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Botticelli Baby: Boah (Review)

Artist:

Botticelli Baby

Botticelli Baby: Boah
Album:

Boah

Medium: CD/Download/LP+DL-Code
Stil:

Swing, Jazz, Rock, Balkan Pop, Punk, Funk

Label: Unique Records
Spieldauer: 26:46
Erschienen: 27.10.2023
Website: [Link]

Wenn man LP's veröffentlicht, die unter einer halben Stunde lang sind, dann grenzt das nach heutigen technischen Standards einerseits an Unverschämtheit und andererseits an teilweiser Materialverschwendung.
Selbst wenn hierbei wie im Falle von „Boah“ des Essener Siebengespanns BOTTICELLI BABY die 45er-Geschwindigkeit gewählt wird, bleibt die Frage offen: Was soll das?
Entweder hauen BOTTICELLI BABY bei knapp 27 45er-Umdrehungs-Minuten eine Maxi raus oder einen echten Longplayer. Das hier ist ein Mittelding von beidem. Dabei hat die Musik dieser Band aus Essen so unglaublich viel zu bieten, dass man gleich mehrere Alben damit füllen könnte – als da wären Balkan Pop mit viel Gebläse und Jazz, Punk und Retro-Rock, Swing mit Funk und Blues – Verrücktes und Irres, aber nichts Normales oder Biederes. Eine Mischung für alle, bei denen eben in den heiligen Hallen von 'Home sweet home' deutlich mehr abgeht als das Radioprogramm. Noch dazu gibt’s echte „Poems“ und einen richtig guten Sänger.

So werden viele zu „Boah“ tatsächlich lauthals überrascht auch ein fettes 'Boah' zum Besten geben und wild zu diesen Rhythmen durch die Gegend hüpfen. Und nachdem bisher für BOTTICELLI BABY aller guten Dinge drei waren, so schieben sie mit lautem „Boah“ nun ihren vierten, arg kurz geratenen Longplayer im 45er-Vinyl-Sauseschritt hinterher und lassen bei solcher LP-Dynamik schon halbwegs vermuten, was bei diesen sieben Herren erst auf der Bühne abgehen muss: Der wahre Spaß, kombiniert mit instrumentalem Können und spielerischer Leidenschaft. So viel steht bereits nach dem ersten „Boah“-Hördurchgang fest.

Noch dazu verfügt das Essener Septett über eine gehörige Portion abgefahrenen Humors, wenn sie beispielsweise mit „Bloody Orgasm“ ihre Sympathie gegenüber der weiblichen Periode zum Ausdruck bringen und dazu bemerken: „Wir Männer können uns nur schwer in diese Situation hineinversetzen und sollten die Bürden des weiblichen Zyklus mehr würdigen und ihm mit Liebe begegnen.“

Ob das die Frauen ganz ähnlich sehen (oder sich doch nur peinlich berührt fühlen), bleibt hier besser offen. Sieben Männer auf einem Haufen bemühen hier jedenfalls lauthals ein Thema, über das sie mangels echter Erfahrungswerte doch etwas kleinlauter hätten bleiben sollen – besser sie hätten einfach einen unblutigen, aber missglückten 'Coitus interruptus' thematisiert, dann würden wir ihnen das locker abnehmen...
… So widmen wir uns dann vielleicht doch besser den „Blue Dots“, die am Ende der LP-A-Seite vor sich beswingt samt E-Gitarren-Solo rockend und dann wild jazzend vor sich herkugeln.

Andere Texte wiederum wenden sich deutlich ernsthafteren Themen zu, wie Depressionen und Suizid. Da ist es schon schade, dass die Lyrics, welche allesamt der singende Bassist Marlon Bösherz verfasst, nicht auf der LP abgedruckt sind. Überhaupt fehlen – außer den Titelinformationen – jegliche Hinweise zu den Musikern oder auch Fotos, sodass das LP-Cover zwar eine lustig anmutende und interessante Ausstrahlung besitzt, der Informationsgehalt dahinter leider gen Null geht.

Dafür aber darf vom Sound her beispielsweise mit „Digge Digge Dig“ echt eine Club-Party abgefeiert werden, die – wie bei BOTTICELLI BABY nicht anders zu erwarten – zum Ende hin ziemlich aus den Fugen gerät. Und gerade darum wieder einen ungeheuren Spaßfaktor samt rhythmischer Eruptionen mit sich bringt.

Dass am Ende des Albums die Ruhrpott-Power-Institution selber nicht nur „Boah“ macht, sondern uns mithilfe des Schluss-Songs „Dieter Grey“ zugleich dem (doch spätestens jetzt recht verwunderten) Hörer erklärt, wie er dieses „Boah“ auszusprechen und zu verstehen hat, ist logische Konsequenz eines Albums, das sich musikalisch weit aus dem Fenster lehnt, aber zeitlich viel zu kurz springt.
Dazu begleitet uns die Band mit richtungsweisenden Swing-Klängen, während Sänger Bösherz ein wenig den DOORS-Morrison mit einer Prise POGUES zu intonieren versucht, welcher wiederum nach einem ausgiebigen Pub-Besuch seinen kleinen SINATRA rausgeholt hat, um „The End“ einzuleiten.
Echt „Boah“ eben!

FAZIT: Kurz, aber oho und extrem „Boah“! Mit ihrem bereits vierten Album „Boah“ (LP plus DL-Code-Kärtchen), das es noch nicht einmal auf eine Laufzeit von einer halben Stunde bringt, zieht das illustre Septett BOTTICELLI BABY aus Essen wieder alle Register ihres Könnens und mischt mitunter völlig verschiedene Musikstile wie Balkan Pop mit viel Gebläse, Jazz, Punk, Retro-Rock, Swing, Funk, Blues und richtig gut gesungene 'Poesie' spektakulär zu einem leidenschaftlichen Rhythmus-Trip, dem man sich nicht entziehen kann – Freigeist und Freude an Bläsern sowie wilden Wechselspielen werden hierbei allerdings vorausgesetzt. Wer so vor Ideen übersprudelt, sollte sich allerdings für seinen nächsten Longplayer mehr Zeit nehmen, sodass der Hörer nicht darüber nachgrübeln muss, ob er hier wirklich eine 'Langspiel'-Platte oder doch nur 'Maxi'-Single geboten bekommt.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 1994x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 11 von 15 Punkten [?]
11 Punkte
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Tracklist:
  • Seite A (14:32):
  • Intro (0:49)
  • Poems (4:01)
  • Storms (3:28)
  • We Are One (2:56)
  • Blue Dots (3:18)
  • Seite B (12:14):
  • Lips (3:49)
  • Digge Digge Dig (2:27)
  • Bloody Orgasms (2:51)
  • Dieter Grey (3:07)

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

  • Boah (2023) - 11/15 Punkten
Interviews:
  • keine Interviews
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