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Locrian: Infinite Dissolution (Review)
Artist: | Locrian |
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Album: | Infinite Dissolution |
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Medium: | CD | |
Stil: | Post Rock / Drone / Ambient / Black Metal |
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Label: | Relapse Records | |
Spieldauer: | 47:29 | |
Erschienen: | 24.07.2015 | |
Website: | [Link] |
Das Ende der Welt naht mal wieder. Ihre Einflüsse holen sich LOCRIAN weiterhin aus denselben Töpfen. Für ihr Buch „Das sechste Sterben“, bei dem es um das vom Menschen ausgelöste Artenmassensterben geht, wurde die auf Umweltthemen spezialisierte Journalistin Elizabeth Kolbert unlängst mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet. Fast eine Dekade zuvor veröffentlichten Richard Leakey und Robert Lewin zwar ein thematisch praktisch deckungsgleiches Buch mit dem fast identischen Titel „Die sechste Auslöschung“, doch das nimmt Kolberts Werk nicht seine Relevanz.
Heute dient „Das sechste Sterben“ dem Album „Infinite Dissolution“ als Inspirationsquelle. Auch hier könnte man zu dem Schluss kommen, Ähnliches habe das Trio bereits auf „Return To Annihilation“ formuliert, oder eben auf „The Clearing“, das einem Sterben oder einer Auslöschung semantisch recht nahe kommt. Doch wieder meiden LOCRIAN die Gefahr, aufgrund ihrer Weltuntergangsthemen als redundant wahrgenommen zu werden. Zum wiederholten Male überzeugen sie mit einer neuen Perspektive.
Die Konsequenz von Kolberts Werk, das auf die Möglichkeit zweier Ausgänge hinausläuft (entweder löscht sich der Mensch selbst aus oder er rettet sich durch seinen Erfindungsreichtum), findet sich in den postapokalyptischen Black- und Drone-Landschaften schnell wieder. Alleine die Vocals, die bei LOCRIAN traditionell als weißes Rauschen in den Hintergrund gemischt werden, muten mit ihrer freien Gedichtsform, deren Zeilen oft nur einzelne Wörter sind, puristisch und radikal an.
Als typisch hat sich inzwischen auch Andre Foisys Angewohnheit herausgestellt, mit seiner Gitarre hin und wieder konkrete Riffmuster zu formen, die sich aus dem Dunst erheben und eine konturenstarke Gestalt annehmen, ohne dabei jedoch auf Dauer eine tragende Rhythmik einrichten zu wollen. Das Vorgehen erweist sich im Vergleich zu rein experimentellen Noise- und Drone-Bands als prägnanter, man belässt es nicht bei abstrakten Figuren, sondern traut sich wenigstens übergangsweise, fotorealistische Objekte abzubilden, die als Relikt einer heileren Gegenwart erkenntlich sind. Gerade hier gelingt dem Trio immer wieder das höchste Maß an Immersion. So auch diesmal: Wenn „The Future Of Death“ seine majestätische Gitarrenlinie über das Feld jagt oder „Heavy Water“ melancholische Moog-Wellen nachschickt, wird man ebenso gepackt wie in den Schlüsselmomenten der letzten Alben, nur eben auf eine neue Art und Weise, wie man sie bislang noch nicht erfahren hat.
Dass Atmosphärebildung trotzdem nach wie vor die auserwählte Königsdisziplin des Projektes ist, stellen die drei als „KXL“ getauften Zwischenspiele unter Beweis. Den direktesten Bezug zum Inhalt bewahrt „KXL II“, das Vogelzwitschern mit dem Knacken atomarer Strahlung zusammenbringt und dazu eine Grammophon-Fanfare im Hintergrund leuchten lässt, während eine Trommel den Marsch vorgibt – hier gelingt nichts Geringeres als die Sichtbarwerdung einer Faszination des Grauens.
Im Ganzen wirkt „Infinite Dissolution“ etwas emotionaler und damit auch zugänglicher als das betont neutrale Vorgängerwerk, das jede Art von Existenz in einem „Fade To White“ verschwinden ließ. Stücke wie insbesondere „The Great Dying“ bekennen sich zur Melancholie und werden damit sicher auch der Anklage gerecht, die sie mit diesem Album anbringen wollen. Auf eine einzelne Entität wie „Trauer“, „Schrecken“ oder „Frieden“ möchte man sich aber auch diesmal nicht festlegen, dafür ist die aufbereitete Grauzone zu breitflächig.
FAZIT: Man kann schon sagen, dass LOCRIAN nicht viel Interesse daran haben, thematisch allzu weit in die Ferne zu driften. Konzeptionell betrachtet bewegt sich stets etwas Großes auf sein Ende zu. Aber es ist faszinierend, auf welch unterschiedliche Art die Ergebnisse zu packen wissen. Ja, ohne Frage, „Infinite Dissolution“ verfügt über keinerlei neue Methoden des Ausdrucks, Phasing und Delay machen relativ einfache Figuren zu einer komplexen Soundlandschaft, undefinierbares Geschrei erklingt im Hintergrund, manchmal schälen sich Riffs aus der unwirtlichen Formmasse. Doch die Skulpturen, die aus dieser Methodik entstehen, sind jedes Mal Unikate.
- 1-3 Punkte: Grottenschlecht - Finger weg
- 4-6 Punkte: Streckenweise anhörbar, Kaufempfehlung nur für eingefleischte Fans
- 7-9 Punkte: Einige Lichtblicke, eher überdurchschnittlich, das gewisse Etwas fehlt
- 10-12 Punkte: Wirklich gutes Album, es gibt keine großen Kritikpunkte
- 13-14 Punkte: Einmalig gutes Album mit Zeug zum Klassiker, ragt deutlich aus der Masse
- 15 Punkte: Absolutes Meisterwerk - so was gibt´s höchstens einmal im Jahr
- Arc Of Extinction
- Dark Shales
- KXL I
- The Future Of Death
- An Index Of Air
- KXL II
- The Great Dying
- Heavy Water
- KXL III
- Gesang - Terence Hannum
- Gitarre - Andre Foisy
- Keys - Terence Hannum
- Schlagzeug - Steven Hess
- Sonstige - Steven Hess (Electronica)
- The Clearing / The Final Epoch (2012)
- Return To Annihilation (2013) - 12/15 Punkten
- Infinite Dissolution (2015) - 12/15 Punkten
- End Terrain (2024) - 12/15 Punkten
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