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ICSIS: Pierre Vide Eau (Review)

Artist:

ICSIS

ICSIS: Pierre Vide Eau
Album:

Pierre Vide Eau

Medium: CD/Download
Stil:

Noise / Experimental / No Wave

Label: Atypeek Music
Spieldauer: 53:05
Erschienen: 03.06.2016
Website: [Link]

Ein Album über die fünf Tierstile des Kung Fu zu schreiben, das hat schon etwas für sich. Unterschiedliche Kampfphilosophien bieten dem experimentierfreudigen Künstler schließlich sehr abwechslungsreiche Felder zum Beackern. Unangepassten Noise Punks wie ICSIS traut man die nötige Wandlungsfähigkeit ebenso zu wie die grundlegende Gestik; immerhin klingen die im Wechsel ausgestoßenen Oi!-Rufe Guilhem Meiers und Jessica Martin Marescos für sich genommen schon wie das Gejauchze eines Wing-Chun-Trainees beim Üben an einer Holzpuppe. Auf dem ersten Album „Fuckiss“ waren die Töne ein charakteristisches Merkmal, im Opener von „Pierre Vide Eau“ kehren sie zurück und markieren die Geburtsstunde von Aufnahme Nummer zwei.

Anschließend durchläuft das Zweitgeborene den Zyklus des Lebens, aber bei aller Lust am Ausprobieren, schleicht sich in die Abfolge von Hes, Hus, Bao, Shes und Longs nicht eine gewisse Vorhersehbarkeit? Fast folgerichtig scheint in den aggressiven Tiger-Stil die meiste Energie geflossen zu sein. Leider betrifft das Ungleichgewicht nicht nur neutral die Lautstärke und Härte, sondern die Qualität ebenso: Es ist der Song mit dem höchsten Aufwand und dem größten Absurditätsfaktor. Das herrlich bekloppte Musikvideo verarscht olle Kung-Fu-Schinken der 60er und 70er und lässt die Hirntot-Grimasse eines Jens Kidman von MESHUGGAH gleichzeitig regelrecht müde aussehen, wenn die Köpfe der Musiker vor schwarzem Hintergrund polyrhythmisch sämtliche Gesichtsmuskeln im schrägen Takt der Musik verrenken. Das ist laut, unvorhersehbar, verrückt, gut. Als würde man plötzlich einen Kung-Fu-Cheapo aus seinem Tapeschrank ziehen, der mit einem Duell Yoko Ono vs. Johnny Rotten auf dem Cover wirbt.

Nun ist es nicht einmal so, dass „Tigre“ sich stilistisch allzu stark vom Restfeld abheben würde. Auch die anderen Stücke kreieren ihre Soundcollagen mit Harley-Quinn-Manierismen und dem Fluxus-Duktus einer in Parfüm schwimmenden einzelnen Pflaume, serviert in einem Herrenhut. Marescos Görenstimme drückt dem Klangbild dabei sehr deutlich ihren Stempel auf,sie öffnet wieder den Graben zwischen dem Punk und der intellektuellen Elite, um über ihm eine Brücke zu bauen.

Eine interessante Zusammenstellung, die jedoch nicht in allen Tierstilen ihr Potenzial entfalten kann. So ist der Storch eine dem Wesen nach sehr sanfte und fließende Angelegenheit und dabei leider nicht sonderlich erkenntnisreich; allenfalls erschafft er einen Kontrast, der dem im Anschluss austickenden Tiger zugute kommt. Der „Leopard“ klingt dann wieder wesentlich präziser. Er demonstriert Kontrolle, ohne jedoch mal zum Big Punch ausholen zu können. Letzteres gilt auch für „Serpent“, das zwei asynchrone Linien nebeneinander anordnet und gleichzeitig abspielt, um dem Rhythmus ein Schnippchen zu schlagen. Der „Dragon“ ist dann das Epos, ein Königreich aus wilden Schnipseln zusammengesetzt, die aber eigentlich nur auf den Boden gefallen sind, als die anderen Tiere kämpften. Gequietscht und geoinkt wird in den hektischen Passagen, ansonsten herrscht getragene Postrock-Ebbe mit ein paar plötzlichen Verzerrungen. Nicht einmal der Tod hat dem noch etwas hinzuzufügen – er klingt ebenso getragen aus.

FAZIT: ICSIS empfehlen sich generell für Querdenker und das Konzept für „Pierre Vide Eau“ passt zum Sound wie Arsch auf Eimer – jedenfalls dann, wenn man der asiatischen Kampfkunst nicht nur Philosophisches, sondern auch Komisches abgewinnen kann. Zu viele Titel bleiben jedoch konfus und lassen das Potenzial hinter den Kampfstilen ungenutzt.

Sascha Ganser (Info) (Review 4750x gelesen, veröffentlicht am )

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Wertung: 7 von 15 Punkten [?]
7 Punkte
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Tracklist:
  • dark matter
  • birth
  • he (grue)
  • hŭ (tigre)
  • báo (léopard)
  • she (serpent)
  • lóng (dragon)
  • death

Besetzung:

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