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Bill Ryder-Jones: Iechyd Da (Review)
Artist: | Bill Ryder-Jones |
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Album: | Iechyd Da |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Indie-Pop, Singer/Songwriter, Barock-Pop, Piano-Pop, Folk |
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Label: | Domino | |
Spieldauer: | 48:49 | |
Erschienen: | 12.01.2024 | |
Website: | [Link] |
Wenn gleich zu Beginn dieses Album die Sängerin Gal Costa aus der Ferne des Jahres 1969 sehnsüchtig ihr zartes "Babyyyyy" haucht und es wenig später mehrfach sirenengleich wiederholt, ahnt man, dass der immer schon extrem talentierte englische Singer-Songwriter BILL RYDER-JONES diesmal etwas ganz Besonderes geschaffen hat. Das verführerische Brasilpop-Sample und die darüber liegende, von Ryder-Jones selbst stammende wunderschöne Folk-Melodie sind der perfekte Opener für eine der frühesten Platten des Jahres 2024, die auch an dessen Ende noch zu den allerbesten zählen dürfte. Denn "Iechyd Da" (zu dem seltsamen Albumtitel später mehr) ist ein herausragendes Album, das schon vor seiner Veröffentlichung von praktisch allen Musikgazetten und -portalen bejubelt wurde - völlig zu Recht, wie sich bald zeigte, und nun auch an dieser Stelle.
Kurze Vorgeschichte, weil vielleicht nicht jede(r) sofort etwas mit dem Namen BILL RYDER-JONES anfangen kann: Schon als Teenager (mit 15!) gründete er in der Mersey-Region Liverpool die Psychedelic-Folkrock-Truppe The Coral, spielte dort die Leadgitarre – und verließ die Band 2008, als es mit ihrem Erfolg so richtig losging. Ein orchestrales, fast ausschließlich instrumentales Album nach einem Roman von Italo Calvino („If…“) folgte 2009, es wies RYDER-JONES endgültig als Hochbegabten und Hochambitionierten der britischen Indie-Szene aus. Diesen hervorragenden Ruf hat der inzwischen 40-Jährige auch mit seinen folgenden Soloalben, die mehr in Richtung Singer-Songwriter-Musik, Piano-Pop und Brit-Folk gingen, nie eingebüßt.
Besonders gelungen war „A Bad Wind Blows In My Heart“ von 2013, dessen Klasse RYDER-JONES nun sogar noch toppt. Aber dafür war ein Kraftakt nötig - denn während auf manche Künstler die kaum übertreffbare Leistung ihrer Vorbilder einschüchternd bis hin zur Schreibblockade wirkt, war es bei diesem Musiker sein frühes eigenes Werk, das ihm nicht mehr erreichbar schien und ihn daher in seiner Entwicklung hemmte. Nach den guten, aber insgesamt doch weniger überzeugenden Alben "West Kirby County Primary" (2015) und "Yawn"/"Yawny Yawn" (2018/2019) sowie einer intensiv durchlittenen Pandemie-Pause unternahm RYDER-JONES, seit dem vorigen August 40 Jahre alt, also einen weiteren Anlauf, um den hohen Ansprüchen an sich selbst gerecht zu werden.
Und das ist ihm nun auf ganzer Linie gelungen mit dem grandiosen, schwelgerischen Indie-Pop von "Iechyd Da". Diesmal passt in den 13 Stücken dieses Multiinstrumentalisten alles zusammen: die prächtigen Melodien, der verträumte, charmant schüchterne Gesang, die wunderbaren Arrangements, die dennoch nicht überladene Produktion. Der elegante Sixties-Sound von The Zombies oder The Moody Blues, der Eighties-Britrock von Echo & The Bunnymen (deren Schlüsselsong "The Killing Moon" im Text des Tränenziehers "This Can’t Go On" direkt zitiert wird), der Psychedelic-Pop von Mercury Rev in ihrer "Deserter's Songs"-Phase, der Crooner-Gesang eines Richard Hawley, britischer Folkrock und Merseybeat der Liverpooler Schule (Gerry & The Pacemakers, The Beatles, The Pale Fountains, Shack, The Coral) - all das lässt sich bei "Iechyd Da" heraushören.
Weil er sich seiner pophistorischen Einflüsse "überhaupt nicht" schämt, hat BILL RYDER-JONES kürzlich sogar gleich eine eigene „Iechyd Da inspiration playlist“ auf Spotify zusammengestellt. Mit Vorbildern für seine Songs nicht hinter dem Berg zu halten, das ist für den immer noch jungenhaft rüberkommenden, sehr sympathischen Musiker auch im Interview in Berlin gar kein Problem. "Wobei ich natürlich weiß, was in dieser Hinsicht richtig ist und was falsch. Ich tue da also auch nichts Unangemessenes." So kann man als Hörer auf dem neuen Album einzelne Vorbilder ausmachen, ohne je ein Gefühl von epigonaler Dreistigkeit zu haben.
Zumal sich RYDER-JONES für jedes Stück von "Iechyd Da" im Studio irgendetwas Spezielles hat einfallen lassen. So taucht gleich viermal ein fröhlicher Kinderchor auf als hellstimmiger Kontrast zur Melancholie der Songs. Strings/Horns verzieren und verstärken einzelne Harmonien, und die zuletzt von RYDER-JONES sensationell zum Erfolg produzierte Liverpooler Indiepop-Legende Michael Head (The Pale Fountains, Shack) liest im Spoken-Word-Track "…And The Sea…" eine Passage aus dem "Ulysses" von James Joyce.
Auch mit dem anfangs erwähnten, grandios ins Album einführende Gal-Costa-Sample von „I Know That It’s Like This (Baby)“ hat es eine besondere, sehr persönliche Bewandtnis: "Mir ging es speziell um dieses Lied 'Baby'“, erzählt BILL RYDER-JONES im Interview. "Das war ein Lied, das meine Ex-Freundin - um die sich viel dreht auf der neuen Platte - mir vorstellte. (...) Es hat mich glatt umgehauen, und es wurde unser Lied. Wir trennten uns dann, bevor ich meinen Song „I Know That It’s Like This (Baby)“ fertig hatte. Daher beginnt er ziemlich hoffnungsvoll über zwei verliebte Leute, und dann fällt alles auseinander." Seufz.
Zurück zu "Iechyd Da". Toll ist auch, dass das Album nicht - wie so oft - gegen Ende an Kraft und Ausstrahlung verliert. Der Pop-Walzer "How Beautiful I Am" (Nummer 11 der Tracklist) ist der vielleicht schönste Song auf einem Album voller schöner Lieder, hier feiert der lange unter Mental-Health-Problemen leidende RYDER-JONES sich auf ermutigende Weise selbst. Danach berührt die traumhaft schöne Ballade "Thankfully For Anthony" auch das kälteste Herz, und ganz am Ende gibt es mit "Nos Da" (Walisisch für “Gute Nacht”) ein zartes intrumentales Piano-Streicher-Goodbye.
Womit wir wieder beim Walisischen des Albumtitels wären: Das wurde - wie so vieles in der Musik und den Texten dieses in Ruhe gereiften Mannes - vom eigenen Leben und Erleben inspiriert. Warum also "Iechyd Da"? Im Gespräch in Berlin gibt BILL RYDER-JONES "eine familiäre Verbindung" preis: "Mein Großvater kam von Wales nach England, von der Seite her bin ich Waliser. (...) Zudem war ich immer fasziniert von der Sprache. Und dann ist da auch noch meine Liebe zu walisischen Bands wie Gorky’s (Zygotic Mynci) und Super Furry Animals. Und auch zum Schriftsteller Dylan Thomas." Er könne zwar noch keine Konversation führen, aber immerhin "mich inzwischen auf Walisisch vorstellen und sagen: 'Ich bin müde' oder 'Ich hätte gern einen Drink'.“
Auf die Frage, ob "Iechyd Da" mit seinem mächtigen Cinemascope-Indiepop das bisher bedeutendste Album von BILL RYDER-JONES sei, stimmt er grundsätzlich zu: "Es war eine ganz bewusste Entscheidung, mich herauszufordern. Ich wollte keine 'sichere' Platte machen. Also ist es wohl das Ambitionierteste, das ich seit langer langer Zeit getan habe." Bleibt nur zu hoffen, dass dieses Meisterstück seiner bisherigen Karriere nach den euphorischen Kritiker-Reaktionen auch kommerziell erfolgreich ist. RYDER-JONES dazu: "Meine Reviews waren ja schon oft ziemlich gut, aber ich habe halt verdammt nochmal keine Platten verkauft. Die Rezensionen sind diesmal besonders gut, sogar noch besser als vorher – weil das auch ein besseres Album ist. Und ja, mal etwas Geld damit zu verdienen wäre schon super."
FAZIT: Gleich zu Jahresbeginn hat BILL RYDER-JONES die Messlatte für ambitionierten Songwriter-Indiepop verdammt hoch gelegt. Mit "Iechyd Da" präsentiert der englische Sänger, Multiinstrumentalist und Studioproduzent eine fabelhafte Platte, die endlich auch seine eigenen hohen Ansprüche erfüllt. Ein Album, das wegen seines hemmungslosen Cinemascope-Sounds wohl mit am ehesten mit dem kürzlich auch hier bejubelten Barockpop-Meisterwerk "Sirenesque" (2023) vom Glasgower Barockpop-Projekt The Bathers vergleichbar ist. Im nächsten Dezember, wenn die Bestenlisten für 2024 geschrieben werden, wird "Iechyd Da" hoffentlich noch nicht vergessen sein.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- I Know That It's Like This (Baby)
- A Bad Wind Blows in My Heart Pt. 3
- If Tomorrow Starts Without Me
- We Don't Need Them
- I Hold Something in My Hand
- This Can't Go On
- ...And the Sea...
- Nothing to Be Done
- It's Today Again
- Christinha
- How Beautiful I Am
- Thankfully for Anthony
- Nos Da
- Bass - Bill Ryder-Jones, James Ford
- Gesang - Bill Ryder-Jones
- Gitarre - Bill Ryder-Jones
- Keys - Bill Ryder-Jones
- Schlagzeug - Phil Murphy
- Sonstige - Ian Stephens (Cello), Amy Chalmers, Jacon Downes (Violine), Martin Smith (Horns), Andy Frizell (Flöte), Michael Head (Spoken Word auf "...And The Sea..."), The Bidston Avenue Primary School Choir (Chorgesang), Poppy Hankin, Carl Roberts (Backing Vocals)
- Iechyd Da (2024) - 13/15 Punkten
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