Partner
Services
Statistiken
Wir
Ron Sexsmith: The Vivian Line (Review)
Artist: | Ron Sexsmith |
|
Album: | The Vivian Line |
|
Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Singer-Songwriter, Folkrock, Barock-Pop, Americana, Country |
|
Label: | Cooking Vinyl | |
Spieldauer: | 36:24 | |
Erschienen: | 17.02.2023 | |
Website: | [Link] |
Dass ihm Pop-Experten und Musikerkollegen wegen seiner Songwriter-Künste zu Füßen liegen, ist für RON SEXSMITH nichts Neues. Das wird auch mit seinem bereits 17. Studioalbum kaum anders sein. Denn "The Vivian Line" hat wieder alles, was Folkpop-Gourmets von einer Platte des Kanadiers erwarten. Also zeitlose, oft melancholische Melodien zwischen Beatles und Kinks, Randy Newman und Paul McCartney, warme Arrangements ohne Schnickschnack, sowie eine Crooner-Stimme, die nicht im eigentlichen Sinne schön, aber in ihrer unperfekten Anmutung natürlich und liebenswert klingt.
An dieser Beschreibung hat sich seit dem Debüt "Grand Opera Lane" eines noch sehr jungenhaften RON SEXSMITH (1991) nichts Wesentliches geändert - und das ist womöglich auch das Problem dieses (vielleicht allzu bescheidenen) Musikers. Der mittlerweile 59-Jährige hat zwar dezente Versuche unternommen, aus der Nische des Singer-Songwriters für Eingeweihte herauszukommen, etwa im Duett mit Chris Martin von Coldplay ("Gold In Them Hills" von 2003), mit Feist und Michael Bublé; seine Lieder finden sich zudem auf hochwertigen Alben von Rod Stewart, k.d. lang oder Emmylou Harris. Aber insgesamt waren die Mainstream-Annäherungen in den drei Jahrzehnten von Sexsmiths Laufbahn nur sehr behutsam. Den Weg raus aus der Folkpop-Komfortzone wagte er nicht wirklich und blieb lieber bei seinem erlesenen Songpoeten-Handwerk.
Man mag das wegen des mangelnden kommerziellen Erfolgs schade finden oder angesichts der stilistischen Beharrlichkeit dieses Musikers bewundern - alles eine Frage der Perspektive. RON SEXSMITH selbst hat damit wohl längst seinen Frieden gemacht, Selbstmitleid über fehlende Anerkennung durch ein großes Publikum ist ihm fremd (trotz des zumeist traurigen Hundeblicks auf Fotos). Nicht umsonst heißt ein neues Lied selbstironisch "Outdated And Antiquated" - veraltet und antiquiert kommt sich der Mann aus der Provinz Ontario mit seinem hohen Werte-Kanon wahrscheinlich durchaus vor, ohne es tief zu bedauern.
Damit zurück zu "The Vivian Line" - einem Album, das die zweischneidige Karriere-Zwischenbilanz nach drei Dekaden letztlich bestätigt. Auch in diesen neuen Dreiminütern sitzt selbstverständlich kein Ton an der falschen Stelle, das Songwriting wirkt rund und selbstbewusst, ohne mit dem eigenen Genie zu protzen.
RON SEXSMITH hat also wieder einmal prächtige Lieder geschrieben, die wie schon auf dem Vorgänger "Hermitage" (immerhin Platz 3 der kanadischen Albumcharts) gelegentlich sogar etwas fröhlicher und auch mal countryesk oder karibisch beschwingt daherkommen ("What I Had In Mind", "Ever Wonder", "This, That And The Other Thing", "A Barn Conversation"). Die drei prächtigen Balladen "Flower Boxes", "Powder Blue" und "When Our Love Was New" könnten Top-Songwriter wie Elvis Costello, Jackson Browne oder Neil Finn (Crowded House) neidisch machen - wenn sie sich nicht gleich um eine Coverversion bemühen. "Halb Mensch, halb Melodie", so die flotte PR-Prosa zu "The Vivian Line" - passt ganz gut.
Die Platte ist natürlich ein Produkt der Pandemie-Zeit seit 2020, obwohl sich die Aufnahmen in der US-Country-Hochburg Nashville nicht spartanisch oder reduziert anhören. An der hübschen Ausstattung der Lieder hatte der bewährte Studiotüftler Brad Jones (Josh Rouse, Shelby Lynne, Chuck Prophet, Patty Griffin und viele mehr) großen Anteil. "Ich arbeite so lange an den Songs, bis sie wirklich perfekt sind, schicke die Demos dann an den jeweiligen Produzenten und hoffe, dass ihm was dazu einfällt", sagte RON SEXSMITH kürzlich dem deutschen "Rolling Stone" (02/2023). "Und Brad sagte, er höre da Streicher und Holzbläser. Er sprach von Barock-Pop - so wie The Left Banke oder The Zombies. Das klang für mich erst mal nach einer interessanten Idee. Ich meine, es passt ja in meine Welt. Die Beatles haben auch solche Platten gemacht, oder die Kinks."
Da sind sie wieder, die großen Vorbilder des RON SEXSMITH. Sie haben ihn dazu angetrieben, selbst einer der besten Singer-Songwriter Nordamerikas zu werden. Die strikte Orientierung an den goldenen Sixties oder frühen Seventies hat den Kanadier allerdings auch zu einem Musiker gemacht, der seit langem wirkt wie aus der Zeit gefallen.
FAZIT: Wieder einmal legt RON SEXSMITH eine makellose Sammlung schöner Lieder vor. Trotz dezenter neuer Tendenz zum fröhlicheren Songwriting wagt der knapp 60-jährige Kanadier den Ausbruch aus der eigenen Komfortzone jedoch nicht. Das 17. Studioalbum "The Vivian Line" wird also seine Fans in ihrer Begeisterung bestärken, Sexsmiths Durchbruch zu einem größeren Publikum aber wohl erneut verfehlen. Er kann damit offenkundig leben.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Place Called Love
- What I Had In Mind
- Flower Boxes
- Outdated And Antiquated
- Diamond Wave
- Powder Blue
- One Bird Calling
- Country Mile
- This, That And The Other Thing
- A Barn Conversation
- When Our Love Was New
- Ever Wonder
- Bass - Brad Jones
- Gesang - Ron Sexsmith
- Gitarre - Ron Sexsmith, Brad Jones, Joe Pisapia
- Keys - Ron Sexsmith, Brad Jones
- Schlagzeug - Conrad Choucroun
- Sonstige - Evan Cobb (Oboe, Flöte, Klarinette), Chris Carmichael (Violine, Viola)
- Forever Endeavour (2013) - 10/15 Punkten
- Carousel One (2015) - 6/15 Punkten
- The Vivian Line (2023) - 11/15 Punkten
-
keine Interviews