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bölter: Therapie (Review)
Artist: | bölter |
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Album: | Therapie |
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Medium: | CD/Download | |
Stil: | Deutschsprachiger Rock, Folk, Blues und Americana |
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Label: | Green Mother Records | |
Spieldauer: | 56:04 | |
Erschienen: | 29.04.2022 | |
Website: | [Link] |
Braucht man nun eine 'Therapie' um „Therapie“ von BÖLTER zu hören, ohne einen größeren Schaden dabei zu nehmen, oder wirkt es etwa wie eine 'Therapie', wenn man das Debüt-Album dieses deutschen Trios, das selbstbewusst von sich behauptet, „ehrliche, handgemachte Musik – eigenständig, eingängig und eigentlich genau so, wie viel Holz und wenig Blech klingen kann: kraftvoll und erdig“ zu machen?
Doch man muss zugleich einen weiteren, immens wichtigen, Fakt hinzufügen, der in unseren Breitengraden oftmals unüberhörbar die musikalische Spreu vom Weizen trennt: BÖLTER texten in ihrer Muttersprache Deutsch, was bei vielen Rock-Bands, die mehr auf Krach als Intellekt setzen, gehörig in die dick aufgeblähte Hose geht, weil die meisten deutschen Texte sich höchstens als Furzkissen, aber keinesfalls als neugierig und nachdenklich machende Unterhaltung eignen.
Darum kommt hier gleich der Ritterschlag: BÖLTER schaffen es tatsächlich auf „Therapie“ ansprechend-anspruchsvolle Rock-Musik, mal mit Blues und Folk, mal im Americana-Style samt Country-Touch, mal psychedelisch, oft ruhig und vor allem mit Texten versehen, denen man genau zuhören sollte und die sich nicht als peinlicher Hirnschiss outen, zu machen. Hierbei pflanzen sie mit „Therapie“ ihr erstes Musik-Bäumchen inmitten der von STOPPOK oder WOLF MAAHN, aber auch PURPLE SCHULZ und WESTERNHAGEN angelegten Musikwälder, in denen auch einige eindrucksvolle Musik-Gewächse von ANNENMAYKANTEREIT bis REVOLVERHELD wachsen. Die drei Burschen aus Baden-Württemberg, die sich während der Pandemie zusammenfanden, dürfen also gerne auch ohne Maske ihre eigenes Waldstück eröffnen.
BÖLTER haben sich während der Lockdown-Ära zusammengefunden und waren so (vorerst) gleich chancenlos, ihre Musik auch live auf die Bühne zu bringen, daher investierten sie alle Zeit in ihre Musik und Texte – und gaben sogar klare Kante, als sie mit ihrem Bekenntnis gegen Querdenker und Verschwörungstheoretiker ihr Musik-Video „Lockdown Leid“, ein Song, der allerdings nicht auf ihrer „Therapie“-CD enthalten ist, veröffentlichten, um klare Kante in diesen wortwörtlich verrückten Zeiten zu zeigen.
Auf „Therapie“ lassen die drei Jungs nunmehr eine deutschsprachige Blues-Folk-Rock-Sau raus, welche sie nicht verspeisen, sondern füttern und fasten, damit diese laut grunzend den banalen Radio-Trüffelschweinen in die banale Suppe spuckt und beispielsweise kurz vor einem krachigen E-Gitarren-Solo fragt: „Kennst du einen Ernst mit Humor?“ Und dieser (personifizierte) Ernst taucht im Laufe des Albums immer mal wieder auf, besonders im „Träumer“: „Ja, ja – ich war einmal ein Träumer, […] alles fühlte sich gut an und alles irgendwie bunt, doch dann kam der Ernst an und ging der Sache auf den Grund. Ja, ja – ich war einmal ein Träumer und der Ernst hat mich aufgeweckt...“
BÖLTERS musikalischer und textlicher „Therapie“-Ansatz ist eindeutig: Träume bewahren und jeglichen (übertriebenen) Ernst (selbst wenn der auch mal Horst heißen sollte) in die Wüste schicken!
Das Album überzeugt nicht nur musikalisch, sondern auch mit sehr gelungenen Wortspielereien, die sich beispielsweise schon in einigen Titeln, wie „Zwischen Tour und Angel“ oder „Bis hierher und noch einen Schritt weiter“, offenbaren.
Darum lässt der das Album eröffnenden Rock-Song „Bis hierher und noch einen Schritt weiter“ nichts anbrennen, bastelt ein ausgiebiges E-Gitarren-Solo ein und wartet mit der wirklich herrlich doppeldeutigen Textzeile auf: „Siehst du denn die einen tief in den Wunden dieser Erde und die anderen nur in ihrer Nase bohren?“
Eine Ballade im Americana-Style mit Country-Touch folgt als lebendige Antithese zum vorherigen Gitarren-Solo mit „Hallo Sonne“, die tatsächlich in ihrer träumerischen Ruhe Erinnerungen an PURPLE SCHULZ weckt, nur dass die nicht nach oben zur Sonne schauten, sondern auf die „Kleinen Seen“. Ähnlich 'purpleschulzig', diesmal aber deutlich bluesiger, ergeht es einem dann auch bei „Von oben“, einem Blues-Song mit Mundharmonika-Solo, der den massiven Digitalisierungswahn unserer Gesellschaft unerbittlich aufs Korn nimmt: „Ein Chip unter der Haut, aber vom Leben keinen Plan […] Ich hoffe, du musst nie erleben, was geschieht, wenn hier einer den Stecker zieht...“
Dass dieses Album abwechslungsreich wird, ist bereits nach den beiden unterschiedlichen Durchstarter-Songs vorhersehbar.
Darum geht es dann auch kunterbunt mit dem Titelsong weiter, bei dem jazztypisches mit Besen gespieltes Snare-Drumming den therapeutischen Text untermalt und Philip BÖLTER, der seinen Namen zugleich der Band verlieh, wie der Bruder von STOPPOK singt und während man glaubt, in dieser Stimmung ginge der Titel zu Ende, bricht plötzlich eine E-Gitarre zum nächsten Solo auf und konterkariert die zuvor so ruhig gehaltene Grundstimmung.
Im countryesken „Träumer“ samt hymnischem Refrain erscheint anfangs auch alles im Country-Lot zu bleiben, doch auch hier ist eine weitere Überraschung eingebaut, wenn eine Mundharmonika frontal zum Blues überschwenkt und das Ende etwas LINDENBERG-Feeling bekommt. Als wäre das nicht an Abwechslung genug, feuert das folkig-böse „Man muss nehmen was man kriegen kann“ zum glorreichen Ende hin eine schwer psychedelische Breitseite ab.
Jeder Song entwickelt auf „Therapie“ sein Eigenleben, das begeistert – und dann gibt’s da – neben Musik und Text – noch einen dritten Aspekt, den das BÖLTER-Debüt-Album auszeichnet: dessen Artwork und Verpackung, denn die Gestaltung weist bewusst auf den Albumtitel „Therapie“ hin und lehnt sich an die so genannten Rorschach-Bilder an, mit denen man in der PsychoTherapie arbeitet. So liegt es immer im Sinne des Betrachters, was man darauf sieht und wie man es deutet. Auch in dieser Beziehung erweisen sich BÖLTER extrem kreativ, denn die CD kommt, ohne jeden Kunststoff, verpackt in einer dicken, CD-großen Klapp-Hardcover-Box daher, in der anstelle des üblichen Booklets ein eigenständiges Blatt samt eigenem (Rorschach-)Farbklecks liegt, auf dessen Rückseite sich ein Text-Auszug des jeweiligen Liedes befindet.
Die letzte Überraschung ist dann das Album-Ende.
In „Barfuß am Klavier“-Manier schließt das „Therapie“-Album mit deutlichen ANNENMAYKANTEREIT-Anspielungen die 'musikalische Behandlung' ab. Philipp BÖLTER allein am Klavier in ganz großer emotionaler, intimer, etwas trauriger Pose. Wenn das „Lied von einem Traurigen“ erklingt, wird man es selber und bleibt erstmal nachdenklich sitzen – und weiß, dass es sich bei dieser „Therapie“ um kein Placebo, sondern tatsächlich eine handgemachte geistvolle Rock-Balladen-Folk-Dröhnung handelt.
FAZIT: Zeit für eine Therapie in punkto guten Deutsch-Rocks. „Therapie“, das Debüt-Album von BÖLTER, mischt Blues-, Folk- und Country-Rock mit richtig guten deutschen, sehr einfallsreichen Texte zu einer Art 'Americana made in Germany'. Die drei Jungs aus Baden-Württemberg ziehen alle Register, um sich einen festen Platz neben STOPPOK, PURPLE SCHULZ und ANNENMAYKANTEREIT zu sichern. Wirklich mutig dieses Unterfangen. Und während viele aufgeblasene DSDS-Marionetten an solchem Vorhaben scheitern und danach eine Therapie benötigen würden, gelingt das BÖLTER mit ihrer eigenen „Therapie“ überzeugend.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Bis hierher und noch einen Schritt weiter
- Hallo Sonne
- Therapie
- Träumer
- Man muss nehmen was man kriegen kann
- Von oben
- Zwischen Tour und Angel
- Alles Wirrwarr
- Ohne Flügel
- Im Wandel der Zeit
- Lass mich mal machen
- Glücksjäger
- Lied von einem Traurigen
- Bass - Philip Bölter
- Gesang - Philip Bölter
- Gitarre - Steffen Krauss
- Keys - Philip Bölter
- Schlagzeug - Heiko Peter
- Therapie (2022) - 12/15 Punkten
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keine Interviews
Kommentare | |
Thomas
gepostet am: 30.04.2022 |
Sehr gut geschrieben. Mal schauen, ob die Vorschusslorbeeren gerechtfertigt sind. |