst du Datenvampire wie GOOGLE und FACEBOOK. Das ist ein zweischneidiges Schwert, denn du benutzt ja auch selbst Social Media Kanäle. Hast du Angst vor Überwachung oder glaubst du, dass man diese Kanäle um den Preis des Verlusts von Teilen seiner Privatsphäre nutzen muss?

Stefan Krähe: Ich selber bin so jemand, der sich ein Überwachungsding gekauft hat – die STASI musste damals ganz viele Kameras in Häuser einbauen – heute hat jeder sein eigenes Handy mit Kamera gekauft – muss man erstmal machen...aber das war gar nicht so das Ansinnen. Der Song ist eigentlich damals während der NSA – Affäre entstanden. Da war ursprünglich noch ein Sample von ANGELA MERKEL drin...wie war das doch gleich: „Unter Freunden macht man so was nicht.“ Da denkst du dir: Diese Scheinheiligkeit! Die wissen genau, das sie von der NSA abgehört wurde.

Ihr seid mit dem neuen Album auf Tour, spielt einige Termine in Brandenburg und Umgebung, Anfang des nächsten Jahres kommt ihr auch in den Kölner Raum...

Stefan Krähe: Wir versuchen, das jetzt noch weiter auszubauen. Frankfurt am Main kommt jetzt noch dazu, wir sind ja noch am Anfang. Unser Bestreben ist auf jeden Fall, die Musik in Deutschland bekannt zu machen. Ob es uns gelingt, wie es uns gelingt, ob noch ein paar Radiosender einsteigen oder ob wir anders Gehör finden und deshalb nicht in der kleinen BATSCHKAPP vor 100 Leuten spielen müssen, sondern in der großen vor 800 – ob das gelingt, werden wir sehen.

Wir sind da guter Dinge. Ich hatte vor kurzem eine Unterhaltung mit meinem Schlagzeuger. Da haben wir festgestellt, dass wir eigentlich zu SIX – Zeiten ein total geiles Leben gehabt haben, da haben wir so 200 Kilometer im Orbit gespielt, haben zwischen den Konzerten sogar in unseren Betten pennen können, nicht in Hotels, waren unter der Woche für unsere Kinder da, hatten genug Geld, um in Urlaub zu fahren, alles war schön. Und jetzt wollen wir, dass Deutschland unsere Musik kennenlernt, das heißt, wir fahren dann irgendwann mit dem Night-Liner von Trier nach München, dann nach Hamburg, schlafen nicht mehr in unseren Betten, wissen nicht, ob das Geld für den Urlaub reicht, aber wenn der Plan aufgeht und ganz Deutschland uns dufte findet wie GRÖNEMEYER oder WESTERNHAGEN, dann müssen wir uns für 25 Millionen in Hamburg ´ne Villa kaufen mit 8 Schlafzimmern weil wir unsere Freunde zu uns einladen müssen, weil wir nicht mehr raus können, weil wir nicht mehr ins Kino können, nicht mehr in die Sauna und nicht mehr ins Freibad – dann hat der Plan geklappt.

Aber der Idealzustand wäre, wenn ein paar hundert Leute jede Woche kämen – am liebsten 200 Kilometer im Orbit – aber ist ja Quatsch – man will auch mal nach Zürich oder München, dass die Leute deine Songs kennen, das ist dieses Ego-Ding bei einem Musiker, dieser Narziss, der in dir steckt, du brauchst jeden Tag diese Bestätigung und die willst du nicht immer nur in deinem Orbit haben, sondern auch woanders und weil das so ist, werden wir dann auch im Westen sein, weil wir immer neue Ufer haben wollen, mit neuen Regionen, neuen Menschen.

Kommt ihr auch ins Ruhrgebiet? Hier gibt es einige großartige Locations, die sich anbieten würden.

Stefan Krähe: Wir sind gerade dabei, am 04. oder 05. Oktober so ein Ding zu planen, mit der Sängerin von LUXUSLÄRM. Unser Klampfer, der Freddy, ist ja von LUXUSLÄRM gekommen, hatte mal ´ne Idee, mit der Jini, die macht ja nichts mehr, einen Gig zu machen und die kommt ja aus dem Ruhrgebiet. Da hatten wir die Idee, uns ein paar Songs von LUXUSLÄRM drauf zu drücken und auch unser Zeug spielen. Das ist jetzt geplant, es gibt aber noch keine Bestätigung. Das hätte zur Folge, dass wir am Tag danach noch ein Kneipending im Ruhrgebiet machen. Also an dem Wochenende wird möglicherweise etwas passieren. Die Ankündigung veröffentliche ich dann sofort auf Facebook.

Die Promotion für das neue Album hast du über Crowdfunding finanziert...

Stefan Krähe: Das Album war schon fertig, aber dadurch, dass wir jetzt nun gar keine Kohle mehr hatten (lacht), aber wir ganz dringend der Meinung waren, dass wir einen TV- und Radiopromotor bräuchten, was auch richtig war, denn sonst wären wir nicht im ZDF gewesen...Das hat 10000 Euro gekostet – aber für 3 Monate. Das Geld musste irgendwie heran und auf diese Weise haben wir es heran gekriegt, das hat ganz gut funktioniert, eine Variante, von der wir erstaunt waren, dass sie funktioniert und die man sicherlich nochmal nehmen könnte.

Beispielweise, um große Benefiz-Konzerte zu organisieren. Ich kenne ja auch Hinz und Kunz, Leute, die große Bühnen haben. Das kann man über Crowdfunding machen, denn da sollte auch der Eintritt frei sein, damit man eine Masse an Zuschauern hat. Dann muss man bei Leuten wie LINDENBERG und ähnlichen auch Überzeugungsarbeit leisten, dass die da mitmachen. Das kann man über Crowdfunding finanzieren. Das wird sicherlich 250.000 – 350.000 Euro kosten.

Du brauchst ja wenigstens 500 Toiletten, 2 Kilometer Bauzaun, ne Bühne, die entsprechen groß ist, die entsprechende Technik braucht. Die Bühne kostet 80.000 Euro. Aber das wäre alles denkbar mit diesem Mittel. Das ist ein Instrument, das das eine oder andere möglich macht. Vielleicht klappt es auch nicht aber es wäre den Versuch wert und ich glaube, dieser Versuch wäre gerade jetzt auch nötig. Ich hoffe nicht, dass ich dann wieder in die rechte Ecke gestellt werde, nur weil ich so was organisiert habe. Aber heute ist ja alles möglich. Hatte ich vor kurzem noch. Da hat jemand gesagt, dass ich ein Rechter und ein Nazi sei...

Da hat der TRUMP kürzlich gesagt, dass die Bundesregierung die Kriminalstatistik fälscht. Ich habe auf Twitter gepostet, dass er Recht hat. Das hab ich vom Vorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz . Ich habe mich auch mit einem Polizisten darüber unterhalten, der hat mir das genauso erzählt, dass wenn eine rumänische Bande einen ganzen Straßenzug aufbricht, zählt das als ein Einbruch. Es gibt ganz viele Tricks, die die eingesetzt haben, um die Anzahl der Delikte nach unten zu drücken. Oder sie bringen – in Berlin sind das 50.000 – Delikte erst gar nicht zur Anzeige und damit kann man die Statistik natürlich nach unten drücken, denn es ist politisch nicht gewollt, dass man auf Ausländer schimpft...

Die Wahrheit aber ist nun einmal – und ich bin kein Ausländerfeind – aber natürlich kann es nicht sein, dass Deutschland das einzige Land ist, in das man ohne Ausweis reinkommt aber ohne Ausweis nicht wieder heraus. Wir können die Leute nicht abschieben, weil sie keinen Ausweis haben, aber reingekommen sind sie ohne. Da fasst man sich manchmal an den Kopf...was ist denn hier los?

Dass Deutschland, der bürokratischste Staat der Welt, nicht weiß, wie viele Leute hereingekommen sind...das es möglich ist, dass einer vier Identitäten hat...wirklich nichts gegen die Leute, denen geholfen werden muss – denen muss man helfen. Aber die Leute, die das ausnutzen, kann man nicht gewähren lassen. Das ist das, was ich gepostet habe: TRUMP hat Recht, dass die Kriminalstatistik gefälscht ist. Und wenn du so was sagst, bist du ein Rechter. Der Fuchs ist nicht schuld, wenn der Bauer den Hühnerstall offen lässt. Du musst dich heute extrem solchen Sachen aussetzen, die total unverständlich sind, die hat es vor 20, 30 Jahren überhaupt nicht gegeben.

Gab es für dich einmal einen anderen Berufswunsch als Rockmusiker?

Stefan Krähe: Nee! Eigentlich hatte ich mit 16 schon beschlossen, dass ich mal ´ne Band haben werde und habe dann schon mal, als ich fertig war mit der Lehre, mir überlegt: Wenn du ne Band hast, brauch ich ´nen großen LKW, wenn ich ´nen großen LKW habe, brauch ich ´ne große Garage, also hab ich dann mit 16 schon mal ne große Garage für ´nen großen LKW gebaut, den ich nie hatte...für mich war das damals mit 17 schon klar. Ich hab meine Lehre fertig gemacht, nach der Lehre noch zwei Jahre gearbeitet und hab´ dann festgestellt, das ist nicht das, was ich soll und bin seit dem mit Musik unterwegs. Das ist es, was ich immer wollte, was auch total anstrengend ist, was auch total niederschmetternd ist.

Du musst echt Nerven haben, wenn du dich zum Beispiel auf irgend ´ne Sache freust...du kommst ins ZDF oder auf eine große Bühne, oder bist Vorband von Klimper-Kalle..wie heißt der doch gleich...CARLOS SANTANA...dann ist es so, dass du dich tierisch freust, aber du hast immer einen im Nacken, der sagt: Freu´ dich nicht! Freu´ dich nicht zu doll, es wird doch wieder alles ganz anders. Wenn du dir die Zukunft ausmalst, so könnte es sein...lass es. Du musst so hart im Nehmen sein. Ich glaube, du musst als Musiker gar nicht so gut sein, du musst es nur durchstehen. Vor kurzem hab ich vor dem Fernseher gesessen da kam ALEXANDER KNAPPE, der war beim ZDF Fernsehgarten. Und ich schreib dem ´ne SMS: Hey Alter, läuft ja. Dann fragt er mich, wie´s bei mir so ist und ich sage: Den einen Tag kriegst du in die Fresse, den anderen Tag ist es total geil, dann wieder in die Fresse...darauf er: „So war es bei mir 10 Jahre lang. Das musst du einfach überstehen.“

Wenn du ein junger Künstler bist und da kommt ein Produzent an, der dich euphorisiert, du gehst dann zu deiner ersten Autogrammstunde und da steht dann keiner...Auch BEN ZUCKER. Der war bei mir im Vorprogramm. Der kam da mit seiner Klampfe an und hat immer erzählt, dass das das große Ding wird, dass er da Leute hat, ich hab gesagt: „Ich hoffe, du hast nicht nur die Typen getroffen, die nur reden und nichts machen, denn von denen habe ich so viele kennengelernt.“ Ich hatte fest damit gerechnet, dass das so ist, dass da nur irgendwelche Quatschtypen dran sind und auf einmal macht der ´ne Stadiontour und ist bei HELENE FISCHER im Vorprogramm – Respekt. Hat geklappt.

War das der Grund für dich, das Management selbst in die Hand zu nehmen?

Stefan Krähe: Das habe ich eigentlich immer schon gemacht. Ich war immer der Manager, der Gitarrist, jetzt bin ich zusätzlich noch der Komponist, der Texter, derjenige, der Regie führt beim Videodreh. Im Grunde bin ich jetzt immer alles. Einmal hatte ich mich darauf verlassen, da hatten wir zu SIX-Zeiten gedacht, jetzt holen wir mal die Großen, nehmen uns eine Booking-Agentur, Management, ´ne Plattenfirma und es ging mir nie so schlecht wie in diesem Jahr.

Die konnten nur reden, es ist nichts passiert. Wir hatten nicht einen einzigen Gig über unsere Booking-Agentur, wir hatten von dem Management gar nichts, die Plattenfirma hat auch nur erzählt, was sie alles machen könnte aber es ist nichts passiert. Da hab ich mir gedacht: Ganz viel reden und nichts machen kannst du alleine besser, da muss du keinem anderen Geld für geben, dass der redet und nichts macht.

Deshalb hab ich das jetzt allein in die Hand genommen gerade auch beim neuen Album, da haben alle gesagt: Das musst du radiotauglich machen, lass das Solo weg, dann ist das radiokompatibel. Ich habe darauf geschissen und gesagt, ich mach das jetzt so, wie es mir gefällt und wenn es mir gefällt...mein Geschmack ist ja nicht so weit weg von dem Geschmack anderer...also kommt jetzt das Solo rein. Einer sagt, das ist altbackene Musik. Ist mir auch egal, es gibt auch genug Leute, die altbackene Musik mögen und deshalb haben wir das so gemacht – und siehe da, auf einmal werden wir auch im Radio gespielt. Also hab ich jetzt ohne Plattenfirma mehr erreicht als damals mit und im Grunde haben die Plattenfirmen nur noch die Funktion einer Bank, da kannst du auch deine Oma fragen, ob sie dir 20.000 gibt, um die Sache zu produzieren.

Es gibt da noch eine ganz interessante Geschichte, die ich gehört habe und zwar bist du mit 15 einfach mal nach Bulgarien getrampt.

Stefan Krähe: (Lacht herzhaft) Klar, ich wollte gucken, ob da Palmen sind, aber da gab es keine. Mit 14 hab ich Mama gesagt, ich bin mal eben am See, der ist so 10 km entfernt, da war ich an der Ostsee, mit 15 hab ich ihr gesagt, ich bin an der der Ostsee, da sind wir dann nach Bulgarien getrampt, um zu gucken, ob es da Palmen gibt. Das war der südlichste Teil, den man als Ossi erreichen konnte und wir wollten wissen, ob es da welche gibt..aber da gibt es keine.

Aber auf die Idee muss man erst mal kommen und das dann durchzuziehen zeigt eine Facette deines Charakters, sich Dinge in den Kopf zu setzen und Pläne umzusetzen...

Stefan Krähe: Ich bin halt ein positiver Mensch, das Glas ist immer halbvoll. Selbst als meine Mutter damals gestorben ist, habe ich noch Gründe gefunden, was jetzt daran gut ist...der einzige Grund, der mir einfiel, war der, dass ich nicht vor ihr gestorben bin. Darüber konnte ich mich dann für einen Moment freuen, weißt du...es hat alles immer zwei Seiten. Ich habe vor kurzem von einem Typen gehört, der zur Arbeit gefahren ist. Da kam ihm im Dunklen ein Radfahrer entgegen, den er überfahren hat. Er ist dann ausgestiegen und hat erkannt, dass das sein Sohn war. Also, da wüsste selbst ich nicht mehr, was daran positiv sein könnte. Es gibt so Sachen, die willst du nicht erleben. Aber in den allermeisten Fällen ist es so, dass alles Schlechte irgendwas Gutes hat. Auch wenn wir nur vor zwanzig Leuten spielen, hat das etwas Gutes. Man muss das Leben so nehmen, wie es ist, mal bergauf, mal bergab, letztendlich gehört es dazu.

Ich bin ja der, der ich bin aus der Summe aller Erfahrungen, aller Fehler, die ich gemacht habe, ich würde jetzt auch nichts mehr anders machen wollen, denn ich bin genau deshalb das, was ich jetzt bin.

In „Mein Sohn“ schreibst du von diesen Fehlern, vor denen du deinen Sohn bewahren willst..

Stefan Krähe: Na ja, ich hatte keinen Vater...aber ich lass den schon auf die Fresse fallen. Vor kurzem ist er mit dem Fahrrad gefahren und vom Bordstein ´runter und wollte wieder ´rauf fahren und ich wusste genau, dass wenn er jetzt nach links lenkt, fliegt er hin...aus dem Winkel kommt er nicht mehr ´rauf...das hat er jetzt gelernt und wird es beim nächsten Mal nicht mehr machen.

Ich hab ihm eine Uhr geschenkt, eine Funkuhr mit Solar, wasserdicht und stoßfest und irgendwann ist er nach Hause gekommen und hat gesagt: „Die Uhr ist kaputt.“ Ich sagte: „Wie kommt das denn?“ Darauf er: „Ja, die ist ja stoßfest und meine Kumpels wollten sehen, wie stoßfest sie ist.“ Da haben sie die Uhr an die Wand geworfen. Da hätte ich ausrasten können, das Ding hat 200 € gekostet, aber ich habe ihm gesagt: „Jetzt weißt du, wann eine Uhr kaputt geht und jetzt weißt du auch, dass es gar keinen Sinn macht, zu wissen, wann eine Uhr kaputt geht, denn wenn du das weißt, ist sie kaputt.“ Die Erfahrung hat er jetzt gesammelt. Er ist jetzt acht Jahre alt. Da habe ich ihm gesagt: „Du hast mir erzählt, du hast 36,20 € gespart, dann nimm das Geld und gehe zum Uhrmacher.“ Dann hat der Uhrmacher gesagt: „Ich kann das reparieren oder das ganze Gehäuse austauschen, das kostet dann 60 Euro.“ Er hat sich dann für die billige Variante entschieden und musste feststellen, dass die Uhr jetzt nicht mehr wasserdicht ist...

Weißt du, ich möchte zwar, dass er keine Fehler macht, aber ich passe schon auf, dass er welche macht, aus denen er lernt. Also nicht wie die Helikopter-Eltern, die ihre Kinder immer zur Schule fahren und vor allem bewahren wollen - im Gegenteil – ich warte immer darauf, dass er Scheiße baut, aber wenn, dann will ich gerne dabei sein...

Wir sind ja alle „Gebrannte Kinder“, da gab es mal eine SIX-Song...wir alle haben einen Schaden, jeder wurde in seiner Kindheit irgendwie geprägt und manchmal ist der Schaden auch ganz gut, denn ich bin vielleicht ein guter Vater, weil ich selbst keinen hatte...das ist jetzt mal ´nen guter Schaden, ich hab auch andere, aber der ist jetzt mal positiv...(lacht).

Stefan, nach 25 Jahren im Geschäft bist du ein Medienprofi. Gibt es denn eine Frage, die dir noch nie gestellt wurde, die du aber immer schon mal beantworten wolltest?

Stefan Krähe: Oh, da brauche ich jetzt aber Bedenkzeit...(lacht). Ich glaube nicht. Wie du schon gemerkt hast, brauchst du mir gar nicht viele Fragen stellen – ich erzähl die ganze Zeit was...ich erzähl immer soviel...da bleiben keine Fragen offen...(lacht).

Stefan, vielen Dank für dieses Gespräch.


 

 

Stefan Haarmann - Stellv. Chefredakteur (Info)
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