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Aoife O'Donovan: All My Friends (Review)
Artist: | Aoife O'Donovan |
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Album: | All My Friends |
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Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Singer/Songwriter, Folk |
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Label: | Yep Roc Records | |
Spieldauer: | 38:46 | |
Erschienen: | 22.03.2024 | |
Website: | [Link] |
Der 2. Zusatz zur amerikanischen Verfassung garantierte den US-Bürgern 1791 das Recht, Waffen tragen zu dürfen. Der 19. Zusatz gab hingegen erst 1920 den Frauen in den USA das Wahlrecht. Go Figure! Dass es diesen 19. Zusatz überhaupt gab, war nicht zuletzt der Verdienst der National American Woman Suffrage Association – der amerikanischen Subdivision der internationalen Suffragetten-Vereinigung. Deren Mitbegründerin und Präsidentin der NAWSA war die Frauenrechtlerin CARRIE CHAPMAN CATT. Und deren Geschichte, den Kampf um den 19. Zusatz im Spiegel der Zeiten und die Relevanz desselben für die gegenwärtige Situation der amerikanischen Gesellschaft, beschreibt die Grammy-prämierte Songwriterin AOIFE O'DONOVAN auf ihrem vierten Solo-Album „All My Friends“.
Dieses ungewöhnliche Projekt folgt auf dem Fuße von AOIFE O'DONOVANs Durchbruchs-Album „Age Of Apathy“ von 2022, mit dem die Künstlerin zusammen mit dem Produzenten JOE HENRY erstmals eine eigenständige musikalische Sprache für ihr Solo-Projekt fand, die sie von den stets traditionell ausgerichteten Americana-Formalismen ihrer Band-und Kollaborations-Projekte wie Crooked Still, Sometimes Why und I'm With Her in Richtung einer transzendenteren Auslegung ihrer Kunst führte. Was sich indes wie ein roter Faden durch alle Aspekte von AOIFE O'DONOVANs Wirken als Musikerin und Songwriterin zieht, ist die schwesterliche Verbundenheit zu gleichgesinnten Musikerinnen im Geiste einer feministischen Auslegung ihrer Kunst.
Und das ist auch das Thema ihres nunmehr vierte Albums „All My Friends“, auf dem O'Donovan mit Hilfe einer großen Anzahl von Beteiligten ein auf historischen Dokumenten basierendes, reichhaltiges Pastiche über die Bedeutung des 19. Verfassungszusatzes in Form einer großen amerikanischen Symphonie entwickelte. Das ist – eingedenk dessen, dass AOIFE O'DONOVAN ihre Solo-Laufbahn mit nicht mehr als dem Anspruch begann, eigene Songs in einem gediegenen Folk-Pop-Setting zu präsentieren, dann doch schon ein beeindruckend gewaltiger Schritt, der ihr gewiss einen Platz in der Musikhistorie sichern sollte.
Für dieses Projekt versetzte sich die Songwriterin in den Charakter und die Gedankenwelt ihrer Protagonistin Carrie Chapman Catt und schildert in poetisch/lyrischer Form – teils aus deren Perspektive und teils als Beobachterin - die Gedanken, Visionen, Ereignisse im Vorfeld der Verfassungsergänzung und die Konsequenzen, die sich im Folgenden daraus auch für sie selbst als Frau und Mutter im hier und jetzt ergaben.
Das Bemerkenswerte daran ist die Art und Weise, wie die Künstlerin das Ganze musikalisch konzipierte, denn sie wählte dafür nicht etwa ihr Metier als Songwriterin, sondern betätigte sich als Komponistin im Fugen-Format, welches sie dann mit Hilfe von verschiedenen Ensembles symphonisch erweiterte. Neben einigen Studio-Musikern, wie etwa dem DAWES-Drummer Griffin Goldsmith gehören dazu das klassische Kollektiv THE KNIGHTS, dessen Leiter Eric und Colin Jacobsen die symphonische Ausgestaltung und die Arrangements für die Orchester-Mitglieder gestalteten. Wer hier nach Klangreferenzen sucht, wird schnell bei VAN DYKE PARKS landen. Hinzu kamen dann noch die Blech-Bläser-Kombo THE WESTERLIES und vor allen Dingen der SAN FRANCISCO GIRLS CHORUS und ANAÏS MITCHELL als Gastsängerin, die AOIFE O'DONOVANs Vortrag eine gewisse hymnische Note angedeihen lassen.
Einzelne Stücke zur Betrachtung aus dem Gesamtkonzept herauszunehmen macht keinen Sinn. Das Album muss im Gesamtzusammenhang gesehen (bzw. gehört) werden.
Logischerweise folgen die Songs (oder besser Kapitel) der Erzählung dabei strukturell auch nicht dem klassischen Strophe/Refrain-Songformat, sondern ergehen sich musikalisch in freistiliger Auslegung des Klanges in der Weitläufigkeit des amerikanischen Raumes, wie sie klassische amerikanische Komponisten der Moderne wie etwa AARON COPLAND Mitte des letzten Jahrhunderts harmonisch und melodisch definierten.
Da sich das Projekt ursprünglich aus zwei Auftragsarbeiten für das Orlando-Philharmonic- und dem FreshGrass-Festival in Massachusetts entwickelte, ist AOIFE O'DONOVAN als Lyrikerin nicht so frei, wie sie das als 'normal' Songwriterin gewesen wäre und bindet demzufolge historische Texte aus Briefen und Publikationen der Zeit in ihren eigenen Erzählfluss mit ein, um auf diese Weise mehr ein in die Zeit eingebettetes, poetisches, feministisches Manifest als eine Songsammlung zu erschaffen. Einen erhobenen Zeigefinger, Anklagen und Appelle braucht sie hierbei nicht. Das Material spricht schlicht für sich selbst. In irgendwelche bereits existierenden stilistische und formale Schubladen lässt sich dieses Projekt dann auch nicht einsortieren und entzieht sich damit einer wirklich relevanten, konkreten Wertung.
FAZIT: Eine interessante Randnotiz und Ergänzung enthält das Album „All My Friends“ von AOIFE O'DONOVAN durch den Schlusstrack „The Lonesome Death Of Hattie Carroll“ - einem Song von BOB DYLAN, in dem der Meister den Totschlag einer schwarzen Hotelangestellten in der ausgehenden Phase der Segregation in den USA Anfang der 60er Jahre musikalisch dokumentierte. Letztlich macht Dylan darin schon 1963 deutlich, dass es mit dem Frauenwahlrecht alleine auch noch nicht getan war. Die Wahl dieses Stückes betont erneut die politische Aktualität dieses bemerkenswerten Albums.
PS: Gerade bei diesem Album der mit dem Grammy Award ausgezeichneten Musikerin gilt, dass speziell die farbige Vinyl-Version von „All My Friends“ besonders lohnenswert ist, die neben dem ausgezeichneten Klang zugleich auf ihrer ganzen Größe durch eine beeindruckende Gestaltung besticht und im Inneren neben der bedruckten LP-Innenhülle, auf der auch alle zudem ungemein wichtigen Texte enthalten sind, ein zusätzlicher LP-Einleger zu finden ist, der das LP-Covermotiv als eigenständigen Kunstdruck präsentiert.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Seite A:
- All My Friends
- Crisis
- War Measure
- Someone To Follow
- The Right Time
- Seite B:
- Daughters
- America, Come
- Over The Finish Line
- The Lonesome Death Of Hattie Carroll
- Bass - Alan Hampton
- Gesang - Aoife O'Donovan, Alan Hampton, Anais Mitchell
- Gitarre - Aoife O'Donovan
- Keys - Aoife O'Donovan, Rob Burger
- Schlagzeug - Griffin Goldsmith
- Sonstige - Streicher und Bläser, Rob Burger (Akkordeon)
- All My Friends (2024) - 14/15 Punkten
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