Partner
Services
Statistiken
Wir
Andy Shauf: Norm (Review)
Artist: | Andy Shauf |
|
Album: | Norm |
|
Medium: | CD/LP/Download | |
Stil: | Folkpop, Singer-Songwiter-Musik, Easy Listening, Sixties-Pop |
|
Label: | ANTI- Records | |
Spieldauer: | 36:24 | |
Erschienen: | 10.02.2023 | |
Website: | [Link] |
Er schaut immer ein wenig traurig und verloren drein, dieser ANDY SHAUF. Und wenn man ihn dann singen hört mit seiner sehnsüchtigen, etwas schüchternen Stimme, möchte man den (jünger aussehenden) 35-jährigen Kanadier erst recht tröstend in den Arm nehmen und fest drücken.
ANDY SHAUF gehört zu den melancholischen, latent depressionsgefährdet wirkenden Singer-Songwritern der nordamerikanischen Folk-Szene. Und - das bestätigt nun wieder sein neues Album "Norm" - zu ihren begabtesten. Denn neben der wirklich wunderschönen, melodiesatten Musik (einer Mixtur aus Piano-, Gitarren- und Barockpop mit dezenten Sixties- und Seventies-Anleihen) stechen mal wieder seine klugen, doppelbödigen Lyrics hervor.
"Norm" ist, wie schon das starke Vorgängerwerk "The Neon Skyline" (2020) mit dem direkt anknüpfenden "Wilds" (2021), ein ausgewachsener Songzyklus bei kompakten 36 Minuten Laufzeit. Zwölf Stücke fließen ohne Pausen ineinander, es gibt eine zusammenhängende Story mit echtem Spannungsbogen rund um eine sinistre Titelfigur (Spoiler: Konzeptalbum!) sowie ein Sounddesign, das auf den ersten Eindruck ziemlich einheitlich (aber nie monochrom) erscheint und danach viele hübsche Details zum Entdecken bereit hält.
Eine Platte für geduldige Hörer also, dann aber ein veritabler "Grower". Wer schon länger auf einen ganz großen Wurf des seit gut 15 Jahren aktiven Musikers mit der sanften Elliott-Smith-Stimme gewartet hatte, könnte dank "Norm" und dessen Kontrastprogramm (sahnig-süßer Wohlklang versus bitterherb irritierende Songtexte) am Ziel sein.
Wie so einige Alben der Pandemie-Jahre wurde auch diese Singer-Songwriter-Platte komplett solo eingespielt - was man den Liedern freilich nicht anhört. Lieder wie "You Didn't See", "Daylight Dreaming" oder "Don't Let It Get To You" funkeln in so vielen unterschiedlichen Klangfarben, dass man das Band-Feeling hier nie vermisst. Ähnlich wie zuletzt Paul McCartney auf dem "Rockdown"-Album "McCartney III" oder der geniale Sophisticated-Pop-Kauz Paddy McAloon (Prefab Sprout) mit seinem bisher letzten Lebenszeichen "Crimson/Red" weiß ANDY SHAUF das Studio perfekt zu nutzen, um zur Not auch ganz allein einen erstaunlich opulenten Klang herbeizuzaubern.
Der Kanadier bedient sich stilistisch bei den großen, plüschigen Popballaden der 60er (die drei großen B's: Beatles, Beach Boys, Burt Bacharach), aber auch bei romantischen französischen Chansons oder Nouvelle-Vague-Soundtracks, und natürlich bei späten Elliott-Smith-Alben wie "XO" oder "Figure 8". Inhaltlich ist "Norm" weniger behaglich.
Nachdem er den Titelsong komponiert hatte, beschloss ANDY SHAUF, eine Erzählung rund um eine zunehmend verstörende Stalker-Type namens "Norm" zu erfinden. In einem Online-Interview des "Document"-Journals gab er nur soviel preis (wohl um das Geheimnis seiner Geschichte nicht früh zu verraten): "Wenn man nur einmal zuhört, könnte man denken: Das ist aber ein richtig nettes Liebeslied. Aber wenn man dann genau auf die Texte achtet, beginnt man zu merken, dass hier etwas wirklich falsch läuft."
In die Irre führt bereits der zweite Song "Catch Your Eye". "I need to meet You/I need to catch Your eye", singt der Verliebte mehrfach eindringlich mit säuselnder Stimme, aber das Objekt der Begierde sollte hier gut aufpassen. Gleich im nächsten Track "Telephone" geht es weiter mit alarmierenden Signalen: "I wish You'd call me/on the telephone/I want to hear Your voice/reaching late into the night..."
Und so wechseln die Lyrics zwischen Norms durchaus bedrohlicher Innensicht und wohlmeinenden Warnungen eines Erzählers an das offenbar unerreichbare Gegenüber ("So on that clear cool night/when You squinted through the glass/at the moon caught in the leaves/You didn't see Norm"). Als offenes Ende einer hochkomplexen, intelligenten Songsammlung funktioniert "All Of My Love" mit der ratlosen Textzeile "Was all of my love wasted on You?". Spooky bis zum Schluss.
FAZIT: Nach einer Nominierung für den kanadischen Polaris Music Prize, breitem Kritikerlob und TV-Auftritten in wichtigen US-Shows wie "Jimmy Kimmel Live!" sollte es mit dem Geheimtipp-Status für ANDY SHAUF spätestens nach seiner jüngsten Veröffentlichung vorbei sein. Wer erhaben produzierte, sensibel gesungene Songwriter-Balladen mit Texten zum Mitdenken mag, kann bei "Norm" bedenkenlos zugreifen. Auch live ist Shauf verlässlich sein Geld wert - in Deutschland bei Konzerten am 6. Juni (Berlin, Columbiatheater) und am 8. Juni (Hamburg, Uebel & Gefährlich).
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Wasted On You
- Catch Your Eye
- Telephone
- You Didn't See Me
- Paradise Cinema
- Norm
- Halloween Store
- Sunset
- Daylight Dreaming
- Long Throw
- Don't Let It Get To You
- All Of My Love
- Bass - Andy Shauf
- Gesang - Andy Shauf
- Gitarre - Andy Shauf
- Keys - Andy Shauf
- Schlagzeug - Andy Shauf
- Sonstige - Andy Shauf
- The Neon Skyline (2020) - 12/15 Punkten
- Norm (2023) - 13/15 Punkten
-
keine Interviews