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Advent: Silent Sentinel (Review)

Artist:

Advent

Advent: Silent Sentinel
Album:

Silent Sentinel

Medium: CD
Stil:

Progressive Rock

Label: Advent Music
Spieldauer: 77:29
Erschienen: 01.10.2015
Website: [Link]

Beginnen wir einfach mal mit einem richtig blöden Wortspiel:
„Es ist bald der 1. ADVENT und ADVENT bringt ein Album raus!“
Darauf musizieren aber keine Weihnachtsmänner, die sich von den weihnachtlichen Jericho-Trompetern einen blasen lassen, während Väterchen Frost seine Harfe oder die Eiskönigin ihre Eiszapfen vergewaltigt und die zarten Weihnachtsengelchen ihre Kirchen-Chor-Stimmen erheben, damit das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern nur im Märchen stirbt, während sich unter den Sterntalern alle doch so lieb haben, solange jeder schön in seinem Heimatland Weihnachten feiert und nicht ins VW-verpestete, leicht braun gefärbte Land der christlichen Nächstenliebe flieht, die Tag für Tag von christlichen oder unchristlichen Politikern immer ein bisschen mehr ausgehebelt wird. Und wäre das nicht schon genug für alle guten Weihnachtswünsche nach ein bisschen mehr Liebe und Wärme, da schießen auch noch radikale Glaubensfanatiker mitten in Paris das letzte bisschen Hoffnung mit einem Haufen Kalaschnikows über den Haufen. Massenmord im Namen eines Gottes, welchen auch immer, hat nichts mit Heiligen, sondern nur Wahnsinnigen zu tun. Schlechte Zeiten für‘s Weihnachtsfest - und sogar auf „Silent Sentinel“ tickt immer wieder eine Uhr, so als würde unser letztes Stündlein schlagen.

Es ist wirklich allerhöchste Zeit für ADVENT, um mal wieder in besinnliche Besinnung zu kommen und richtig gute progressive Rockmusik zu hören, statt auf Demos und Anti-Demos die Sau rauszulassen. Aber irgendwie kann ich mir nur schwer vorstellen, dass sich diese Haudraufs tatsächlich mit solcher ADVENT-Musik beschäftigen, denn die geht sehr tief und ist komplex, anstatt nur an der dumpfen, hirn- und ohrlosen Oberfläche zu kratzen. Und sie erinnert an einen sanften Riesen, der schon viele Musikfreunde, besonders in den 70er Jahren, glücklich machte, als GENTLE GIANT mit ihren außergewöhnlichen Satzgesängen und komplexen kompositorischen Prog-Ideen einem Weihnachtsmann gleich seine musikalischen Überraschungen unter den Weihnachtsbaum des ausgefallenen Prog-Rocks legte. Das waren Geschenke, über die man sich noch freute. Denn sie waren etwas Besonderes. Nicht teuer, aber wertvoll. Eben Musik-Kunst, die einem das Herz erwärmte und die Ohren glücklich machte. Ähnlich versuchen es auch anno 2015, kurz vor Weihnachten, die amerikanischen Retro-Progger, indem sie uns die wundervollsten Erinnerungen an GENTLE GIANT, CARAVAN oder GRYPHON und neuerdings auch GENESIS schenken! Ein bisschen melancholisch und traurig - damit also richtig gut in diese Jahreszeit und den schaurigen Zeitgeist passend.

ADVENT gibt es jetzt schon seit gut 20 Jahren, trotzdem haben sie es gerade einmal auf drei Alben gebracht. Doch sollen sie sich gerne Zeit lassen für ihre Musik, solange solch qualitativ anspruchsvolle und quantitativ lange Alben wie „Silent Sentinel“ dabei herauskommen.

Nun kommt noch hinzu, dass fast alle Musiker der Band nicht nur hervorragende Satzgesänge beherrschen, sondern auch Multiinstrumentalisten sind und ein sehr feines Gespür für den Wechsel von akustischen und elektrischen, ruhigen und etwas lauteren Momenten haben. Glockenspiele, Mandolinen, Violinen, jede Menge Percussion und gleich drei gestandene Keyboarder sowie ein großer Chor sind also keine Seltenheit in der Musik dieses Sextetts.
Auch der neue Gitarrist ist eine echte Bereicherung für ADVENT. Nicht nur dass er ganz ausgezeichnet die akustischen und elektrischen Gitarren beherrscht, auch bringt er einen deutlich stärkeren GENESIS-Bezug in die Musik der Amis ein, wofür es einen eindeutigen Grund gibt. GREG KATONA war zuvor Gitarrist in der GENESIS-Coverband FOXTROT.

Dem Konzept des Albums liegt neben eigener Texte besonders eine Ballade von Arthur Hoffman zugrunde, welche das Geschehen von „Silent Sentinel“ als roter Faden durchzieht, genauso wie das immer wieder auftauchende Ticken der Standuhr. Hoffmanns „On The Wings Of An Ant“ (Auf Ameisen-Flügeln) dreht sich im Grunde um die Angst, die einen überfällt, wenn man seine Zeit verschwendet. Daher auch die Symbolkraft der Uhr: „And the wasting of time still remaining‘s / The greatest of fears.“

Mit dem Ticken einer Uhr - vielleicht der im Mittelpunkt des Covers stehenden Standuhr - und dem Zirpen von Grillen beginnt das bedrohlich wirkende „In Illo Tempore“.
Ist deine Zeit schon abgelaufen?
Warte am besten noch ein wenig und widme dich dabei den 78 Minuten Musik, die dich gefangen nehmen werden und erst so richtig beginnen, nachdem die Uhr ihre erste Stunde geschlagen hat und zu einem Marschrhythmus sich faszinierende - natürlich an GENTLE GIANT erinnernde - Satzgesänge ankündigen. Doch trotz dieser anfänglich eingeschlagenen Rhythmen bewegt sich das Gros von „Silent Sentinel“ genau in dem Bereich, den es schon durch seinen Titel ankündigt: „Stille Wächter“. Allerdings versucht man diese dann auf dem beeindruckenden 19 Minuten langen gleichnamigen Song mit deutlichen GENESIS-Anklängen, die uns in die musikalischen Zeiten, als Schwestern ihren Brüdern beim Spielen noch den Kopf abschlugen, versetzen. Und gleich danach gibt‘s in „12/12“ den HACKETTschen „Horizon“ an der akustischen Gitarre dazu, der allerdings bei ADVENT deutlich flotter, weniger melodiös, dafür aber beinahe jazzig verspielt und mit ein paar Flamenco-Ausflügen garniert, daherkommt. Das diesen knapp drei Gitarren-Minuten folgende „Sentinel‘s Reprise: The Exit Interview“ ist genau das, was es im Song-Titel ankündigt. Ein Erinnerung an GENTLE GIANTs „The Interview“ voller Satzgesänge und verspielten Instrumentals, die mal aus elektrischen Gitarren, mal aus spinettähnlich klingenden Keyboards, dann wieder vertracktem Schlagzeug und grummelndem Bass sowie ALAN PARSONS PROJECT gemahnenden Synthie-Flächen bestehen.

Mit dem zwölfminütigen „Romanitas“ wird das große Finale eingeleitet, dem auch noch eine gehörige Portion Bombast innewohnt, der auf überraschende Weise - die ich hier nicht verraten will - unterbrochen und zu einem sehr ungewöhnlich klingende Ende geführt wird.

ADVENT waren zwar schon immer sehr eng mit GENTLE GIANT verbunden, aber noch nie so nah an GENESIS. Genau das macht den allergrößten Reiz von „Silent Sentinel“ aus, auch wenn dem gesamten Album eine fast beängstigende, bedrohliche Stimmung innewohnt. Nur war es nicht genau das, was wir an den frühen GENESIS-Alben so sehr liebten, wenn uns PETER GABRIEL seine furchterregenden Musik-Geschichten erzählte?

ADVENT erzählen diese - oder zumindest ganz ähnliche - Geschichten weiter.
Und das auf allerhöchstem Niveau!

FAZIT: Wer bereits in vorweihnachtlicher Stimmung ist, sollte die Hände von „Silent Sentinel“ lassen! Wer aber die „alte“ Musik von GENTLE GIANT und GENESIS liebt, sollte sich unbedingt noch vor Weihnachten mit „Silent Sentinel“ beschenken, das erstmals auch durch das audiophile Mastering eines BOB KATZ im wunderbaren, der Musik zusätzliche Reize verleihendem Sound-Gewand daherkommt.
Ein zeitloses Album über die Verschwendung der Zeit!

Thoralf Koß - Chefredakteur (Info) (Review 5842x gelesen, veröffentlicht am )

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13 Punkte
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Tracklist:
  • In Illo Tempore
  • To Dunsinane
  • On The Wings Of An Ant (Verse 1)
  • Voices From California
  • The Uncharted Path
  • Reloj De Sol
  • On The Wings Of An Ant (Verse 2)
  • The Silent Sentinel
  • 12/12
  • Sentinel‘s Reprise: The Exit Interview
  • Second Thoughts
  • On The Wings Of An Ant (Verse 3)
  • Full Moon And Empty Hours
  • Riptide In Aeternum
  • Romanitas

Besetzung:

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