Musikreviews.de bei Facebook Musikreviews.de bei Twitter

Partner

Statistiken

Dreiviertelblut: Plié (Review)

Artist:

Dreiviertelblut

Dreiviertelblut: Plié
Album:

Plié

Medium: CD/LP
Stil:

Bayrischer Liedermacher-Rock''Moll voller abgründiger Texte

Label: Millaphon Records
Spieldauer: 60:16
Erschienen: 02.12.2022
Website: [Link]

Ach ja – diese Dialekte, mit denen wir es heutzutage in der deutschen (Rock-)Musik und Liedermacherkunst zu tun haben, machen es einem nicht wirklich leicht, diese Musik auch überregional zu mögen. Daran scheiden sich auch heute noch selbst bei den wohl erfolgreichsten Rockern von BAP die Geister, die das 'Köllsche' rockmusikfähig machten und in ihren massiv sich gesellschaftlich einmischenden Texten einen zwangen, genau hinzuhören. Selbst in einem Bundesland (aus dem der Kritiker hier kommt), in dem ein Jürgen Hart mit „Sing, mei Sachse sing“ den deutschlandweit ziemlich unbeliebten Dialekt bereits 1979 durch den Kakao zog, wurde zu DDR-Zeit eine AMIGA-LP veröffentlicht, bis BAP dann dort in Ungnade fielen, weil man bei „Deshalv spill mer he“ genauer hinhörte.
Rein dialektisch betrachtet fehlt jetzt also noch ein großer, weit verbreiteter Dialekt, womit wir bei DREIVIERTELBLUT und ihrem beeindruckenden Album „Plié“ wären. Die beiden DREIVIERTELBLUTsbrüder, welche die besagte Band vordergründig ausmachen, kommen aus Bayern, singen Bayrisch und texten auf einem Niveau, das sich mit BAP auf einer Ebene befindet und zudem von tiefschwarzem (britischen) Humor, der MONTY PYTHON Konkurrenz machen könnte, durchdrungen ist und mit traditionell bayrisch angehauchter Musik samt Bläsern und Kontrabässen, aber auch Moog, E-Gitarre und Lapsteel instrumentiert, sich dem Rock, dem Americana oder dem Gothic öffnet. Alles in Moll, alles zutiefst menschlich, alles oft sehr bedrückend und doch rundum unterhaltsam oder einen in die Irre führend und dort einfach alleinlassend.

Das fängt schon mit dem Albumtitel „Plié“ an, der nicht etwa aus der bayrischen Liedermacher-Szene, sondern dem Ballett kommt und diese seltsam Kniebeuge mit nach außen gewinkelten Knien und Füßen anzeigt, bei der man so aussieht, als würde man sich auf das Setzen eines gezielten Haufens beim Kacken im Wald konzentrieren. Oh ja, DREIVIERTELBLUT haben viel Sinn für Humor, aber ganz speziell den schwarzen – und der wird vorgetragen in oft bedrückenden, oft sarkastisch anmutenden, Texten, bei denen einem das Lachen sofort im Halse stecken bleibt, und ganz vielen Molltönen, welche diese oft leiser untermalen, aber auch ganz schnell mal gehörig ausbrechen können.

Jeder Song, selbst das 'Liebeslied' (So liest man's beim flüchtigen Lesen) entpuppt sich als das „Liedeslied“, ist wie eine Reise in die tiefen Abgründe der Seele, wo diese besonders schwarz ist und wo sich die Hähne ohne Kopf bewegen und die unbekannten Soldaten als ewig Unbekannte bleibend jämmerlich verrecken.
Übrigens bewegt einen gerade „Das Lied vom unbekannten Soldaten“ und dem Irrsinn des Krieges in Anbetracht des Ukraine-Irrsinns besonders, da es sofort Erinnerungen an Hannes Waders „Es ist an der Zeit“ oder Remarques „Im Westen nichts Neues“ weckt und anhand zweier Soldaten, die sich gegenseitig töten und ihr langsames Sterben beobachten, ein todtrauriges Bild von dem entwirft, was gerade Tag für Tage in der Ukraine abläuft: „Es hod mi wer daschossen, aber es hod eam ned vui bracht, hat 5 Minutn länger glebt, jetz werd a nimmer wach […] Es hod mi oana droffn, is as letzte wos i woas, und der der mi dawischt hod, der woas ned amoi, wia i hoas, wiara Woilkn im Wind“.

Gerne aber auch wird immer wieder das Motiv von der Wolke/den Wolken bemüht, die nicht nur in dem „Ewige Wolke“-Song auftaucht, sondern zugleich in vielen weiteren Textpassagen. Obwohl gerade „Ewige Wolke“ ein herrliches E-Gitarren-Solo verpasst bekommt, so als müsste der Himmel sich auf was gefasst machen. Und ja, denn durch den DREIVIERTELBLUT-Himmel scheint immer wieder der 'Schwarze Vogel' zu fliegen, um eine deutliche LUDWIG HIRSCH-Atmosphäre, auch wenn der genauso wie ANDRÉ HELLER aus Österreich kommt, zu vermitteln und durch das ganze Album zu fliegen, während immer mal wieder die BANANAFISHBONES – Kein Wunder, denn Sänger Sebastian Horn gehört schließlich zu dieser Band – oder M. WALKING ON THE WATER und die INCHTABOKATABLES plus ELEMENT OF CRIME und natürlich THE CURE (Damit abseits jeglicher Dialektik auch eine internationale Band vergleichsweise genannt wird!) wie wild gewordene Spatzen dem dunklen Federvieh Gesellschaft leisten.

Aber nicht nur die Musik und die Texte hinterlassen einen richtig guten Eindruck, auch die Verpackung der eine gute Stunde dauernden CD: ein dreiflügeliges Digipak mit ausgestanztem Loch für die CD plus Poster-Booklet – bestehend aus 24 Seiten – mit allen Texten, die man unbedingt lesen und hoffentlich auch trotz des bayrischen Dialekts verstehen sollte.

Blutleere Musik gibt’s jede Menge.
DREIVIERTELBLUT machen dagegen ihrem Namen musikalisch alle Ehre und legen im besten bayrischen Dialekt auf „Plié“ ein mit dunkelrotem Blut durchtränktes, tieftöniges Album vor, das den optimistischen und schwungvollen hellroten Blut-Viertelliter, der noch verbleibt, einfach ausspart. Passt bestens in diese Zeit.

FAZIT: Sie kommen aus Oberbayern und sie singen Bayrisch und sie sind richtig gut, selbst wenn einen der Band- und der Albumname etwas ratlos zurücklassen. DREIVIERTELBLUT mit dem Sänger der BANANAFISHBONES brechen kompromisslos mit ihren morbiden 'Finsterliedern' (So hieß die zweite LP der Bayern und so hätte man auch ihr viertes 2022er-Album nennen können!) jede Menge Tabus auf „Plié“. Bayrischer Liedermacher-Rock'n'Moll voller abgründiger Texte und einer Liebe zur Finsternis, weil die keine Schatten werfen kann und durch die unerkannt der „Schwarze Vogel“ von LUDWIG HIRSCH zu fliegen scheint, währen DAVID LYNCH gerade an einem weiteren Film bastelt, für den DREIVIERTELBLUT bereits den bayrischen Soundtrack geschrieben haben.

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 2738x gelesen, veröffentlicht am )

Unser Wertungssystem:
  • 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
  • 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
  • 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
  • 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
  • 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
  • 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
[Schliessen]
Wertung: 12 von 15 Punkten [?]
12 Punkte
Kommentar schreiben
Tracklist:
  • Om (do schneibts)
  • Ast vom Baam
  • Insomnia
  • Ewige Wolke
  • Raunacht
  • Das Lied vom unbekannten Soldaten
  • Liedeslied
  • Irgendwann
  • Rosbluat und Schneider
  • Hehna ohne Kopf
  • Im Schnee
  • Bei da Nacht

Besetzung:

Alle Reviews dieser Band:

  • Plié (2022) - 12/15 Punkten
Interviews:
  • keine Interviews
(-1 bedeutet, ich gebe keine Wertung ab)
Benachrichtige mich per Mail bei weiteren Kommentaren zu diesem Album.
Deine Mailadresse
(optional)

Hinweis: Diese Adresse wird nur für Benachrichtigungen bei neuen Kommentaren zu diesem Album benutzt. Sie wird nicht an Dritte weitergegeben und nicht veröffentlicht. Dieser Service ist jederzeit abbestellbar.

Captcha-Frage Schreibe das folgende Wort rückwärts: Regal

Grob persönlich beleidigende Kommentare werden gelöscht!