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Interview mit VREDENSDAL (08.04.2023)
Mit dem vierten Album in fünf Jahren präsentiert sich das nordamerikanische Black-Metal-Projekt VREDENSDAL so tatendurstig wie angriffsfreudig, und lässt getreu dem Titel "Sonic Devotion To Darkness" wenig Zweifel an seiner musikalischen Ausrichtung aufkommen. Gleichwohl der hauptverantwortliche Mikael Vredensdal sich als Goblin Reaper (zumindest auf Promo-Photos) seine Zähne an schwermetallischen Klischees ausbeißt, wohnt seiner Musik jenen Klischees zum Trotz eine Energie und Frische inne, die vom Fleck weg überzeugt und für Kurzweil sorgt. Also klopfte ich noch mal beim umtriebigen Musiker mit der prägnanten Maske an, um an unseren letztjährigen Plausch anzuknüpfen.
Hallo Mikael, VREDENSDAL ist zwar weit davon entfernt, irgendeinen Stil neu zu erfinden, aber dennoch ist "Sonic Devotion..." dank des souveränen Songwritings und der beeindruckenden Anzahl an Hooks, die den Hörer einfach im Nacken packen, selbst für Black-Metal-Veteranen ein erfrischendes Hörvergnügen. Wie gelingt es Euch, so fokussiert zu Werke zu gehen, und mit einem so grimmigen Ergebnis aufzuwarten?
Ich denke, die Formel, die ich für das Songwriting entwickelt habe, erfüllt zwei wichtige Dinge: Sie lässt mich nicht zu weit ausholen, und sie lässt mich mit dem Wesentlichen im Kontakt bleiben. Erforderlich sind ein klares Verständnis der persönlichen Grenzen, das Streben nach Ausgewogenheit und schonungslose Ehrlichkeit. Ich zitiere George Carlin, wenn ich sage: "Ich bin ein Mann der Ideen...". Ich bin nun mal kein Erfinder, und meiner Meinung nach ist die Idee, etwas "neu erfinden" zu wollen, ziemlich töricht, denn man wird immer mit etwas kämpfen, das nicht zu einem selbst gehört. Ich erschaffe Musik aus meinem Inneren heraus, und es ist dieses innere Gleichgewicht, das ich nutze, um Erwartungen nicht an mich heranzulassen. Die Musik wird mir ergo durch eine Kraft vermittelt wird, die fast völlig ohne Erklärung auskommt.
Kürzlich hast Du in einem Interview mit dem Decibel-Magazin erwähnt, dass Du als Erwachsener verschiedene Musikstile für dich entdeckt hast, die in Deinen Songs mehr oder weniger durchscheinen. Würdest Du zustimmen, dass dies ein Hauptgrund dafür ist, dass Dein neues Album nicht langweilig wird, obwohl es sich, oberflächlich betrachtet, um altmodischen, rohen und wütenden Black Metal handelt – bei dem doch mehr dahintersteckt, vor allem, wenn es um Einflüsse auf Dein Gitarrenspiel geht?
Ich schätze, meine Musik klingt nicht langweilig, weil ich sie nicht schreibe, um sie einer bestimmten Zuhörergruppe anzupassen. Ich schreibe Musik um der Musik willen, und nicht, um zu unterhalten. Diese Aufgabe übernimmt der Goblin.
Es gibt elitäre Typen, die sich selbst innerhalb mentaler Grenzen verbarrikadieren und überzeugt sind, dass jede Abweichung von dem, was ein Genre als solches klassifiziert, zu seiner Zerstörung beitragen wird. Das ist eine wirklich heuchlerische Denkweise.
Im Gegensatz dazu gibt es Gruppen schlaffer Hipster-Typen, die mit einer ähnlich begrenzten Denkweise alles und jeden akzeptieren, nur um dann etwas als einzigartig zu bezeichnen, auch wenn es vorne und hinten nicht zusammenpasst. Diese Haltung resultiert nahezu in einer Selbstlosigkeit beim Musik-Hören.
Ich spuke wohl irgendwo im Abgrund zwischen diesen beiden Bereichen herum, für mich ist das die perfekte Mitte.
Genres müssen sich voneinander unterscheiden, doch das sollte keine Einschränkung der natürlichen Kreativität zur Folge haben, die darf sich frei entfalten. Indem ich eine geistige Unabhängigkeit bewahre, verhindere ich Stagnation, und die verschiedenen Genres helfen mir dabei.
Wenden wir uns dem Teufel im Detail zu: Was bedeutet es Dir, dass handgeschriebene Songtitel das Backcover schmücken, und inwieweit ist das eine Tradition, die Du am Leben erhalten möchtest?
Der für das Cover verantwortliche Künstler bot mir an, diese Kalligraphie beizusteuern. Natürlich habe ich schon einige Alben mit diesem attraktiven Merkmal gesehen, doch ich habe seinen Vorschlag nicht akzeptiert, um in erster Linie einer bestimmten Tradition zu frönen. Die Titel harmonisieren mit der Ästhetik des Covers und dem Stil des Künstlers, und deshalb war es für mich in diesem Fall die richtige Wahl. Vielleicht werde ich nochmal eine ähnliche Entscheidung treffen, vielleicht auch nicht. Letztlich hängt das vom ausgewählten Cover, vom Künstler, von den Kosten und alledem ab. Wenn es sich nicht rechnet, stellt es normalerweise keine Option für mich dar.
Inzwischen hast Du deine Seele an ein professionelles Plattenlabel verkauft, und vor allem in punkto Bandcamp-E-Mails bist Du sehr aktiv, wenn es um die Promotion Deiner Musik geht. Welche Reaktionen auf Deine Musik bzw. deren Promotion haben Dich in letzter Zeit befremdet, überrascht oder begeistert?
Soziale Medien sind für mich der Feind, doch heutzutage sind sie auch wichtig für Erfolg, Wachstum und Kontakte. Ich schäme mich nicht, meine Musik zu promoten, und ich mache mir keine Illusionen über meinen Wunsch nach Anerkennung. Es ist, wie es ist. Um ehrlich zu sein, hat mich noch nicht viel überrascht. Ich lerne immer dazu, sei es durch positive oder negative Erfahrungen, so dass ich alles für mich nutzen kann, und ich habe keine Hemmungen, das zu tun. Was das Label (Soulseller Records) anbelangt, so bin ich froh, dass VREDENSDAL damit ein nach meiner Einschätzung passendes Level erreicht hat.
Stellen wir uns vor, ein Schreiber hätte die Essenz von VREDENSDAL verstanden: Welche Überschrift könnte er oder sie für einen Artikel über Eure Band ersinnen?
"Grüngesichtiger Riffmeister, der die Prinzipien des zeitgenössischen Black Metal neu kalibriert." Haha, es gibt wirklich keine Möglichkeit, dass ich dazu etwas Seriöses von mir geben könnte. Wenn es eine Autorität gibt, die VREDENSDAL definiert, dann bin das definitiv nicht ich! Ich mache nur die Musik...
Vor einiger Zeit hast Du herausgefunden, dass Du norwegische Wurzeln hast, zudem enthält VREDENSDAL offensichtlich auch etwas norwegische Black-Metal-DNA. Ich kann mir also gut vorstellen, dass Du diesem Land sehr gerne einmal einen Besuch abstatten möchtest…?
Seit ich, fünf Jahre vor der Gründung von VREDENSDAL, herausgefunden habe, dass ich zur Hälfte norwegisches Blut in mir trage, denke ich ständig daran. Ich fühle mich dadurch geehrt und bin froh, dass ich sowohl physisch als auch musikalisch mit diesem Land verbunden bin. Ich tue auch mein Bestes, um das Erbe selbst zu ehren, indem ich es nicht zum Narren halte, wie es die meisten verblödeten Amerikaner tun würden! Meine Herkunft ist zwar zur Hälfte norwegisch, doch ich erkenne an, dass meine kulturelle Prägung eine durch und durch amerikanische ist, und ich komme nicht wie so mancher Tagträumer hier auf die Idee, einfach so eine andere Identität anzunehmen. Anders ausgedrückt: Ja, ich würde liebend gerne dorthin reisen. Derweil habe ich einige Freunde in Norwegen, die mir anbieten, sie zu besuchen, und mich ständig daran erinnern, dass ich immer willkommen bin. Ich weiß nicht, wann ich mit meiner Familie nach Norwegen aufbrechen werde, aber ich weiß, dass es eines Tages dazu kommen wird.
Bevor wir uns verabschieden, möchte ich noch loswerden, dass VREDENSDAL eines der coolsten Black-Metal-Logos hat! Mach's gut und lass diese grimmigen Melodien weiter erschallen!
Vielen Dank, dass du das sagst! Ich habe schon oft mit dem Gedanken gespielt, das Logo spontan und ohne guten Grund zu ändern, haha... Doch das zu hören, gibt mir ein gutes Gefühl und erinnert mich daran, warum ich es nie tun sollte! Ich sollte einfach ein paar mehr Patches in die Welt setzen, oder?
Wie auch immer, vielen Dank für das Gespräch, es ist immer ein Vergnügen, ein Interview mit dir zu führen und ich bin dir tausendprozentig dankbar für deine Unterstützung und Wertschätzung meiner Musik. Ich wünsche dir alles Gute.
- Vredensdal - Silence Is Eternal (2021)
- Vredensdal - Sonic Devotion To Darkness (2023)